Der Weg zur eigenen Immobilie (6):Immobilie vom Gericht

Wenn man ein Haus oder eine Wohnung durch eine Zwangsversteigerung erwerben will, kann das ein echtes Schnäppchen sein. Aber auch eine böse Überraschung ist drin.

Andreas Schätzl

Die Sache klingt verlockend: ein schmuckes Haus für die Hälfte seines Verkehrswerts erwerben. Und noch dazu ohne Makler- und Notarkosten. Zu entrichten sind lediglich die Gerichtskosten für die Umschreibung der Immobilie und die Grunderwerbsteuer. Der Zwangsversteigerung am Amtsgericht sei Dank! Doch ganz so wunderbar ist die Angelegenheit leider nicht.

Zwangsversteigerungen von Immobilien wegen Insolvenzen laufen über Amtsgerichte. Sechs bis acht Wochen vor dem jeweiligen Versteigerungstermin wird dieser vom zuständigen Amtsgericht veröffentlicht. Das geschieht meist auf mehreren Wegen: regionale Tageszeitungen (Rubrik "Amtliche Bekanntmachungen"), Aushänge in den Amtsgerichten (Gerichts- oder Gemeindetafel), Internetseiten der Amtsgerichte, gewerbliche Anbieter mit Internetseiten oder Versteigerungskataloge usw.

Zeitgleich zur Terminveröffentlichung müssen beim Amtsgericht die Unterlagen zu dem jeweiligen Objekt vorliegen. Das sind unter anderem die Adresse der Immobilie, ein Grundbuchauszug, Anmeldungen von Forderungen, eventuell auch Angaben zu Sanierungs- und Baulasten, und Daten zum Gläubiger. Diese Versteigerungsakte kann von einem Interessenten unentgeltlich eingesehen werden. Fast immer werden zudem Informationen über die Immobilie - etwa zu Größe, Schnitt, Verkehrswert, oft auch Fotos - zusammen mit der Versteigerungsankündigung veröffentlicht.

Der Grundbucheintrag etwa gibt Aufschluss über Belastungen wie Grundschulden, Hypotheken, Wohnrechte / Nießbrauch etc. - welche unter Umständen mitversteigert werden. Um hier alles zu verstehen, bedarf es allerdings schon mal juristischen Expertenrats.

Das trifft auch auf einen weiteren Bestandteil der Versteigerungsakte zu: das Verkehrswertgutachten. Das wird nämlich von einem Sachverständigen erstellt - im Auftrag des Gerichts. Es kann recht umfangreich ausfallen, da es in der Regel Informationen und Beurteilungen zur Lage des Grundstücks, dem Zustand der Immobilie, der Vermietungssituation, den bereits erwähnten eventuell laufenden Kosten bzw. Sondernutzungsrechten und - nicht zu vernachläsigen - Anschlüssen an die öffentlichen Ver- und Entsorgungsnetze enthält. Am Schluss kommt dann der Verkehrswert der Immobilie heraus.

Risikoreiches Stochern im Nebel

Die berüchtigte Katze im Sack

Obwohl dieses Expertengutachten für den potenziellen Immobilienerwerber besonders interessant ist, stellt es keineswegs eine Garantie für absolute Richtigkeit dar. Denn zum einen ist die Einschätzung eines Gutachters nicht das Maß aller Dinge: Ein anderer Experte kann zu anderen Ergebnissen und deshalb zu einem anderen Verkehrswert kommen.

Zum anderen gibt es kein Recht auf Gewährleistung bei Mängeln oder schlichtweg bei falschen Angaben. Denn der Gutachter hat ebenso wie der Interessent keinerlei Anspruch darauf, die Immobilie von innen zu sehen. Beide sind in diesem Fall letztlich auf Mutmaßungen angewiesen. Im Klartext: Man kauft die berüchtigte Katze im Sack.

Das ist auf jeden Fall zu vermeiden. Im Gegenteil: Eine Besichtigung sollte unbedingt erfolgen, und zwar sogar mit der Hilfe eines Architekten oder anderen Gutachters, möglicherweise an mehreren Terminen. Nachträgliche Reklamationen oder gar Preisnachlässe sind nach erfolgter Versteigerung und Zuteilung ausgeschlossen! Wenn eine persönliche Begutachtung der Immobilie nicht möglich ist, etwa, weil der Eigentümer oder Bewohner oder auch ein Gläubiger das partout nicht will, ist höchste Vorsicht geboten. Sehr wahrscheinlich sollen dann massive Mängel verborgen werden.

Finanzierung muss gesichert sein

Wenn das Objekt vermietet ist, muss sich der potenzielle Mitbieter darüber klar sein, dass mit dem Wechsel des Eigentümers keineswegs automatisch die Auflösung des Mietvertrags einhergeht. Der neue Eigentümer kann zwar eine Sonderkündigungsrecht innerhalb von drei Monaten nach Erwerb wahrnehmen; aber dieses hebelt nicht den Mieterschutz aus. Somit wird als Kündigungsgrund auch in einer solchen Situation höchstwahrscheinlich nur Eigenbedarf anerkannt - und der muss sehr glaubhaft nachgewiesen werden.

Aber selbst, wenn es zu einer Räumung kommen sollte, ist das oft sehr teuer - und fast immer eine für beide Seiten äußerst unerfreuliche und nervenzehrende Angelegenheit.

Auch wenn mitunter Schnäppchenpreise winken, muss man sich als Bieter bei einer Zwangsversteigerung über seine Finanzierungsmöglichkeiten bewusst sein. Erstens ist jeder seriöse Bieter zu einer Sicherheitsleistung verpflichtet. Diese beträgt meistens zehn Prozent des geschätzten Verkehrswerts und ist als Bargeld oder in Form eines bankbestätigten Schecks zu hinterlegen. Zweitens gilt auch hier: Die Finanzierung muss gewährleistet sein - ungefähr zwei bis drei Monate nach dem Zuschlag ist der gebotene Preis fällig. Ohne Abschläge und ohne Aufschübe.

Außergerichtliche Einigung

Man sollte sich als Bieter auch darauf einstellen, dass die finanzierende Bank womöglich eine höhere Eigenbeteiligung ansetzt als bei einer "normalen" Baufinanzierung. Das hat mit dem nicht von vornherein fixen Preis zu tun, ist aber auch dann möglich, wenn die gründliche Vorabprüfung des Objekts nicht möglich ist.

Vorab-Einigung

Es muss keineswegs immer zu einer Zwangsversteigerung kommen. Ein außergerichtlicher Deal, im Rahmen dessen man als ernsthafter Interessent dem (Haupt-)Gläubiger vorab ein persönliches Kaufangebot vorlegt, hat viele Vorteile: Der Käufer kann mit einem festen (und oft günstigen) Festpreis kalkulieren, und sowohl der oder die Gläubiger(-Bank) als auch der Eigentümer müssen keine Angst haben, dass die Immobilie bei zu geringem Interesse in den Versteigerungen massiv unter Wert veräußert werden muss. Ein solches Procedere ist durchaus nicht selten.

Im Gerichtssaal

Selbst wenn man sich dazu entschlossen hat, bei einer Zwangsversteigerung wirklich mitzubieten, empfehlen viele Involvierte dringend, bei zwei oder drei Terminen erst einmal konsequent nur zuzuschauen. Auf diese Weise kann man sich mit dem Ablauf und der Stimmung vertraut machen, bevor man selber mit einsteigt.

Und man spart sich unter Umständen viel Geld. Der Verkehrswert ist zwar das Ausgangs-Level beim ersten Versteigerungstermin, aber dieses wird oft nicht erreicht. Wenn das beste Gebot beim ersten Termin weniger als die Hälfte des Verkehrswerts beträgt, dann muss der Zuschlag erst einmal abgelehnt werden. Daraufhin beraumt das Gericht einen zweiten Termin an, zu dem die 50-Prozent-Grenze nicht mehr gilt. In einem dritten Termin schließlich ist alles möglich; eine Immobilie kann dann auch für 40 oder weniger Prozent ihres Verkehrswerts "weggehen". Dann lässt sich schon mal von einem Schnäppchen sprechen.

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