Debatte im Rathaus:Ungeprüfte Vorwürfe

SPD, CSU und Grüne mischen sich in den Streit zwischen Jugendamt und Jugendhilfeträger "Neue Wege" ein

Von Sven Loerzer

Das Verhalten des Stadtjugendamtes gegenüber dem Jugendhilfeträger "Neue Wege" im Streit um die Abrechnung von Personalkosten schlägt im Rathaus hohe Wellen. Während die SPD in zwei Anfragen klar erkennbar die Sichtweise des Jugendamts übernimmt, verlangt der Koalitionspartner CSU mit einem umfassenden Fragenkatalog eine Erklärung. Auch die Grünen wollen eine "objektive und unparteiliche Aufklärung". Sie betonen aber: "Es wäre von Seiten der Politik unverantwortlich, aufgrund von vagen und nicht überprüften Vermutungen und Behauptungen diesen bewährten und wichtigen Jugendhilfeträger ohne Not vor die Wand fahren zu lassen."

Zumal das Vorgehen des Jugendamtes viele Fragen aufwirft. Mehr als ein Jahr nach einer Überprüfung verhängte das Jugendamt einen Belegungsstopp gegen den Träger, der mit 120 Mitarbeitern mehr als 300 Kinder und Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen ambulant und stationär betreut. Angeblich sei nicht ersichtlich, ob der Träger so viel Personal eingesetzt hat, wie er abgerechnet hat. Der Vorwurf stützte sich auf Angaben eines ehemaligen Mitarbeiters, der dem Jugendamt angeboten hatte, die Einrichtung zu übernehmen. Die Heimaufsicht dagegen sah das Kindeswohl nicht gefährdet. Zwar ist der vom Jugendamt verhängte Belegungsstopp in zwei Instanzen als rechtswidrig wieder aufgehoben worden. Aber das Jugendamt beharrte weiterhin auf Einsicht in nicht näher bezeichnete Unterlagen. Es beglich in der Folge offene Rechnungen in Höhe von 1,5 Millionen Euro nicht und brachte den Träger so an den Rand einer Insolvenz.

Inzwischen haben sich die beiden SPD-Stadträte Christian Müller und Verena Dietl auf die Seite des Stadtjugendamtes geschlagen, das seit einem halben Jahr kommissarisch von ihrem Parteifreund Markus Schön geleitet wird. Ihre Anfrage lasse in ihrer Formulierung erkennen, "bei wem die SPD-Fraktion die Schuld für die aktuelle Situation sieht", betonen die Rathaus-Grünen Gülseren Demirel, Jutta Koller und Oswald Utz, die ihrerseits eine Anfrage zu den Vorgängen stellten.

Denn der Träger wehrt sich ganz entschieden gegen die von der SPD aufgestellte Behauptung, er habe die Einsicht in erforderliche Unterlagen monatelang verweigert. Inzwischen ist deshalb sogar die Stadt auf Distanz zu der in der Rathaus-Umschau veröffentlichten SPD-Anfrage gegangen: "Die Landeshauptstadt München als Herausgeberin der Rathaus-Umschau weist darauf hin, dass sie sich etwaige in den veröffentlichten Anfragen enthaltene Tatsachenbehauptungen nicht zu eigen macht." Der Träger habe den Äußerungen, die Einsicht sei verweigert worden, stets widersprochen, stellt nun die Stadt in einem Nachtrag zu der Anfrage klar.

Die SPD-Stadträte hat das offenbar derart erbost, dass sie nun auch Auskunft verlangen, ob es richtig sei, dass "Neue Wege" versucht hat, die Veröffentlichung der ersten Anfrage zu verhindern: "Sollte dies der Fall sein, stellt es nicht nur den Versuch dar, das berechtigte Erkenntnisinteresse der Bevölkerung zu negieren, sondern offensichtlich auch den Versuch, die kommunale Selbstverwaltung einzuschränken."

Grüne und CSU dagegen fragen nach den Kontrollen. So wollen die CSU-Stadträte Beatrix Burkhardt, Johann Sauerer und Heike Kainz wissen, ob die eingeforderten Unterlagen auch bei anderen Trägern geprüft werden. Und die Grünen wollen wissen, welche Nachweispflichten vereinbart sind. Ob es dazu tatsächlich Aufklärung gibt, ist fraglich: Wie in solchen Fällen üblich wird den Entwurf für die Antwort des Sozialreferats die zuständige Behörde - also das Jugendamt - selbst verfassen.

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