Demonstration:Flüchtlinge vom Sendlinger Tor kündigen Marsch nach Nürnberg an

Demonstration: Die Flüchtlinge klagen, dass sie nicht gehört werden und bislang kein Dialog mit Politikern zustande gekommen sei.

Die Flüchtlinge klagen, dass sie nicht gehört werden und bislang kein Dialog mit Politikern zustande gekommen sei.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Sie fordern ein "Bleiberecht für alle", doch die bisherigen Versuche mit Münchner Politikern zu reden, sind gescheitert.
  • Die Flüchtlinge vermissen vor allem Solidarität und wollen deshalb weiter demonstrieren. Auch einen Hungerstreik schließen sie nicht aus.

Von Christian Gschwendtner

"Einladung zum Klassenkampf", vermerkt der Polizist mit dem Klemmbrett in seinem Protokoll zur Pressekonferenz. Er hat sich vor dem Tisch mit den vier Sprechern positioniert. Jede Äußerung wird penibel dokumentiert. Und gerade hat Narges, 33, doch tatsächlich einen Appell an alle Arbeiter und Unterprivilegierten gerichtet. Die Kurdin mit den kurz geschnittenen, grau melierten Haaren will, dass sie sich den Protesten auf dem Sendlinger-Tor-Platz anschließen. Schließlich kämpfe man hier gegen alle Formen von Diskriminierung.

Vordringlich geht es den Flüchtlingen aber noch immer um ein "Bleiberecht für alle". Und diesem Ziel sind sie bisher keinen Schritt näher gekommen. Alle Versuche mit Münchner Politikern in einen Dialog zu treten, sind gescheitert. "Wir schlafen auf der Straße und niemand hört uns zu", wird Narges nach der Pressekonferenz sagen.

Vor den Kameras hat sie sich noch einmal eindringlich an die hiesige Bevölkerung gewandt, mit der Bitte um mehr Verständnis für die Situation der Geflüchteten. Solidarität ist das Stichwort, das immer wieder fällt auf der Pressekonferenz an diesem Dienstagvormittag. Solidarität fehlt den Flüchtlingen. Deshalb wollen sie weiter demonstrieren.

Gerade läuft der vierte Antrag auf Verlängerung des Protestlagers. Nach jetzigem Stand müssten die Demonstranten den Platz eigentlich am kommenden Freitag räumen. Dann erlischt die Genehmigung des Kreisverwaltungsreferats (KVR). Ob der Protest weitergehen kann, ist derzeit "völlig offen", wie die Behörde am Dienstag auf Anfrage mitteilt. Es muss abgewogen werden, ob die Demonstration in der Münchner Innenstadt noch verhältnismäßig ist.

Im Raum steht auch die Frage, ob die jetzige Protestform überhaupt zielführend ist. Auch im KVR hat man die Sprachlosigkeit zwischen Politik und Flüchtlingen zur Kenntnis genommen. Dass es zu einem wirklichen Dialog kommt, gilt als unwahrscheinlich. Jeder Veranstalter muss bei der Anmeldung ein Ziel seiner Aktion angeben. Wird dieses Ziel immer unerreichbarer, könnte sich auch bald die Veranstaltung an sich erübrigt haben.

Ein Hungerstreik bleibt Option

Seitens der Flüchtlinge hofft man auf eine erneute Genehmigung. Der Plan ist jetzt, am 8. Oktober zu einem Protestmarsch nach Nürnberg aufzubrechen. Die Flüchtlinge wollen vor das Bundesamt für Migration ziehen. Und danach wieder auf den Sendlinger-Tor-Platz zurückkehren. Über radikalere Protestformen wird zumindest laut nachgedacht, sollte weiterhin kein Signal aus der Politik kommen. Der Hungerstreik steht nach wie vor als letzte Option im Raum.

Bisher hat lediglich Ates Gürpinar, der Landessprecher der Linken, Sympathien für die Anliegen der Asylbewerber erkennen lassen. Gürpinar hatte dem CSU-Innenpolitiker Florian Herrmann eine gezielte "Täter-Opferumkehr" vorgeworfen. Der Anlass war Herrmanns indirekte Forderung nach einer Beendigung der Demonstration, weil sich die Flüchtlinge mit den "Randalierern" von Bautzen solidarisiert hätten.

Die vier Sprecher greifen die Äußerungen von Herrmann am Dienstag auf. Sie bekunden, dass der Protest in jedem Fall "friedlich" bleiben wird. Und eines ist ihnen ganz besonders wichtig: "Wir wollen euer Geld nicht, wir wollen Freiheit", wie Sherzaf Khan das formuliert. So kritisieren sie auch die Residenzpflicht. In den Augen der Flüchtlinge vom Sendlinger-Tor-Platz ist sie eine unverhältnismäßige Gängelung.

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