Demo gegen Milchkrise:Grüne Allianz

Bauern und Naturschützer protestierten am Odeonsplatz gemeinsam gegen die Milchkrise. Die Bauern befürchten wegen der niedrigen Preise ihren Ruin.

Christian Sebald

Was für ein Krach! Kaum läutet ein Milchbauer seine Kuhglocke, stimmen zig andere ein. Weiter hinten blasen sie in Trillerpfeifen, was das Zeug hält, und schwingen knatternde Ratschen. Ein Milchbauer wirft eine Sirene an, die Blasmusiker traktieren ihre Instrumente, auf dass der Krach weiter anschwelle. Und überall auf dem Odeonsplatz schwenken Hunderte von Landwirten Plakate und Transparente: "Wer Bauern quält, wird nicht gewählt", steht auf einem, auf einem anderen: "Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber."

Seit Tagen demonstrieren die Milchbauern überall in Europa gegen die Milchkrise. Fast täglich fließen aus Protest aus Güllewagen Tausende Liter Milch auf Äcker. Überall im Land finden Mahnwachen mit zum Teil gigantischen Strohfeuern statt. Und auf beinahe jeder Wahlveranstaltung gehen die Bauern die Politiker massiv an. Die Verzweiflung ist groß auf den Dörfern. Bei Milchpreisen von nur noch 20 bis 25 Cent je Liter macht ein Bauer pro Kuh und Tag zwei Euro Defizit. Bei einer Herde von 50 Stück sind das 3000 Euro Minus im Monat. Keine Bauernfamilie kann so einen Ausfall längere Zeit verkraften.

Am Donnerstag nun sind Milchbauern aus dem ganzen Oberland und weit darüber hinaus auf den Odeonsplatz gezogen. Doch es waren nicht nur die Bauern, die hier lautstark protestierten. Erstmals solidarisierten sich Umweltverbände und Entwicklungshilfeorganisationen mit ihnen. Das ist neu. Für die meisten Bauern waren Umweltschützer bislang nichts als "linke Spinner", wenn nicht Schlimmeres. Umgekehrt schimpften Naturfreunde die Landwirte gerne "Umweltvergifter", wenn diese nicht auf Kunstdünger und Pflanzenschutzmittel verzichten wollten. Angesichts der Not der Milchbauern ist das Vergangenheit.

Nun sagt Hubert Weiger, der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz: "Die Milchbauern sind die Bewahrer unserer einzigartigen Kulturlandschaft. Ohne sie würde sich das Artensterben dramatisch beschleunigen." Karl Müller von Greenpeace erntet donnernden Applaus auf dem Odeonsplatz, als er "Klasse statt Masse auch in der Milchproduktion" verlangt. Romuald Schaber, der Chef des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter, feiert die Koalition als "Weichenstellung für eine neue Agrarpolitik".

Dann lassen die Demonstranten den Pink-Floyd-Klassiker "Another Brick in the Wall" über den Odeonsplatz wummern, einige laufen auf die turmhohe Wand aus Strohballen zu, an der Plakate hängen, und werfen sie unter dem Johlen der Menge um. "Auf dass die Politiker die Mauern in ihren Köpfen einreißen", ruft vorne einer ins Mikrophon, "und uns aus der Krise helfen".

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