Das Maßnahmenpaket:"Mogelpackung" ohne Sofortwirkung

Das Maßnahmenpaket: Christian Hierneis ist seit 2002 Vorsitzender der Münchner Kreisgruppe des Bundes Naturschutz und auch Mitglied in dessen Landesvorstand. Hierneis fordert "Sofortmaßnahmen" gegen die Luftverschmutzung.

Christian Hierneis ist seit 2002 Vorsitzender der Münchner Kreisgruppe des Bundes Naturschutz und auch Mitglied in dessen Landesvorstand. Hierneis fordert "Sofortmaßnahmen" gegen die Luftverschmutzung.

(Foto: Toni Mader/oh)

Bund Naturschutz wirft Staatsregierung vor, geschlafen zu haben. Deutsche Umwelthilfe sieht langfristig Verbesserungen

Von Thomas Anlauf

Vertreter der Umweltverbände haben für den von der Staatsregierung angekündigten Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Luftqualität in München und anderen bayerischen Städten nur ein müdes Lächeln übrig. Als "Mogelpackung" bezeichnet Richard Mergner, Landesbeauftragter des Bundes Naturschutz, das Investitionspaket. Es "ändert nichts Grundlegendes an der vorsätzlichen Vergiftung der Bewohner an hochbelasteten Straßen in bayerischen Großstädten". Christian Hierneis, Vorsitzender der Münchner Kreisgruppe des Bund Naturschutzes, hält die Ankündigung von Ministerpräsident Horst Seehofer, etwa 400 Millionen Euro in den kommenden fünf Jahren in den öffentlichen Nahverkehr vor allem in München zu investieren, für viel zu spät.

Die verschiedenen Maßnahmen zur Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs "werden von uns seit vielen Jahren gefordert und werden jetzt als tolle neue Ideen gefeiert", so Hierneis. Es werde allerdings Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern, bis der öffentliche Nahverkehr wirksam ausgebaut sei, sich die Elektromobilität endgültig durchgesetzt habe "oder nachhaltige Verkehrskonzepte umgesetzt sind". Doch statt längst zu handeln, habe die Staatsregierung "geschlafen". Zudem werde keine der angekündigten Maßnahmen kurzfristig dazu beitragen, "die Grenzwerte auch nur halbwegs einzuhalten. Wir brauchen in München wirksame Sofortmaßnahmen", so Hierneis.

Angesichts der alarmierenden neuen Zahlen, wonach 24 Prozent der Münchner Hauptstraßen teils massiv über dem Grenzwert für Stickstoffdioxid liegen, spricht der Bund Naturschutz von "erheblichen Gesundheitsrisiken für Hunderttausende Bewohner der Landeshauptstadt". Der Verband fordert deshalb die Aktualisierung des Luftreinhalteplans sowie einen Verkaufsstopp für neue Euro-6-Dieselfahrzeuge, wenn sie den gesetzlichen Stickoxidgrenzwert von 80 Milligramm pro Kilometer nicht einhalten. Außerdem müssen nach Ansicht des Bundes Naturschutz die Blaue Plakette eingeführt und der Steuervorteil für Dieselkraftstoffe abgeschafft werden. Das forderten auch die Münchner Grünen nach Bekanntwerden der hohen Stickstoffdioxidwerte in München. Von den Automobilherstellern will der Bund Naturschutz jetzt die Zusage, dass sie bereits verkaufte Diesel-6-Fahrzeuge nicht nur mit günstiger Software ausstatten, um den Ausstoß zu verringern, sondern dass "wirksam nachgebessert" werde.

Ob der Plan der Staatsregierung geeignet ist, die hohe Schadstoffbelastung in München "schnell in den Griff zu bekommen", bezweifelt auch Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter. Fahrverbote in München sind deshalb wohl noch lange nicht vom Tisch. Das sieht auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) so, die erfolgreich eingeklagt hatte, dass die Staatsregierung ein Gutachten zur aktuellen Luftbelastung in München erstellen musste. Eigentlich hätte sie das Gutachten laut Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs am 29. Juni veröffentlichen müssen. Es sei ein "Unding, dass das Gutachten zurückgehalten wurde", sagt Verkehrsexpertin Dorothee Saar von der Deutschen Umwelthilfe. Bei den angekündigten Plänen zur Verbesserung der Luftqualität sei "viel Schönes dabei", doch es seien "alles Maßnahmen, die einen zeitlichen Vorlauf haben", so Saar. Die Ankündigung von Seehofer, Kaufanreize für neue Dieselfahrzeuge zu bieten, nennt sie "den Teufel mit dem Beelzebub austreiben".

Dennoch blickt Saar vorsichtig optimistisch in die Zukunft, was den Verkehr und die Luftqualität in München angeht. Sollten die Ankündigungen tatsächlich alle umgesetzt werden, könne sie sich vorstellen, dass es in München in zehn Jahren ein deutlich komfortableren öffentlichen Nahverkehr geben werde und einen deutlich höheren Anteil an Elektro- und Hybridfahrzeugen in der Stadt.

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