Das "Adria" muss schließen:Ein Stück Schwabing geht verloren

Das legendäre Schwabinger Lokal "Adria" muss nach 35 Jahren schließen. Jahrzehntelang versorgte es Münchens Nachtschwärmer mit Pizza und Pasta - doch seit dem Ende der Sperrstunde kamen immer weniger Gäste

Beate Wild

Um halb drei Uhr nachts in München unterwegs und hungrig? Seit es die Sperrstunde nicht mehr gibt, ist das auch in der Landeshauptstadt kein Problem mehr. Aber in den Jahrzehnten zuvor war das "Adria" in der Leopoldstraße die einzige Rettung für viele Nachtschwärmer. 35 Jahre lang versorgte das Lokal an der U-Bahnstation Giselastraße die Münchner von halb 11 Uhr morgens bis nachts um drei Uhr mit Pizza und Pasta - doch jetzt ist Schluss. Am Sonntag hat die legendäre Kneipe zum letzten Mal geöffnet.

Das "Adria" muss schließen: Muss nach 35 Jahren schließen: Das "Adria" an der Leopoldstraße.

Muss nach 35 Jahren schließen: Das "Adria" an der Leopoldstraße.

(Foto: Foto: Beate Wild)

"Wir schließen, weil die Besitzer, das Ehepaar Gron, zu alt und zu krank sind", sagt Vladimir Kreitmeier, einer der Kellner im "Adria". Schon seit Jahren sei das Lokal mehr oder weniger führungslos, da die Grons, die über 80 Jahre alt sind, sich nicht mehr kümmern könnten. Außerdem rentiere sich das Restaurant seit ein paar Jahren auch wirtschaftlich nicht mehr. "Das Ende der Sperrstunde im Jahr 2004 hat uns das Genick gebrochen", sagt Kreitmeier. Seit andere Lokale auch so lange geöffnet haben dürfen, wie sie wollen, bleibt dem "Adria" die Kundschaft weg.

"Das war wie mein Zuhause, ich bin sehr traurig", sagt Ulrich Huber. Der 70-Jährige ist Stammgast im "Adria", seit es existiert, also seit 1972. Er wohnt um die Ecke und schaut mittags gerne mit seinem Hund Jackie vorbei, abends kommt er mit Freunden. Huber erinnert sich noch ganz genau an die Anfänge des Lokals. Vorher habe der Laden "Café Europa" geheißen, erzählt er. "Das war so ein Lokal, in dem viele 68er verkehrten." Viele der einstigen Gäste hätten angeblich sogar mit der "Baader-Meinhof-Bande" sympathisiert. Am 18. August 1972 haben dann Elisabeth und Willi Gron die Kneipe übernommen und sie auf den Namen "Adria" getauft. Nicht etwa wegen der italienisch angehauchten Küche, sondern nach einem einst sehr berühmten Café in Warschau. Willi Gron stammt von dort.

Mit dem "Adria", das acht Tage vor Beginn der Olympischen Spiele eröffnete, hatten Münchens Nachtschwärmer eine Zufluchtstätte gefunden. Aber nicht nur das Partyvolk traf sich in der Leopoldstraße, auch Taxifahrer, Familien, Touristen, Studenten und Künstler gehörten zum Stammpublikum. "Einmal war Hildegard Knef mit ihrem Stück ,Die ist nicht von gestern' in der Stadt. Während dieser Zeit war sie ständig hier im Adria", schwärmt Huber von den alten Zeiten. Schließlich habe man hier früher mal die schönste Terrasse der Stadt gehabt, damals, als die Leopoldstraße noch "in" war. "Heute gibt es hier sowieso nur noch Restaurantketten und amerikanische Coffeeshops", klagt der Rentner.

Wenn am Sonntag die Lichter im "Adria" ausgehen, stehen auch die verbliebenen 24 Angestellten auf der Straße. Bisher weiß keiner, was aus dem Lokal wird. "Wir sind alle sehr traurig, wir waren alle sehr lange hier", sagt Ekrem Pekdemir, der Koch. 24 Jahre lang hat er im "Adria" den Gästen das Essen zubereitet.

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