Demonstrationen:Wenn die Polizei mal härter hinlangt

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  • Ein Polizist soll im Juli eine 18-jährige Schülerin am Rande einer Pegida-Demonstration geschlagen haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Mann.
  • Teilnehmer von Demonstrationen kritisieren, dass das Auftreten der Polizei auch in anderen Fällen nicht verhältnismäßig gewesen sein soll.
  • Die Münchner Polizei sieht sich von solchen Vorwürfen ins unrechte Licht gerückt.

Von Martin Bernstein

Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt gegen einen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt. Aufnahmen dokumentieren, was der USK-Beamte am 14. Juli am Rande eines Pegida-Aufmarschs getan haben soll. Eine 18 Jahre alte Schülerin war von Polizisten aus einer Sitzblockade gegen die Kundgebung der Rechten gezogen worden.

Sie hatte keine Gegenwehr geleistet, war mitgegangen und stand am Gehsteig, als USK-Männer auf sie losgingen. Ein Polizist schubste die junge Frau in eine Hecke. Plötzlich versetzte ihr ein weiterer Beamter einen gezielten Schlag ins Gesicht. Die Ärzte diagnostizierten eine Schädelprellung, Nasenwandprellung und eine leichte Gehirnerschütterung "Gezielt, willkürlich und völlig unnötig" sei die Attacke gewesen, sagte seinerzeit ein Augenzeuge.

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Die internen Ermittler des Landeskriminalamts (LKA), die immer dann aktiv werden, wenn der Verdacht besteht, dass sich ein Polizist im Dienst rechtswidrig verhalten hat, nahmen sich des Falls an. Ihre Ermittlungsergebnisse zu dem Beamten, der dem Polizeipräsidium Mittelfranken unterstellt ist, beschäftigen jetzt die Staatsanwaltschaft. Deren Sprecher Florian Weinzierl will nicht ausschließen, "dass, im Rahmen der weiteren Prüfung, noch Ermittlungen, vor einer abschließenden rechtlichen Bewertung, erforderlich sind." Mit einer Entscheidung zu dem Sachverhalt sei nicht vor Anfang Dezember zu rechnen.

Manche Münchner bewerten den Sachverhalt schon jetzt - und glauben, dass er kein Einzelfall ist. Sowohl bei mehreren Gegendemonstrationen zu Pegida als auch bei der Kundgebung gegen das Integrationsgesetz sei das Auftreten der Polizei willkürlich, rabiat und alles andere als verhältnismäßig gewesen, kritisieren Teilnehmer. Bei den Zwischenfällen am Oberanger waren am 22. Oktober rund 50 Demonstranten und mehrere Polizisten verletzt worden.

"Statt Konflikte lösen - eskalieren"

Anlass für den Einsatz waren Pyrotechnik und zusammengeknotete Transparente im so genannten Schwarzen Block gewesen. In Briefen an die Süddeutsche Zeitung zeigten sich Teilnehmer an der Demonstration entsetzt. "Mein großer Sohn hat am Samstag gelernt, dass von der Polizei Gefahr ausgeht", schreibt eine Mutter. "Schockiert erzählt er immer wieder, wie er gesehen hat, dass rennende, behelmte Polizeibeamte einen jungen Mann, der es nicht mehr schaffte, rechtzeitig aus dem Weg zu springen, geschlagen haben."

Eine andere Mutter zeigte sich überrascht, "wie viel Polizeiaufgebot und in was für einer Montur ich dort vorfand." Den Polizeieinsatz fand sie "sehr brutal und es hat mich sehr erschreckt". Ein anderer Kundgebungsteilnehmer kommt zu dem Schluss: "Statt Konflikte lösen - eskalieren, nur so kann ich das Verhalten der Polizei werten." Ein Gewerkschafter, der ebenfalls mitdemonstrierte, glaubt: "Hätte man auf die vereinzelte Idiotie mit den Farbwürfen und der Pyrotechnik souveräner und auch mit der einen oder anderen klärenden Polizeidurchsage reagiert, so wäre es nach meiner Überzeugung bei Friede, Freude, Eierkuchen geblieben."

Genau das glaubt die Polizei indes nicht. Ihrem Sprecher Thomas Baumann ist es deshalb wichtig, den Einsatz vom 22. Oktober und die Polizeimaßnahmen bei den montäglichen Pegida-Aufmärschen getrennt zu betrachten. "Am Samstag haben wir keine Chance gehabt", glaubt er. Es habe kein Gegenüber gegeben, das für Deeskalation zugänglich gewesen sei. Vielmehr sei es Ziel des Schwarzen Blocks gewesen, einen möglichst öffentlichkeitswirksamen Polizeieinsatz zu provozieren. Der Vorfall vom 14. Juli hingegen - für die Münchner Polizei ist er tatsächlich ein Einzelfall.

Die involvierten Jugendlichen sehen das anders

Eine weitere Beschwerde über mutmaßliche Polizeigewalt gab es nach der Pegida-Gegendemonstration am 26. September am Sendlinger Torplatz. Die Vorwürfe hätten aber ausgeräumt werden können, berichtet Baumann. Die involvierten Jugendlichen sehen das anders. Empört sind sie vor allem über einen USK-Beamten, den sie nach dem Namen seines Einsatzleiters gefragt hatten. Nach Aussage der Schüler lautete die Antwort des Polizisten: "Wie heißt denn unser Führer? Ups . . . habe ich gerade Führer gesagt?"

Baumann räumt ein, dass die Polizei auch Hinweise über ihren Twitter-Kanal bekommt. Diese Tweets seien aber in der Regel unkonkret. Dennoch gehe man ihnen nach und leite sie ans Sachgebiet Kriminalitätsbekämpfung weiter. Wenn der Verdacht ausreicht, wird das LKA eingeschaltet. Seit Juli hat der Verdacht in keinem weiteren Fall ausgereicht. Eine Zunahme von Beschwerden in den vergangenen Monaten kann Baumann nicht erkennen.

Die Münchner Polizei sieht sich von solchen Vorwürfen ins unrechte Licht gerückt. Man sei "permanent dran am Thema". Für die jeden Montag eingesetzten Informationsbeamten gab es erst jüngst eine Schulung, in der Themen wie das Recht am eigenen Bild behandelt wurden - wichtiger Aspekt bei einer Veranstaltung, bei der Rechtsradikale und Fotografen der Gegendemonstranten sich gegenseitig oft bis auf Armlänge mit ihren Kameraobjektiven auf die Pelle rücken. Baumann betont die Offenheit der Polizei gegenüber Politikern und den Rechtsextremismus-Beauftragten der Bezirksausschüsse. "Gerne können sie unsere Arbeit am Montag begleiten", sagt er. "Wir haben nichts zu verbergen."

© SZ vom 31.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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