Die Bands bei "Rockavaria":Feuerfontänen, Böller und Konfettiregen

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Das musikalische Resümee: Die Hauptdarsteller liefern tolle Auftritte, das Mittelfeld ist ordentlich, ansonsten sind ein paar Entdeckungen und ein paar Enttäuschungen dabei

Von Jürgen Moises

Zirkus, Feuerwerk und Rock: Das ist laut Kiss-Bassist und Sänger Gene Simmons die Formel für ein erfolgreiches Festival. Sie selbst haben das alles inklusive Elefanten in Los Angeles gemacht. Bei ihrer Headliner-Show am Samstagabend beim Rockavaria-Festival haben die US-Amerikaner die Elefanten zu Hause gelassen. Aber sonst war, Respekt, alles dabei. Feuerfontänen, Böller, Konfettiregen und Raketen sowie natürlich: eine Menge Rock'n'Roll. Eine musikalische Zirkus-Show mit hohem Unterhaltungswert, die vom Publikum begeistert aufgenommen wurde. Da kamen auch Muse nicht ganz heran, die Bombast-Rocker aus England, die am Tag davor die Headliner-Rolle im Olympiastadion innehatten. Tatsächlich gibt es außer Kiss und Muse wohl nur wenige Bands, die ein großes Stadion optisch und akustisch so gut "füllen" können, dass es die Zuschauer sogar auf den obersten Sitzrängen packt. Die Headliner der ersten beiden Rockavaria-Tage waren also gut gewählt, und auch das Finale zeitigte große Emotionen: Faith No More, die Gründerväter des Crossover, treten am frühen Sonntagabend ganz in Weiß auf, inmitten eines Blumenmeers, das für mehrere Beerdigungen reichen würde. "Supersuper", ruft Sänger Mike Patton, als wäre er Pep Guardiola. Die Band spielt das Publikum im Olympiastadion warm, um 20.36 Uhr rollen drei schwarze VW-Busse durch das Marathon-Tor. An Bord: James Hetfield, Lars Ulrich, Kirk Hammet und Robert Trujillo. Nun leuchten die Wolken rosa über dem Stadion, Metallica spielt auf und selbst auf der Ehrentribüne üben sie sich im Headbanging.

Vor allem aber die Shows von Kiss und Muse haben gezeigt, dass die Musik, wenn es auf Stadiongröße geht, eben doch nicht alles ist. Als i-Tüpfelchen braucht es ein stimmiges ästhetisches Gesamtkonzept. Vorhanden waren bei Kiss dafür neben der Pyrotechnik die berühmten schwarz-silbernen Kostüme inklusive Gesichtsbemalung, ein fliegender Gene Simmons und andere Überraschungseffekte. Und bei Muse mit ihren theatralischen, oft recht vertrackten Rocksongs, die irgendwo zwischen Radiohead und Queen pendeln: düstere Videos, Stroboskop-Gewitter oder ein immer wieder auftauchendes Zielscheiben-Motiv, das auf die neue Platte "Drones" anspielt. "Mercy" und ein paar Songs daraus waren auch zu hören, gemixt mit älteren Hits wie "Knights Of Cydonia". Bei Kiss durften Klassiker wie "Black Diamond" und, klar, "I Was Made For Lovin' You" natürlich ebenfalls nicht fehlen. Dass ein Song wie "Rock and Roll All Nite" bereits von 1975 stammt und Kiss seit über 40 Jahren existieren, vergisst man manchmal, da die Schwarzweißbemalung das Alter der Gründungsmitglieder Gene Simmons und Paul Stanley gut kaschiert.

Auch dieses Jahr wieder in München: Kiss-Bassist und Sänger Gene Simmons. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Auch Judas-Priest-Sänger Rob Halford, der kurz vorher auf der Bühne stand, kann seine 63 Jahre hinter Bart und Sonnenbrille gut verbergen, nur seine Bewegungen sind etwas steif. Aber die Stimme ist gut und ein Motorrad fahren kann er auch noch. Mit dem rattert er für den Song "Hell Bent For Leather" auf die Bühne. Nimmt man Hits wie "Painkiller" dazu, dann war also alles dabei, was Fans der britischen Metal-Band erwarten, die ebenfalls seit Anfang der 1970er existiert.

Was gab es noch? Einen überzeugenden Auftritt der schwedischen Band The Hives mit zackigem Indierock am Freitag, dem Geburtstag von Sänger Per Almqvist, was er mehrfach erwähnte. Das Konzert der Crossover-Band Incubus war dagegen etwas enttäuschend. Seit sie sich vom funkigen Rock à la Red Hot Chili Peppers entfernt haben, fehlt der stilistisch zwischen Pop und hartem Rock schlingernden Band etwas die Identität. Ansonsten gab es auf den insgesamt drei Bühnen von Rock an aufwärts eigentlich alles: Hardcore, Thrash-, Doom- oder "Kawaii"-Metal von der japanischen Band Babymetal. Was das ist? Drei tanzende Frauen in Schuluniform, eine piepsige Frauenstimme, dazu harte Riffs von Männern in weißen Kutten. Sicherlich einer der skurrilsten Auftritte.

Nach etwas "weicheren" Musikstilen musste man generell dafür mit der Lupe suchen, weswegen man Rockavaria vielleicht eher mit dem "Wacken"-Festival vergleichen sollte als mit "Rock im Park". Was bleibt sonst als Resümee? Tolle Headliner, ein solides Mittelfeld mit ein paar Entdeckungen, ein paar Enttäuschungen. Für ein Rockfestival insgesamt eine recht solide Sache.

© SZ vom 01.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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