Zwei Jahre Haft:Vergewaltigung im Keller

"Der Angeklagte hat seine Mitarbeiterinnen zum Teil als Freiwild betrachtet." Das Schöffengericht hat einen Kaufmann wegen Vergewaltigung verurteilt, einige andere sexuelle Übergriffe konnten nicht mehr geahndet werden.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Wegen Vergewaltigung hat das Amtsgericht am Freitag einen 52-jährigen Kaufmann aus Dachau zu zwei Jahren Haft verurteilt, die Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Das Schöffengericht sah es als erwiesen an, dass der Mann vor zehn Jahren eine 20-jährige Mitarbeiterin gegen deren Willen in den Keller seines Ladengeschäfts gezerrt, sie auf seinen Schoß gezogen und begrapscht hatte. Außerdem soll er ihr seinen Finger vier Zentimeter in die Scheide gezwängt haben, was dem Vorgang juristisch die Qualität einer Vergewaltigung gibt. Der Angeklagte bestreitet alle Vorwürfe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Anklageschrift umfasste eine ganze Reihe schwerer Vorwürfe. Mindestens drei seiner jungen Aushilfen soll der Angeklagte sexuell belästigt, genötigt oder beleidigt haben, zwei der Frauen erstatteten Anzeige.

Das Bild, das die Zeugen von dem Angeklagten zeichneten, war das eines "Chefs mit zwei Gesichtern", wie es Richter Clemens Albert ausdrückte. Einerseits habe der Kaufmann nett und gewinnend auftreten können, andererseits sei er cholerisch und übergriffig gewesen. "Der Angeklagte hat seine Mitarbeiterinnen zum Teil als Freiwild betrachtet."

Mit Vorliebe beschäftigt der Kaufmann junge, hübsche Mädchen in seinem Laden. Dabei sparte er nie mit sexuellen Anspielungen, wie Zeugen berichteten. In den engen Gängen seines Geschäfts habe er sich gerne wie zufällig an den Mädchen vorbeigezwängt. "Er war nicht sehr freundlich gegenüber Frauen", erinnerte sich eine ehemalige Mitarbeiterin. Meist habe er die Mädchen mit "Bunny" oder "Mausi" angesprochen. Dabei sei es dem Mann mit seiner freundschaftlich-väterlichen Art aber durchaus immer wieder gelungen, Mädchen zu imponieren.

Die 20-Jährige machte dem Angeklagten kleine Geschenke. Allerdings wies sie alle Avancen des verheirateten Mannes zurück. Im Keller des Ladens kam es zu einem Übergriff, an dessen Details sich die junge Frau später nicht mehr erinnern wollte - nach eigenen Angaben erlitt sie einen Blackout. Monate später kam es am selben Ort zu der Vergewaltigung. Kolleginnen berichten, die junge Frau habe große Angst gehabt. Sie bat eine ältere Verkäuferin, ihr heimlich zu folgen, wenn sie in den Lagerraum gehe, aus Angst, der Angeklagte könne ihr etwas antun. Einige Zeit nach dem ersten Vorfall kündigte sie zwar, kehrte aber trotzdem immer wieder in den Laden zurück. Dieses ambivalente Verhalten stellt nicht nur das Gericht vor Rätsel. "Irgendwas zog sie immer wieder da hin", sagte eine Freundin des Opfers. Sie vermutete, der Angeklagte habe etwas gegen sie in der Hand gehabt. Für die These des Verteidigers, die junge Frau sei in den Angeklagten verliebt gewesen, fand das Gericht keine Anhaltspunkte.

Immer wenn das Telefon geklingelt habe, sei ihre Tochter in Panik geraten, berichtete die emotional aufgewühlte Mutter. "Sie hatte Angst um ihr Leben." Nach dem Vorfall habe das Mädchen wochenlang mit Migräne im abgedunkelten Zimmer gelegen. Während ihr Mann darauf drängte, "dieses Schwein fertigzumachen", habe ihre Tochter sich lange geweigert, Anzeige zu erstatten und versucht, die Ereignisse zu verdrängen. Im Gerichtssaal wandte sich die Mutter direkt an den Angeklagten. "Ich wollte ihn fragen, ob er weiß, dass er durch sein Verhalten das Leben unseres Kindes zerstört hat." Der Mann nahm den Anwurf mit gesenktem Kopf auf, schweigend.

Offenbar schwer traumatisiert ist auch eine 17-Jährige, die von 2005 bis 2006 bei ihm gearbeitet hat. Das schüchterne und von Selbstzweifeln geplagte Mädchen überredete er, sich bis auf die Unterwäsche auszuziehen, damit er ihre Figur beurteilen könne. Einmal schenkte er ihre einen roten BH und nötigte sie, sich vor ihm umzukleiden. Dabei fasste er sie an und knetete ihre Brüste. Weil unklar blieb, ob das sehr ängstliche Mädchen überhaupt eine körperliche Gegenwehr zeigte, wäre allenfalls der Tatbestand sexueller Nötigung nachweisbar gewesen - der aber wäre schon seit 2011 verjährt. Rechtlich nicht mehr ins Gewicht fiel, dass der Mann einer 14-Jährigen mehrfach in die Poritze gefasst haben soll, wenn sie sich bückte und ihr Tanga rausschaute. "Moralisch ist das aber eine Frechheit", sagte der Richter.

Der Verteidiger beklagte, dass die Staatsanwaltschaft überhaupt so viele irrelevante oder verjährte Tatbestände in ihre Anklageschrift aufgenommen habe. Sein Mandant sei vielleicht ein "Grapscher", was man anstößig finden könne, ein Vergewaltiger sei er sicherlich nicht. Zweifel äußerte er auch an der Darstellung der damals 20-Jährigen. "Die ganze Gemengelage passte hinten und vorne nicht zusammen." Er plädierte auf Freispruch für seinen nicht vorbestraften Mandanten, Staatsanwaltschaft und Nebenklage forderten drei Jahre Gefängnis.

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