Das Straßenbahnnetz wird erweitert:Der letzte Schliff

Künftig fährt die Tram 25 bis zum S-Bahnhof Berg am Laim. Die Verlängerung hat sich hingezogen, am Ende aber ging alles recht schnell. Gänzlich neu ist die neue Linie freilich nicht - ein Teil der Strecke war bis vor knapp 30 Jahren in Betrieb

Von Marco Völklein

Eigentlich soll die neue Straßenbahnstrecke zum S-Bahnhof Berg am Laim erst am Samstag eingeweiht werden. Doch bereits am Donnerstag ist hier ordentlich Verkehr: Den gesamten Vormittag über zieht ein Zwei-Wege-Unimog, der dank einer Spezialvorrichtung auch auf Schienen fahren kann, ein Schleifgerät über die Gleise. Und gegen 11.30 Uhr dreht dann noch Alfred Lechner seine Runde. Der Projektleiter für die Neubaustrecke lässt noch einmal eine "Gebrauchstauglichkeitsfahrt" absolvieren. An Bord sind zahlreiche Techniker und Bauverantwortliche.

Geprüft wird also die "Gebrauchstauglichkeit" der Trasse. Was das heißt? Lechner lässt die Tram an jeder der drei neuen Haltestellen (also am S-Bahnhof Berg am Laim, an der Riedenburger Straße sowie am Vogelweideplatz) anhalten. Die Trambahnbesatzung springt raus - und schaut nach. Gibt es Behinderungen? Passt alles? An der Riedenburger Straße etwa stellt sich heraus, dass die Gartenbaufirma einen Baum falsch eingepflanzt hat. Zwischen Bordstein der Haltestelle und Baumstamm müssten zwei Meter Platz sein, damit zum Beispiel auch Kinderwägen locker durchpassen. Tatsächlich messen Lechner und seine Leute nur 1,87 Meter. "Der Baum muss versetzt werden", sagt der Projektleiter. Bis Samstag hat die Firma nun Zeit.

Im Großen und Ganzen aber ist Lechner zufrieden. Vor allem das Wetter habe in den vergangenen Wochen mitgespielt; der Eröffnungssause am Samstag mit Oberbürgermeister Reiter, zahlreichen Stadträten und dem Nahverkehrs-Chef steht also nichts mehr im Wege - wenngleich Lechner einräumt, dass die Baustelle im Münchner Osten ein ambitioniertes Projekt war. Der offizielle Spatenstich fand Ende Februar statt. Knapp zehn Monate später ist die Strecke fertig. "Das ist nicht schlecht", lobt Lechner sich und die beteiligten Firmen.

Tatsächlich aber zog sich die Verlängerung der Tramlinie 25 vom Max-Weber-Platz bis zum S-Bahnhof Berg am Laim etwas hin. Eigentlich hatte Herbert König, der damalige Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), mal geplant, die ersten Bahnen bereits im Dezember 2015 auf die Neubaustrecke zu schicken; schon im Jahr 2014 schickte die MVG Bautrupps los und ließ entlang der Truderinger Straße eine etwa 200 Meter lange Stützwand errichten, die das parallel verlaufende S-Bahn-Gleis stabilisiert. Auch die Baumfällarbeiten zogen die Planer rasch durch. Doch dann stockte das Verfahren - es dauerte Monate, bis die Regierung von Oberbayern den Bau genehmigte. Schuld war Personalmangel.

Das Straßenbahnnetz wird erweitert: Ein Bild aus dem Jahr 1960: Die erste Wendeschleife am Vogelweideplatz war auf dem Grundstück des alten Gaswerks entstanden.

Ein Bild aus dem Jahr 1960: Die erste Wendeschleife am Vogelweideplatz war auf dem Grundstück des alten Gaswerks entstanden.

(Foto: Archiv FMTM)

Seit Februar wurde nun umso emsiger gearbeitet. Schienen wurden verlegt, Oberleitungen gespannt, entlang der Einsteinstraße wurden zudem zwei Haltestellen neu errichtet. Als extrem kompliziert erwies sich der Einbau mehrerer Weichen an der Ein- und Ausfahrt zum Betriebshof an der Einsteinstraße. Denn dort werden die Trambahnen nun künftig aus dem Depot kommend nicht mehr nur nach Westen in Richtung Innenstadt abbiegen können, sondern auch nach Osten in Richtung des S-Bahnhofs Berg am Laim. Um diese Schienenkreuzung errichten zu können, mussten die Baufachleute zunächst eine provisorische Aus- sowie Einfahrt für die Trambahnen erstellen. Andernfalls hätte den gesamten Sommer über keine einzige Trambahn aus dem Depot ausrücken können - der Betrieb auf sämtlichen Linien der Stadt wäre über Wochen stillgestanden. Seit Ende der Sommerferien läuft nun alles wieder wie gehabt. Auch die Autofahrer können aufatmen: Damit die Arbeiter genügend Platz zum Bauen hatten, war in den Sommermonaten die Einsteinstraße stadtauswärts gesperrt. Der Verkehr wurde umständlich über die Prinzregentenstraße umgeleitet, lange Staus inklusive.

Aber auch während des Baus ergaben sich einige Überraschungen. So mussten die Baufirmen den lehmigen Boden unter den späteren Trambahnschienen tiefer ausheben als ursprünglich geplant und mit standfestem Kies unterfüttern - damit fielen zusätzlicher Aushub an, der zum Teil auf einer Sondermülldeponie teuer entsorgt werden mussten. Denn zu allem Überfluss stießen die Arbeiter auf einem Teil der Strecke im Untergrund auf Reste einer Altlastendeponie, sagt Lechner. Und um im lehmigen Boden das Wasser besser ableiten zu können, wurden Drainage-Kanäle eingebaut. Das alles hat den Bau nun verteuert: Hatte König zunächst mit bis zu 18,7 Millionen Euro Baukosten gerechnet, wird in der Endabrechnung laut Lechner nun ein Betrag von 21 Millionen Euro stehen.

So wird gefeiert

Mit einem Fest wird die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) am Samstag die Inbetriebnahme der Trambahnverlängerung vom Max-Weber-Platz bis zum S-Bahnhof Berg am Laim feiern. Von 11 Uhr an steht der Trambetriebshof in der Einsteinstraße 148 allen Interessierten offen. MVG-Mitarbeiter führen dann durch die diversen Werkstattabteilungen, verschiedene Straßenbahntypen sind ausgestellt, zudem gibt es Infos zur neuen Strecke sowie ein Kinderprogramm. Vertreter von Fahrgastverbänden sowie Fachleute der MVG und des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV) stehen an Infoständen zur Verfügung. Wer die neue Strecke ausprobieren möchte, der kann von etwa 12.30 Uhr an den kostenlosen Pendelverkehr zwischen Max-Weber-Platz und dem S-Bahnhof Berg am Laim nutzen. Die Tram stoppt unterwegs an den Haltestellen Flurstraße, Grillparzerstraße, Einsteinstraße, Vogelweideplatz und Riedenburger Straße.

Zur Feier des Tages hat der Verein "Freunde des Münchner Trambahnmuseums" auch ein Sonderheft seines Trambahn-Journals aufgelegt, das sich ausschließlich der Steinhausen-Tram widmet. Es wird am Stand des Vereins erhältlich sein (trambahn-journal@tram.org). Die Post gibt zu diesem Anlass einen Sonderstempel heraus. mvö

Stolz ist Lechner auf die Strecke dennoch. Sie dient vor allem dazu, die neuen Bürogebäude, die in den kommenden Jahren am Vogelweideplatz entstehen, an das städtische Nahverkehrsnetz anzubinden. Für viele ältere Münchner allerdings ist das nichts Neues: Sie erinnern sich noch gut daran, dass bis in die Achtzigerjahre hinein die Straßenbahn schon mal zumindest bis zum Vogelweideplatz fuhr. Denn bereits im September 1907 war eine Tram vom Max-Weber-Platz aus gen Osten errichtet worden, deren Endhaltestelle sich auf Höhe der Lucile-Grahn-Straße befand. Nur knapp zwei Monate später wurde diese bis zum Gaswerk "Am Kirchstein" erweitert - dieses lag auf dem Gelände, auf dem heute der Busbetriebshof steht. 1929 wurde die Strecke erneut um einige hundert Meter nach Osten verlängert. Am 27. Oktober 1988 schließlich endete der Betrieb auf der Strecke ab Max-Weber-Platz. Busse ersetzten die Tram, die Straßenbahnen nutzten die Gleise nur noch als Betriebsstrecke zum Ein- und Ausrücken.

Fast drei Jahrzehnte nach der Stilllegung kehrt die Trambahn im Regelbetrieb nun zurück - und wird in Richtung Osten erweitert. Fahrgastverbände und Stadtteilpolitiker bemängeln aber, dass die MVG die Strecke lediglich mit der verlängerten Linie 25 bedient. Sie hätten es lieber, wenn die Tram von Berg am Laim kommend direkt weiter in die Innenstadt geführt worden wäre. Damit wäre das Umsteigen am Max-Weber-Platz entfallen. Die MVG lehnt dies aus Kostengründen ab.

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