Deichkind in München:Das Chaos hat einen Namen

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Wenn die Hamburger Electro-Hiphop-Formation Deichkind ein Konzert gibt, ist Ausflippen angesagt. Dem Publikum in der Muffathalle blieb also gar keine andere Wahl.

Beate Wild

Als die sechs Jungs auf die Bühne kommen, ist die Stimmung schon äußerst angespannt. Gekleidet in schwarze Müllsäcke mit Neon-Applikationen in gelb, grün und rosa stürmen sie die Bühne. Der erste Song ist eine Cover-Version von dem Volkslied "Alle Vögel sind schon da". Das Publikum ist nicht mehr zu halten. Der Elektro-Hiphop, den die sechs Hamburger loslassen, versetzt die Münchner Muffathalle sofort in Ekstase.

Beliebt: Am 26. Januar gibt "Deichkind" ein zusätzliches Konzert in München. (Foto: Foto: oh)

Deichkind live zu sehen, ist gleichbedeutend mit Party bis zum Exzess. Die Jungs aus dem Norden verstehen es perfekt, ihr Publikum zu rocken. Und sie sind dabei fast wie ein guter Wein: Mit den Jahren werden sie immer besser.

Typisch Deichkind: die neue Single "Arbeit nervt"

Auf ihrer aktuellen Tour sind Deichkind mit ihrem neuen Mitglied Ferris MC unterwegs, der erst seit Mitte 2008 Teil der Band ist. Er kam zu der Formation als sich Buddy Inflagranti, einer der Gründungsmitglieder von Deichkind, von der Band verabschiedete. Freilich ist Ferris MC für Hip-Hop-Fans kein unbekanntes Gesicht. Der Deutsch-Rapper ist bekannt durch Titel wie "Zur Erinnerung" oder "Reimemonster". Nun also auf Tour mit Deichkind. Und es funktioniert perfekt, obwohl man sagen muss, dass Inflagranti bei dem Live-Auftritt mit seiner nonchalanten Art doch schmerzlich vermisst wird.

In Mülltüten jagen sie über die Bühne, geben alles und machen sich dabei keinen Gedanken, ob sie dabei gut oder bescheuert aussehen. Im Gegenteil: Wahrscheinlich freuen sie sich, wenn sie rüberkommen wie die größten Freaks des Universums.

Ihre neue Single "Arbeit nervt" vom gleichnamigen vierten Album kommt im typischen Deichkind-Sound daher. Es rummst und wummert, schnelle Elektrobeats sind unterlegt mit Sprechgesang. Der Text wie üblich provokativ und etwas derb ("Fettabsauger, Spargelstecher, Professoren - Träumen auch von FKK in Rockstar-Posen") . Aber genau diese Mischung kommt an beim Publikum. Das Geheimnis von Deichkind ist wohl, das ihre Musik absolut tanzbar ist und einfach gute Laune macht. Auf diese Kombination ist bei den Hamburgern Verlass.

Begonnen hat ihr Erfolg 2000 mit "Bon Voyage", in dem Nina Tenge, eine Hamburger Rapperin, den Refrain sang. Damals war die Musik von Deichkind noch sehr Hiphop-lastig. Am Ende des Konzerts taucht der Song in einer elektronischen Form auf. Freilich hat er nichts mit dem damaligen Lied von Deichkind zu tun, aber selbst in der Elektroversion ist er einer der besten Songs der Gruppe.

Einem breiten Publikum bekannt wurden die Rapper, als sie beim Bundesvision Song Contest im Februar 2005 bei Stefan Raab ihre Single "Electric Super Dance Band" vorstellten. Es war ihr erster Song im neuen Stil: Elektronisch-trashige Tanzmusik. Der Titel der Single war ihr Motto.

Sie gebärden sich wie Pornostars auf Drogen

Es folgten Hits wie "Remmi Demmi" ("Schmeiß die Möbel aus dem Fenster, wir brauchen Platz zum dancen"), "Ich betäube mich" und jetzt eben "Arbeit nervt". Deichkind selbst bezeichnen ihren derzeitigen Musikstil als Tech-Rap. Ihre Texte drehen sich um Party, Alkohol und revolutionäres Gebaren. Ganz schön oberflächlich, mag man denken. Doch das Ganze muss man mit einem Augenzwinkern sehen. Die Hamburger wollen provozieren. Auch mit ihrer Bühnenshow, die regelmäßig im Chaos endet.

In der Muffathalle tröten sie mit Fußball-Sirenen, surfen mit einem Gummiboot über das Publikum und gebärden sich wie Pornostars auf Drogen. Bei der Zugabe spielen sie zum Abschluss noch einmal "Remmi Demmi". Es ist der Höhepunkt des Abends.

Das Konzert in München war übrigens so schnell ausverkauft, dass es im Januar ein Zusatzkonzert gibt. Wer also Deichkind dieses Mal verpasst hat, hat am 26. Januar nochmals die Gelegenheit zum Party-Exzess.

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