Das Cinema wird 50:Wo das Leben des Brian ewig währt

Popcorn, Triple Feature, Jugend-Kino: Das Cinema in Neuhausen hat Generationen von Kinofans süchtig nach der Leinwand gemacht.

Von Claudia Fischer

Als das Cinema 30 war, zeigte es James Dean Filme. Alle drei hinter-einander, zu einem Preis, den sich auch Schüler leisten konnten. Das nannte sich Triple Feature und kein anderes Kino sonst bot so etwas an. 15-jährige 50er-Jahre-Fans aus dem Umland reisten in die große Stadt - selbstverständlich hatten sie Pettycoats und Cowboystiefel angezogen. Im Foyer, das mit seinen Spiegelfliesen auch damals schon ein bisschen wie das Innere eines Raumschiffs aussah, standen sie dann herum, kauften sich an der schwarzglänzenden runden Bar Popcorn und Cola, betrachteten Kinoplakate aus vergangenen Zeiten.

Anschließend lümmelten sie sich in die etwas zu weichen Kinosessel. Wenn die Augen nach vier bis sechs Stunden leicht quadratisch, die Ohren vom THX-Soundsystem wenigstens einen Zentimeter größer und die Seele bilderdurchflutet waren, wussten sie zwei Dinge: dass James Dean richtig cool ist; und dass sich die Fahrt gelohnt hatte.

Auch später, als aus den ehemaligen 15-Jährigen Endzwanziger geworden waren, die zum Cinema nicht mehr weiter als eine Viertelstunde reisen mussten und das Tragen von Pettycoats rundweg geleugnet hätten, suchten sie das Erlebnis in dem Neuhauser Eckkino immer wieder. Durch zeit- und auch kostensparende Double- oder Triple-Features lernten sie filmische "Musts" kennen wie "Das Leben des Brian" oder "Star Wars", machten Bekanntschaft mit Freddy Krüger und litten mit Sigourney Weaver im Kampf gegen das Alien.

Ausflüge in Randgenres

Das Cinema hat sie süchtig gemacht. So verfallen waren sie dem Kinobau an der Nymphenburger Straße, dass sie all seine weiteren Entwicklungsphasen bereitwillig mitmachten. Sie haben sich klaglos über zehn Jahre hinweg "Das Leben des Brian" angeschaut - der Lieblingsfilm von Dieter Buchwald, dem Kinobetreiber. Sie haben exzentrische Ausflüge in Randgenres mitgemacht wie in die Welt des Pornos mit emanzipatorischem Anspruch. Seit 1992 genießen sie Filme im Original ohne Untertitel und sehen in Sneak Previews Filme, deren Titel zuvor nicht bekannt gegeben werden, nur um den gemeinen Mainstream-Sklaven ein halbes Jahr voraus zu sein.

Wer über das Cinema erzählen will, kommt zu dem Schluss, dass es eigentlich alles zuerst hatte. Kinofreaks als Publikum. Double Features. Sneak Previews. Popcorn. Popcorn? "Wir haben als erste Kino weit und breit Popcorn angeboten, nachdem ich das Ende der 70er Jahre in amerikanischen Kinos gesehen hatte", erzählt Dieter Buchwald. "Erst zehn Jahre später, nachdem andere Kinomacher gemerkt hatten, dass Popcorn nicht an den Polstern klebt, zogen sie nach." Es klingt kein bisschen stolz. Wieso auch? Nach 30 Jahren Kino unter seiner Leitung ist das nur eine Anekdote unter vielen.

Non-Stop-Jugendkino statt Mathe

Da wäre noch die mit den Stühlen: Als man damals, Ende der 70er, beschloss, den Saal neu zu bestuhlen, stellte sich die Frage, wie man auf möglichst schnelle und kostensparende Weise das alte, hölzerne Sitzmobiliar loswürde. "Wir haben einen Aufruf gestartet: Jeder der will, kann sich kostenlos Kinostühle abholen." Dieter Buchwald lacht bei der Erinnerung an den Auflauf, den das verursachte: "Die ganze Nacht standen VW-Busse mit laufendem Motor vor dem Kino, Leute trugen Stühle raus. Am nächsten Morgen war der Saal leer!" Oder die Geschichte mit den Schulschwänzern: Nach Einführung des Non-Stop-Jugendkinos entdeckten Münchner Schüler umgehend die Möglichkeit, die Zeit zwischen 11 und 17 Uhr auf angenehmere Weise zu verbringen als bei Mathe und Erdkunde - im Cinema.

Heute ist das Cinema 50 und genießt den souveränen Status, das einzige Münchner Filmtheater zu sein, das Filme konsequent nur im Original zeigt. Weil das Publikum ein so Treues ist, hat man beschlossen, den runden Geburtstag mit Hunderten von Besuchern zu begehen aber gänzlich ohne Prominente. Eine solch weise Abgeklärtheit bekommt man wahrscheinlich erst mit 50. Und eine Menge ehemaliger James-Dean-Fans ersetzt die VIPs ohnehin perfekt.

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