Das ist schön:Vor-Ostern

Glück & Trost: Jansons dirigiert Dvořáks "Stabat mater"

Von Egbert Tholl

Ja, es ist schön. Schön, ach was schön, umwerfend, ist allein schon, dass der Herkulessaal wirklich bis auf den letzten Quadratmeter ausverkauft ist, hinten stehen so viele Menschen, wie gerade noch dort stehen dürfen, oben, an der Seite, alles voll. Hier kann man erleben, was für ein Gemeinschaft stiftendes Ereignis Musik sein kann. Es ist auch Gottesdienst-Ersatz, Vorwegnahme von Ostern: Mariss Jansons dirigiert das "Stabat mater" von Antonín Dvořák, die große Kontemplation über den Schmerz der Mutter Gottes unter dem Kreuz, an dem ihr toter Sohn hängt. Der fremde Schmerz wandelt sich zur Anteilnahme des Betrachters, die Perspektive ändert sich, der, der im Mittelalter das lateinische Gedicht, das Dvořák hier vertont, aufschrieb, will den Schmerz teilen und fleht am Ende selbst um Erlösung.

Mit dem Text wandelt sich in gut 80 Minuten auch die Musik. Auch wenn Dvořák noch nicht über die kompositorischen Mittel verfügte, die Worte "Paradisi gloria" so unendlich transzendent strahlen zu lassen wie viele Jahre später Francis Poulenc: Es ist hier viel Licht, das aufflammt in der Düsternis, immer wieder. Am Ende, eben beim Flehen ums Paradies, aber auch in der seltsam frühlingshaften Freude des Chors, wenn der in der Mitte des Werks Jesu vergossenes Blut als Heilsversprechen für die Menschheit anerkennt. Natürlich gibt es hier immer wieder Momente, die sich von der christlichen Konfession nicht lösen lassen; aber doch wirkt der Glaube, wie der hier verhandelt wird, viel größer, umfassender, als dass ihn eine Religion für sich allein in Anspruch nehmen könnte. Die Bilder, die Motive, die sind christlich. Der Gehalt ist viel, viel umfassender, human.

Jansons ist mit seiner Ernsthaftigkeit der richtige Dirigent für das Werk. Nie zielt er auf Effekt, was hier, aller Dunkelheit zum Trotz, durchaus möglich wäre. Jansons liebt die Zartheit, die einen hier immer wieder zutiefst berührt - dafür sorgt allein schon der bestens disponierte Chor des Bayerischen Rundfunks. Und unter den Solisten vor allem der Tenor Christian Elsner. Natürlich zerreißt es in den (wenigen) lauten Orchester-Tutti schier den armen, kleinen Herkulessaal. Aber das muss das Gemäuer aushalten. Das "Stabat mater" ist größer als der Saal, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks an diesem Abend in seinem Tun tausendmal schöner. Irgendwie fühlt man sich wie in einer Notbehausung, doch dem Erleben der Musik tut das überhaupt keinen Abbruch. Ernst, Trost, darin Glück und Freude: Das ist schön!

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