Der Chef der Operation:Tante Ju ist zu schwer

Der Chef der Operation: Werkstattleiter Reinhard Mücke mit der zerlegten Messerschmidt 262. Sie zieht in die Flugwerft nach Schleißheim.

Werkstattleiter Reinhard Mücke mit der zerlegten Messerschmidt 262. Sie zieht in die Flugwerft nach Schleißheim.

(Foto: Stephan Rumpf)

Reinhard Mücke organisiert den Transport der Flugzeuge

Der Start ist schon mal geglückt. Die Messerschmidt 262 ist zerlegt, wie ein gerupftes Huhn steht sie da, ohne Flügel und Leitwerk, aufgebockt auf zwei Holzstapeln. Fertig zum Abtransport. Ein gutes Omen für Reinhard Mücke. "Ob es klappt, weiß man vorher nie, die Maschine wurde ja seit Jahrzehnten nicht mehr angefasst", sagt er und atmet erst mal tief durch. Mücke, grünes Sweatshirt, graue Rockermähne, nimmt seinen Helm ab und blickt durch die Luftfahrthalle. Fast alles muss hier raus. Und er ist der Chef der Operation. Noch wirkt er wie die Ruhe in Person. "Es ist schon eine mörderische Aufgabe", entfährt es ihm dann doch, und er meint damit den Umzug im Allgemeinen, die Flugzeuge im Speziellen.

Eile ist hier falsch am Platz. "Sicherheit geht vor Schnelligkeit, das sind ja alles Unikate, mit unermesslichem Wert", sagt der Werkstattleiter der Flugwerft in Schleißheim. Dorthin kommt die Me 262 während der Umbauphase. Weltweit gibt es von diesem Flugzeug nur noch vier Stück: Hitlers Wunderwaffe, 800-fach im Zweiten Weltkrieg eingesetzt, mit ihren Strahltriebwerken und Pfeilflügeln war sie damals das modernste Kampfflugzeug. Das Exemplar im Deutschen Museum hat eine besondere Geschichte. Mücke kennt sie natürlich. "Ein deutscher Fähnrich ist im April 1945 mit dieser Maschine in die Schweiz geflogen und auf dem Flugplatz Dübendorf gelandet. Angeblich aus Treibstoffmangel, aber er tat wohl gut daran abzuhauen. Die Schweiz hat das Flugzeug dann später dem Deutschen Museum übergeben." Versicherungswert? "Das kann doch niemand sagen", meint Mücke, "das hier ist was anderes, als wenn eine Terpentin-Flasche über einen Rembrandt kippt."

Seit 25 Jahren arbeitet der gelernte Automechaniker beim Deutschen Museum, "ich bin ein Seiteneinsteiger". Inzwischen kennt er jede Maschine in und auswendig. Jedes Flugzeug durchläuft seine gläserne Werkstatt - Besucher der Flugwerft in Schleißheim können den Handwerkern bei der Arbeit über die Schulter schauen. Jedes Fluggerät wird dort präpariert, ein Hängegleiter ebenso wie ein Airbus-Cockpit. Jetzt gehen einige der Maschinen den umgekehrten Weg. Die Me 262 und ihre Schwester, die Me 163, ziehen nach Schleißheim um, auch der acht Tonnen schwere Senkrechtstarter Fokker VAK 191 B. "Der passt gerade noch so in einen Lkw", sagt Mücke, "haben wir exakt ausgemessen." Dann werden nachts Straßen gesperrt und Trambahn-Leitungen angehoben, damit der Spezialtransport durchfahren kann. Ein paar wenige Exponate bleiben, wo sie sind, weil sie für den Transport schlicht zu schwer sind, wie die Junkers 52, Tante Ju, und das riesige Airbus-Teil. Sie werden eingehüllt. Auch dabei passt Reinhard Mücke auf, dass ihnen nichts passiert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: