Den Einwohnern zurückgeben:Hotels zu Wohnungen

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Barcelona kämpft vor allem mit der Masse an Touristen

Von Thomas Urban

In einem Punkt haben die Planer der katalanischen Metropole Glück: Die Einwohnerzahl wächst nicht, im Gegenteil, in den letzten beiden Jahrzehnten ist sie sogar leicht auf 1,6 Millionen gesunken. Die Stadt hat andere Probleme: die hohe Luftverschmutzung durch den Autoverkehr und vor allem 17 Millionen Übernachtungen von Touristen im Jahr; deren schiere Masse ist dabei, die Struktur über Generationen gewachsener Stadtviertel zu zerstören. Bei den Kommunalwahlen 2015 wurde deshalb die bisherige neoliberale Stadtregierung abgestraft, die auf nahezu bedingungsloses Wachstum der Branche setzte. Unter der neuen linksalternativen Oberbürgermeisterin Ada Colau, die aus der Hausbesetzerszene kommt, gilt die Parole: "Die Stadt ihren Einwohnern zurückgeben!"

Damit wird an frühere Konzepte der "humanen Urbanistik" angeknüpft: Vor 150 Jahren entstand ein neues Zentrum mit einem Gittermuster ähnlich wie in Manhattan. Jeder der quadratischen Blöcke mit großzügigen Innenhöfen ist rund 400 Meter lang, das Viertel durchzieht überdies eine große Diagonale, die auch so heißt. Im Zuge der Olympischen Spiele von 1992 wurden neue Viertel entlang des Meeres gebaut. Auf dem Höhepunkt des Booms, vor dem Platzen der Immobilienblase 2008, wurden überdies alte Hafenanlagen zu einem Ausgehviertel umgestaltet. An dieser Struktur der Stadt wird sich vorerst wenig ändern, schon gar nicht ist an Hochhäuser gedacht. Schwerpunkt der Planer ist vielmehr die Verbesserung der Lebensqualität für die Einwohner. Dazu gehören die Verbannung des Durchgangsverkehrs aus vielen Vierteln, die Umwidmung von Hotels zu Sozialwohnungen sowie administrativer Druck zur Vermietung von derzeit rund 80 000 leer stehenden Wohnungen, die vor allem Banken und Immobilienfirmen gehören. Hinzu kommen Maßnahmen zur Verringerung der Touristenzahlen, beginnend mit der Begrenzung von Lizenzen für Beherbergungsbetriebe, für die private Wohnraumvermietung und für Kreuzfahrtschiffe.

© SZ vom 10.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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