Nach Brand in der Dachauer Straße:Die Staatsanwaltschaft plädiert auf Mord

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  • Im Prozess um den Brand an der Dachauer Straße vor dem Landgericht München I hat die Staatsanwaltschaft auf Mord plädiert, die Verteidigung auf Freispruch.
  • Der Angeklagte Mohamed E. soll am 2. November 2016 eine Matratze in dem Haus angezündet haben.
  • Bei dem Feuer kamen ein Vater und seine beiden Töchter ums Leben.

Von Susi Wimmer

Gegensätzlicher hätten die Plädoyers im Fall des Brandes an der Dachauer Straße vor dem Landgericht München I nicht sein können: Während die Staatsanwaltschaft lebenslange Haft wegen Mordes und auch noch die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld forderte, plädierten die Verteidiger des Hausbewohners Mohamed E. auf Freispruch.

Ihr Mandant solle für die erlittene Untersuchungshaft entschädigt werden. Bei dem Feuer im November 2016 waren ein Vater und seine beiden Töchter ums Leben gekommen. Das Urteil soll am Freitag gesprochen werden.

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Von Susi Wimmer

Aleksandar M. und seine neun und 16 Jahre alten Töchter müssen einen grauenvollen Tod gestorben sein. Wie Rechtsmediziner Oliver Peschel erläuterte, starben sie nicht durch Rauchintoxikation, sondern durch die extreme Hitzeeinwirkung. Zeugen hörten noch die Schreie der Kinder.

Als man später die Leichen im Gang des fünften Stockes fand, hielt der Vater seine jüngste Tochter noch umklammert. Die Brandschutztüre im Dachgeschoss, die Hitze und Flammen etwa 30 Minuten standgehalten hätte, war durch einen kleinen Tisch bewusst offen gehalten worden.

Eine Katastrophe hatte sich in der Nacht auf den 2. November 2016 an der Dachauer Straße 24 ereignet, darin sind sich alle Beteiligten vor Gericht einig. Für die Staatsanwaltschaft jedoch ist klar, dass der Hausbewohner Mohamed E. aus "Frust und Verärgerung" über die Zustände im Haus gegen 1.30 Uhr in der Nacht eine im zweiten Stock abgestellte Matratze ins Zwischenstockwerk zum dritten hievte und mit einem Feuerzeug anzündete.

Zu diesem Zeitpunkt lebten 39 Personen in dem Haus, darunter acht Kinder. Der 43 Jahre alte E. solle aus niederen Beweggründen, heimtückisch und mit einem gemeingefährlichen Mittel, nämlich dem Feuer, gehandelt haben, glaubt die Staatsanwaltschaft.

Indes, es gibt keine Beweise, keine Zeugen, keine DNA-Spuren, lediglich Beweisanzeichen, sogenannte Indizien. Und der Angeklagte versichert seit Beginn der Verhandlung Anfang März, er sei unschuldig. Tatsächlich schweben viele Wahrscheinlichkeiten im Raum, Aussagen und Handlungsweisen, die von der einen Seite so oder der anderen auch anders gedeutet werden können.

So führt die Staatsanwältin als Motiv an, der menschenfreundliche E. sei extra 2009 an die Dachauer Straße gezogen, um Kontakte zu knüpfen, tatsächlich aber sei er in dem hauptsächlich von Bulgaren bewohntem Haus ausgegrenzt worden und habe sich über die Zustände dort geärgert.

Nein, meint Verteidigerin Birgit Schwerdt, E. sei bewusst ins Zentrum gezogen, weil er gerne mitten im Trubel lebe, so wie in seiner libyschen Heimatstadt Tripolis, dies sei unabhängig von dem Haus zu sehen. Gerade in letzter Zeit habe sich die Situation im Haus verbessert, Mohamed E. habe zudem oft bei seiner Freundin übernachtet.

"Den einen Beweis für die Tat gibt es nicht", sagte selbst die Staatsanwältin. Doch es würden auch Indizien in ihrer Gesamtheit ausreichen, die nach der gängigen Lebenserfahrung keine Zweifel offen ließen. Dazu zählte sie die Ausführungen des Gutachters, der eine offene Flamme als Brandmittel für wahrscheinlicher hielt als eine glimmende Zigarettenkippe.

Der Täter müsse aus dem zweiten Stock kommen, weil die Matratze extra ins Zwischengeschoss weiter nach oben gezogen wurde, wohl um eigenes Eigentum zu verschonen. Und letztendlich hatte E. wenige Stunden nach dem Brand der Polizei erzählt, dass in dem Haus "schon einmal" eine Matratze gebrannt habe.

E. sei auch einer der wenigen, der deutsch spreche und durch die Kommunikation von Polizei und Feuerwehr erfahren haben könnte, dass eine Matratze der Brandherd sei, kontert Anwältin Schwerdt. Im übrigen sei in dem Treppenhaus geraucht worden, eine glimmende Zigarette als Brandursache könne nicht ausgeschlossen werden.

Zur Tatzeit hätten sich vier Männer im Haus aufgehalten, die gerade einem Freund beim Auszug halfen. Unter ihnen seien Raucher gewesen, aber auch Unbekannte wurden im Haus beim Rauchen gesehen. Ihr Kollege, Walter Lechner, führte an, dass sich bis heute der Eigentümer der Matratze nicht gemeldet habe. Sein Mandant werde zudem als "innerlich gelassener Mensch" beschrieben, auch Gutachter Cornelis Stadtland habe keinerlei psychische Auffälligkeiten feststellen können, auch keine Risikofaktoren, die auf Pyromanie hindeuten würden.

Viele Indizien, so sagt Lechner, hätten sich im Rahmen der Beweisaufnahme nicht erhärtet, sondern abgeschwächt. "Aus den Indizien sind keine Beweise geworden." Oder, wie Birgit Schwerdt schloss: "Es bleiben berechtigte Zweifel."

© SZ vom 23.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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