Demonstration in München:Kleiner Kifferaufstand

Demonstration in München: Dass ein Cannabis-Verbot mehr schadet als nützt, dafür hatten die Demonstranten am Samstag viele Argumente.

Dass ein Cannabis-Verbot mehr schadet als nützt, dafür hatten die Demonstranten am Samstag viele Argumente.

(Foto: Robert Haas)

"Ihr werdet's nicht vermuten - wir sind die Guten": 150 Menschen in München demonstrieren für die Legalisierung von Cannabis, unter ihnen ein Mitglied der Bayernpartei. Der Mann hat bereits 2500 Unterschriften für ein Volksbegehren gesammelt. Für ein bayerisches Hanf-Gesetz.

Von Stephan Handel

Als müssten erst mal alle Vorurteile bestätigt werden, dauert's natürlich ewig, bis es losgeht: Kiffer sind ja, wie jeder weiß, entspannt bis retardiert, bekommen nichts auf die Reihe und begegnen den Zumutungen des Lebens nur mit einem breiten Grinsen. Die Zumutung an diesem Samstagnachmittag am Sendlinger Tor besteht darin, dass es regnet. Das wiederum bedeutet aber nicht, dass jetzt mal schnell gemacht wird. Nein, erst muss schon noch ein Augustiner ausgetrunken werden, bevor es losgehen kann mit der Politik.

Da kann man mal wieder sehen, wie das so ist mit den Klischees: Während ein paar hundert Meter weiter am Frühlingsfest niemand etwas daran auszusetzen hat, dass Leute kurz nach Mittag Alkohol trinken, ist das bei diesem bunten Volk hier natürlich verdächtig. Dabei ist das Anliegen durchaus ein ernst zu nehmendes: Der "Global Marijuana March" wird gleich durch München ziehen, wie gleichzeitig in 225 anderen Städten, um darauf aufmerksam zu machen, dass dem Haschisch, dem Cannabis, dem Shit, dem Gras, dem Ganja Unrecht getan wird, wenn man es als gefährliche Droge verteufelt. Und dass die, die es konsumieren, beileibe keine bemitleidenswerten Abhängigen sind, was die Menge - 150 Leute mögen's sein - den Passanten in einem Sprechchor mitteilt: "Ihr werdet's nicht vermuten - wir sind die Guten."

Wer erfahren will, warum dieser Spruch richtig sein soll, wendet sich am besten an Wenzel Cerveny, der zwar einerseits Mitglied der Bayernpartei ist, andererseits die Liste der zulässigen Rauschmittel über das von seiner Partei präferierte Bier hinaus erweitern will: Cerveny hat ein Volksbegehren gestartet, an dessen Ende ein "Bayerisches Hanf-Gesetz" stehen soll, in dem die Pflanze erlaubt werden soll als Medizin, als Rohstoff und als Genussmittel, das aber nur, wenn man 18 Jahre alt ist.

Cerveny ist gerade dabei, Bayern und speziell München sozusagen abzugrasen; 25 000 Unterschriften braucht er, 2500 hat er schon. Dann könnte es zum Volksentscheid kommen, und dass er und seine Mitstreiter da auf der vernünftigen Seite sind, daran lässt er keine Zweifel. Ist nicht Hanf eine Jahrtausende alte Kulturpflanze, die heute nur verteufelt wird, weil die Pharma-Industrie und andere Kapitalisten an ihr nichts verdienen können? Papier, Kleidung, ganze Häuser könnten nur aus Hanf her- und hingestellt werden. Und die medizinischen Anwendungen überhaupt!

Erlaubnis zum legalen Erwerb von Cannabis

Wie auf Bestellung steht nun Christoph Rossner da, der hernach, bei der Demo, die Massen per Megafon agitieren wird. Rossner, 44 Jahre alt, hatte mit 19 einen Unfall, ein schweres Trumm Metall fiel ihm aus sechs Metern Höhe auf die Schulter. Seitdem: Schmerzen, Lähmungen bis in die Fingerspitzen. Die Medikamente der Ärzte halfen nichts oder machten ihn blöd im Kopf. Irgendwann empfahl ihm eine Freundin, es doch mal mit Cannabis zu probieren.

Er braute sich einen Tee - und spürte wenig später ein Kribbeln in den bis dahin tauben Fingern. Rossner blieb dabei, beschaffte sich den Stoff illegal, weil's ja nicht anders ging. Und saß schließlich sogar, weil sein Dealer ihn verpfiff, ein paar Monate im Gefängnis. Dort brachte er die Therapeuten in Verlegenheit, als er sie fragte, was sie ihm denn empfehlen könnten gegen seine Schmerzen, wenn er schon kein Cannabis mehr nehmen sollte.

Heute ist Rossner einer von rund 200 Patienten in Deutschland, die eine Erlaubnis zum legalen Erwerb von Cannabis besitzen. Bei ihm sieht das so aus, dass er drei bis vier Mal im Jahr - sein Leiden meldet sich schubweise - bei seinem Arzt ein Rezept holt, mit dem er dann in der Apotheke seine Kapseln kaufen kann, 60 Stück für 200 Euro, die Kasse zahlt's natürlich nicht. Deshalb würde Rossner es begrüßen, wenn er die Lizenz zum Anbau erhalten könnte. Die aber bleibt ihm verwehrt.

Petition an den Bundestag

Das ist Teil der restriktiven Drogenpolitik der Staatsregierung, die alle Ansinnen zu einer Legalisierung von Cannabis bislang strikt abgelehnt hat - mit der Begründung, Haschisch und Marihuana machten die Türen auf zu den härteren Drogen, wer einen Joint rauche, stehe praktisch schon mit einem Bein in der Heroinsucht. Die Befürworter entgegnen dem, dass es ja gerade die Illegalität sei, die die Konsumenten mit härteren Sachen in Berührung bringe, weil die meisten Dealer halt verschiedene Artikel im Sortiment hätten. Das Problem löse sich von selbst, wenn Cannabis in lizenzierten Läden frei verkäuflich sei, so wie ja auch ein Biertrinker kaum auf die Idee komme, nun mal dieses LSD probieren zu wollen.

Unbestritten ist, dass Cannabis bei exzessivem Konsum Psychosen auslösen kann - allerdings, darauf weist Katharina Walter hin, die den Münchner Hanf-Marsch mit organisiert hat, nur bei zwei Prozent der Konsumenten. Felix Tretter, Leiter des Kompetenzzentrums Sucht im Bezirkskrankenhaus Haar, bestätigt die Sache mit den Psychosen, teilt aber gleichzeitig mit, dass er Alkohol und Nikotin für weit gesundheitsschädlicher hält.

Und mehr als 100 deutsche Strafrechtsprofessoren halten dem Gesetzgeber in einer Petition an den Bundestag vor, welche gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen das Verbot von Cannabis hat: Nicht nur lässt sich der Staat Steuereinnahmen entgehen - er kriminalisiert einen Teil der Bevölkerung, der niemanden schädigt außer sich selbst (und nicht einmal das ist sicher), er verdammt die Konsumenten dazu, auf dem Schwarzmarkt überteuerte Ware zweifelhafter Herkunft kaufen zu müssen, vor allem aber: Das Verbot nützt nichts, wie die Alkohol-Prohibition im Amerika der 1920er-Jahre gezeigt hat.

Am Rande der Demonstration, die nun doch endlich losgezogen ist, geht ein junger Mann, der seinen Namen nicht sagen will. Er besitzt ebenfalls eine Ausnahmegenehmigung und holt sich jeden Monat in seiner Apotheke 10 Gramm Marihuana ab. 31 Jahre ist der junge Mann alt, er leidet an Morbus Bechterew, einer unheilbaren rheumatischen Erkrankung. Ohne den täglichen Joint, sagt er, ohne die Tüte, die seine Schmerzen lindert, ohne sein Gehirn zu vernebeln, wäre er nicht in der Lage zu tun, womit er momentan beschäftigt ist: seine Doktorarbeit fertigzustellen.

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