Deutschland - neue Heimat für Flüchtlinge:Auf einem anderen Planeten

Seit drei Jahren lebt die irakische Familie Abdulkareem in Deutschland. Doch alle Hoffnungen, die sie in einen Neuanfang gesteckt hatten, wurden jäh enttäuscht. Der Vater empfindet die neue Existenz als Enttäuschung und sozialen Abstieg - und fragt sich, wie es weitergehen soll.

Beate Wild

Flüchtlinge

Abdulkareem aus Irak: Das Leben in Deutschland hat er sich anders vorgestellt.

(Foto: Stephan Rumpf)

Gekommen war er mit großen Hoffnungen auf ein neues, besseres Leben. München sollte ihm Heimat werden, aber geklappt hat das bis heute nicht. Im Gegenteil. 2009 kam Abdulkareem - korrekt heißt er Abdulkareem Hamid Abdulkareem - in die bayerische Landeshauptstadt. Als damals im Zuge eines Resettlement-Projekts der Vereinten Nationen (UN) 2500 Iraker in Deutschland, davon 127 in München, aufgenommen wurden, war der 47-Jährige dabei. Doch dass es hier so schwer werden würde, damit hatte er nicht gerechnet.

Die Geschichte von Abdulkareems Flucht beginnt 2007. Zu diesem Zeitpunkt herrschen im Irak bürgerkriegsähnliche Zustände: Terroranschläge, Gewalt und Kriminalität unter den verschiedenen Volksstämmen. "Wie 1,2 Millionen meiner Landsleute floh ich damals mit meiner Familie nach Syrien", erzählt der Ingenieur in fließendem Englisch. Deutsch hat er zwar in mehreren Sprachkursen gelernt, doch bis heute reichen seine Kenntnisse nicht aus, um ein Gespräch zu führen. Wer Abdulkareem trifft, erlebt einen akkurat gekleideten Mann, der seine Worte konzentriert und mit leiser Stimme formuliert. An seinen Umgangsformen merkt man, dass er in seinem früheren Leben etwas anderes gewohnt war, als ein Dasein als Flüchtling und Sozialhilfeempfänger.

In Syrien findet der Akademiker keine Arbeit. Irgendwann erreicht er, dass er mit seiner Frau und den vier Kindern auf die Liste für das Neuansiedlungsprogramm der UN gesetzt wird. "Wir kamen infrage, weil eine meiner Töchter schwerbehindert ist und ständige Pflege braucht", erzählt er. In München angekommen wird die Familie zunächst in einem Heim für Asylbewerber untergebracht. Der Familienvater macht sich auf die Suche nach einer Wohnung, sie dauert eineinhalb Jahre. Es hagelt Absagen. Oder es werden ihm Wohnungen angeboten, die für ein behindertes Mädchen ungeeignet sind. Endlich findet er eine Bleibe in Riem, in der die Familie bis heute lebt. "Alles andere als billig", sagt er. "Für 59 Quadratmeter zahle ich 1000 Euro, kalt."

Auch mit dem Deutschlernen klappt es nicht wie erhofft. 600 Stunden hat er bezahlt bekommen. Zu wenig, findet er. Nun kann er zwar die vielen Behördenbriefe entziffern und mithilfe eines Lexikons auch beantworten, doch zu einer Unterhaltung ist es immer noch zu wenig. "Wir haben auch keinen Kontakt zu Deutschen, wie soll ich da deutsch sprechen lernen", seufzt er. Kein Deutsch bedeutet keine Arbeit. Dabei würde Abdulkareem zu gerne arbeiten.

Kein Kontakt zu Deutschen

Zwei seiner Töchter gehen auf eine deutsche Schule. "Sie sprechen fließend deutsch, besser als arabisch", sagt er. Aber er und seine Frau, die das behinderte Mädchen und die Kleinste mit vier Jahren rund um die Uhr betreut, haben große Probleme mit der Sprache ihrer neuen Heimat. "Wenn ich vorher gewusst hätte, was ich heute weiß, hätte ich mich nicht für Deutschland entschieden, sondern wäre lieber in die USA gegangen", sagt der 47-Jährige.

Dort, so vermutet er, gäbe es keine Sprachbarriere und es wäre leichter, eine Arbeit zu finden. Zu Hause im Irak hatte Abdulkareem ein großes Haus, drei Autos und einen guten Job. Das alles hat er verloren durch den Krieg. Nun wohnt er in einem kleinen Appartement, ohne Job, ohne Freunde, und die Sprache seines neuen Landes versteht er nur mit Mühe. "Nach Deutschland zu kommen, war für mich ein Abstieg", sagt er enttäuscht.

Die Flüchtlinge kämen mit großen Hoffnungen, doch diese würden nicht erfüllt. Zudem seien die Kultur und die Regeln in Deutschland so anders, "wie auf einem anderen Planeten". Als Beispiel nennt er seine schwerbehinderte Tochter. "Wir mussten ein Jahr lang warten, bis wir einen Rollstuhl für sie bekommen haben", sagt er. Warum die Bürokratie dafür so lange braucht, versteht er nicht. Auch der mangelnde Kontakt zu den Einheimischen stelle ein Problem dar. "Wie sollen wir uns integrieren, wenn wir in Riem in einer Siedlung nur mit anderen Ausländern leben?", fragt er. Die deutschen Familien zögen aus dem Stadtteil im Münchner Osten langsam weg. Zurück blieben nur die Fremden, sagt Abdulkareem. Er vermutet auch, dass die Gegend nicht sehr sicher ist. "Die Polizei ist ständig da."

Für neuangekommene Flüchtlinge hat er zwei Tipps: "Die hohen Erwartungen an Deutschland heruntersetzen und viel Geduld mit der Bürokratie haben." Immerhin seien seine Töchter glücklich hier. Sie sind die nächste Generation, sie schaffen die Integration spielend. "Aber was wird mit mir?", fragt der Vater.

Lesen Sie hier, mit welchen großen Hoffnungen der Neuankömmling Ibrahim aus Eritrea in München eingetroffen ist und was er auf seiner 13 Jahre langen Flucht alles erleiden musste.

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