Debatte über Heizkraftwerk:Gegen den Strom

Gas-fired power of German utility giant E.ON is pictured in Irsching

Vorbild für Unterföhring? In einem Kraftwerk in Irsching an der Donau stehen die modernsten Gasturbinen der Welt.

(Foto: Michaela Rehle/Reuters)

Gaskraftwerke sind klimafreundlicher als Kohlekraftwerke, aber auch unrentabler - ein Umstieg kann trotzdem sinnvoll sein

Von Christian Sebald

Wer die modernsten Gasturbinen der Welt besichtigen will, der muss nach Irsching an der Donau fahren. Das Kraftwerk, das 80 Kilometer nördlich von München nahe Ingolstadt steht, gilt als Wunderwerk der Technik. Die Turbinen haben einen Wirkungsgrad von 60 Prozent, nur 40 Prozent des verbrannten Erdgases verpuffen also ungenutzt als Abwärme. Außerdem stoßen sie 40 Prozent weniger CO₂ aus als vergleichbare ältere Gasturbinen. Und sie lassen sich extrem flexibel fahren, die Stromproduktion kann binnen Minuten dem Bedarf angepasst werden. Trotzdem steht Irsching still. Denn Strom aus Erdgas ist so teuer, dass er seit Jahren praktisch unverkäuflich ist. Laut einer Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau betragen die Produktionskosten für Erdgas-Strom 7,5 bis 9,8 Cent je Kilowattstunde. An der Leipziger Strombörse wird die Kilowattstunde Strom für etwa drei Cent gehandelt.

Allein deshalb ist es überraschend, dass die Stadtwerke München im Aufsichtsrat die Option vorstellten, auf dem Areal des Unterföhringer Heizkraftwerks ein Gaskraftwerk hinzustellen. Als eine von mehreren Alternativen, falls die Stadtwerke den Steinkohleblock dort Ende 2022 abschalten müssen, worüber die Münchner wohl im Herbst auf Initiative des Bündnisses "Raus aus der Steinkohle" in einem Bürgerentscheid abstimmen werden. Denn Gaskraftwerke sind unter den gegenwärtigen Bedingungen auf dem Strommarkt unrentabel. Experten zufolge werden sie es auch noch längere Zeit bleiben. Der Hauptgrund dafür ist das hartnäckige Festhalten der Bundesregierung an der Stromproduktion aus Braun- und Steinkohle. Kohlekraftwerke arbeiten wesentlich billiger als Gaskraftwerke . Inzwischen ist sogar Windstrom günstiger als Gasstrom, besonders wenn die Windräder an windträchtigen Orten stehen. Gaskraftwerke hätten nur eine Chance, in den Markt zu kommen, sagen alle Experten, wenn die Kohlekraftwerke hierzulande abgeschaltet werden.

Ein zentraler Gewinn für den Klima- und Umweltschutz wäre der Umstieg von Kohle- auf Gaswerke in jedem Fall. Das gilt für ganz Deutschland genauso wie München. Kohlekraftwerke zählen zu den Klimakillern Nummer eins. Das gilt auch für den Unterföhringer Kohleblock, selbst wenn er sämtliche Grenzen für den Schadstoffausstoß einhält und unter seinesgleichen sogar als vorbildlich gilt. Das erkennt man schon daran, dass 85 Prozent der Schadstoffemissionen in der Stromproduktion in Deutschland aus den Kohlekraftwerken hierzulande stammen. Und laut "Raus aus der Steinkohle" ist das Unterföhringer Kohlekraftwerk für etwa 17 Prozent der CO₂-Emissionen in der Landeshauptstadt verantwortlich, das ist mehr als der des gesamten Münchner Auto- und Lkw-Verkehrs.

Gaskraftwerke sind in jedem Fall sehr viel umweltfreundlicher als Kohlekraftwerke. Ihr CO₂-Ausstoß ist nur etwa halb so hoch wie der von Kohlekraftwerken. In Spitzenkraftwerken à la Irsching beträgt er sogar nur 30 Prozent davon. Das Freiburger Öko-Institut hat denn auch schon vor einem halben Jahr für die Stadtwerke München errechnet, dass sich der CO₂-Ausstoß in der Landeshauptstadt um bis zu 10,6 Millionen Tonnen senken lassen würde, wenn der Unterföhringer Kohleblock schon 2020 abgeschaltet würde statt erst 2035. "Die vorzeitige Abschaltung des Kohleblocks wäre in jedem Fall ein Gewinn für die Umwelt", bekräftigt Christof Timpe. Der Ingenieur ist Leiter des Bereichs Energie und Klimaschutz beim Öko-Institut und Mitverfasser des Gutachtens über das Unterföhringer Kohlekraftwerk.

Bleibt die Frage, ob der Umstieg auf ein Gaskraftwerk ohne große Verluste vonstatten gehen könnte, obwohl solche Anlagen in der Stromproduktion unrentabel sind. Zumindest die Chancen dafür sollten so schlecht nicht stehen. Denn das neue Unterföhringer Gaskraftwerk würde ja nicht allein für die Stromproduktion errichtet, sondern zugleich für die Fernwärmeversorgung der Münchner - so wie schon jetzt der Kohleblock der Fernwärmeversorgung dient. Solche Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen arbeiten viel rentabler als reine Gaskraftwerke. Nicht zuletzt wegen ihrer Förderung durch den Bund. Zwar läuft diese 2022 aus. Aber die meisten Experten sind zuversichtlich, dass sie verlängert wird.

In Würzburg haben die Stadtwerke schon vor zwölf Jahren vorgemacht, wie man von Kohle auf Gas umsteigt. Zuerst rüsteten sie ihr altes Heizkraftwerk um. 2009 bauten sie eine zweite Gasturbine ein. Heute deckt das Gas-Heizkraftwerk 85 Prozent des Strombedarfs der Region. Bei der Fernwärme sind es 90 Prozent. "Natürlich haben wir in der Vergangenheit schon mal ein Minus gemacht", sagt eine Sprecherin der Stadtwerke dort. "Aber die Zeiten sind vorbei, unser Heizkraftwerk ist im Plus."

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