Zukunft MD:"Wenn wir eine schwarze Eins schreiben, passt es"

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Herbert R. Ullmann hat von seinem von ihm gebauten Bürohaus einen guten Blick auf MD. Dort will er erst mal nicht bauen, sondern entwickeln. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Herbert R. Ullmann hat die Entwicklung der MD-Industriebrache wieder in Gang gebracht - sagen die einen. Die anderen betrachten mit Argwohn seine Vorhaben. Im Interview spricht er über Geld, Kritik, die Zusammenarbeit mit der Stadt und die Chancen für Dachau.

Von Viktoria Großmann, Dachau

Herbert R. Ullmann hat von seinem Büro im sechsten Stock des sogenannten Theo 8 in der Theodor-Heuss-Straße einen guten Blick auf Dachau und das Schloss. Vom MD-Gelände, das ihm zu 50 Prozent gehört, sieht er nicht viel mehr als die drei Schornsteine. Wenn die mal abgerissen sind, sieht er fast nichts mehr davon. Jedenfalls nicht im Sommer, Dachau ist eben sehr grün. Aber wie grün wird MD? Ein Gespräch mit dem Geschäftsführer der Dachau Entwicklungsgesellschaft DEG über Risiken, Vorurteile und Heimatverbundenheit.

SZ: Viele Menschen in Dachau glauben, dass Sie der Bauherr auf MD sein werden.

Herbert R. Ullmann: Das ist nicht richtig. Wie der Name schon sagt, ist die Dachau Entwicklungsgesellschaft für die Projektentwicklung des ehemaligen MD-Geländes gegründet worden. Projektentwicklung und Bauen sind grundsätzlich zwei verschiedene Dinge. Unser Ziel ist es, das Gelände gemeinsam mit der Stadt baureif zu entwickeln und dann auf den Markt zu bringen. Unterschiedliche Investoren werden dann die Möglichkeit haben, einzelne Baufelder auf dem Areal zu erwerben. Das ist ein gängiges Verfahren bei solch großen Projekten. Ob wir uns dann ein, zwei Grundstücke zurück behalten und in Eigenregie bebauen, darüber haben wir noch nicht entschieden.

Wovon hängt das ab?

Der Prozess des Bauens dauert ja auch wieder eine gewisse Zeit. Da reden wir sicherlich nochmals von zehn bis fünfzehn Jahren. Ob ich selbst so lange auf dem Gelände beschäftigt sein werde, würde ich jetzt mal bezweifeln. Man wird ja nicht jünger. Für den Erfolg des Projektes ist das nicht entscheidend. Wichtig ist, dass wir die Entwicklung des Areals erfolgreich abschließen können.

Was gehört zur Entwicklung?

Die Umwandlung einer Industriebrache in ein Stadtquartier zum Leben, Wohnen und Arbeiten ist ein komplexer Prozess. Von der Umwidmung ehemaliger Bahnflächen bis zur Altlastenentsorgung gibt es viele Einzelaspekte zu berücksichtigen. Dazu kommt das eigentliche Bebauungsplanverfahren. Da spielen städteplanerische Fragen eine zentrale Rolle: Welcher Umfang an Gewerbe, Wohnen, Grün- und Freiflächen ist gewünscht, welche sozialen Einrichtungen werden benötigt, wie wird das Gelände erschlossen. Diese Festlegungen trifft die Stadt im Rahmen des Bebauungsplans. Liegt dieser vor, kann das Gelände dekontaminiert werden. Am Ende kann man dann saubere, vorbereitete, ordentliche Grundstücke an Investoren übergeben.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit der Stadt?

Die Stadt hat die Planungshoheit. Sie trägt damit auch die Verantwortung für den zeitlichen Ablauf. Und als betroffener Unternehmer muss ich sagen: Die Stadt hat sich hier sehr viel Zeit genommen, keine Frage.

Auch die Kommunikation lief sicher nicht immer optimal: Wir wurden lange Zeit nicht über die Planungen informiert, erst auf Nachfrage unsererseits und auch vom Stadtrat wurden die Planungen vorgelegt. Klar, wir wurden in einzelne Teilbereiche involviert, zum Beispiel den Themen Verkehr, Grünordnung, Bahn, Wasserwirtschaftsamt. Da waren wir bei den Sitzungen dabei. Aber reine Arbeitssitzungen mit den Planern hatten wir relativ selten. Hilfreich wäre es aus meiner Sicht auch, wenn sich die Stadt auf Aussagen der von ihr selbst beauftragten Gutachter und Planer verlassen würde. Das ist aber oftmals nicht der Fall. Selbst Aussagen vom Wasserwirtschaftsamt und dem Landratsamt werden angezweifelt. Aber wir schauen nach vorne und hoffen, dass die fälligen Entscheidungen nun getroffen werden.

Worüber müssen Sie sich einigen?

Wir brauchen Planungssicherheit. Wir müssen wissen, welche Vorstellungen die Stadt für das Gelände hat und welche Kosten auf uns zukommen. Dann können wir entscheiden, ob sich das Projekt wirtschaftlich rechnet. Wir hatten bereits 2012 vorgeschlagen, dass die Stadt einige Grundsatzentscheidungen trifft, damit wir absehen können, ob man das Grundstück wirtschaftlich entwickeln kann. Dann wären wir heute einen deutlichen Schritt weiter. Stand heute wissen wir noch immer nicht, welche Kosten auf uns zukommen.

Sie sprechen von der Beteiligung an kommunalen Einrichtungen?

Nicht nur das, es geht auch um den Ausbau der Freisinger Straße. Dieser Ausbau wird ja nicht durch unser Projekt ausgelöst. Wir hätten die Anbindung des zukünftigen Mühlbachviertels verkehrstechnisch auch anders lösen können. Aber wir sehen die Vorteile für das Gelände. Wir sagen daher: Verhandelt mit uns, sagt uns, was ihr wollt, dann können wir seriös rechnen. Dass eine Entwicklung des gesamten Geländes möglich ist, davon sind wir überzeugt, sonst würden wir ja nicht die Kosten und finanziellen Risiken auf uns nehmen.

Warum machen Sie das überhaupt?

Ich bin gebürtiger Dachauer und kenne das Gebiet seit meiner Kindheit. Freunde, Bekannte und Verwandte von mir haben in der Papierfabrik gearbeitet. Ich habe lange Zeit verfolgt, was mit diesem Gelände passiert. 2008 haben wir dann die Verhandlungen mit Myllykoski begonnen. Zusammen mit den Alteigentümern haben wir ein Konzept erstellt. Und wenn jetzt die Stadt einen Bebauungsplan darüber legt und wir am Ende eine schwarze Eins schreiben, dann bin ich zufrieden.

Welche Kosten haben Sie mit dem Gelände?

Die DEG trägt die gesamten Kosten der Entwicklung. Jeden Gutachter, jeden Planer, den die Stadt beauftragt, bezahlen wir. Dazu kommen eigene Untersuchungen, die wir vornehmen müssen, um die Risiken und Chancen, die das Gelände bietet, einschätzen zu können. Dazu zählen beispielsweise die Gutachten über die Altlasten. Allein in den letzten vier Monaten wurden 1200 Bohrungen gemacht und Bodenproben untersucht. Ein dritter Kostenfaktor sind die laufenden Kosten für den Unterhalt auf dem Gelände.

Bleibt es bei dem hohen zweistelligen Millionenbetrag für die Entsorgung der Altlasten?

Wir schätzen die Kosten im Moment auf circa 30 Millionen.

Wie rentiert sich das für die DEG?

Wenn das Baurecht so kommt, wie es aktuell vorgesehen ist, haben wir eine Chance auf rentable Entwicklung. Wichtig ist, dass die Nachfolgelasten nicht ausufern. Das muss in einem sinnvollen und wirtschaftlichen Verhältnis zueinander stehen.

Auf Seiten der Stadt besteht die Sorge, dass man Baurecht vergibt. Dann wäre das Gelände aufgewertet, Sie verkaufen, und die Altlasten sind immer noch drauf.

Das lässt sich rechtlich relativ einfach verhindern: Die Stadt macht einen Bebauungsplan. Dieser Bebauungsplan ist rechtskräftig, beinhaltet aber eine aufschiebende Bedingung: Erst wenn die Altlasten entsorgt sind, darf mit dem Bauen begonnen werden. Damit ist auch sichergestellt, dass zum Beispiel weder der Holzlagerplatz noch die Mayr-Terrassen vorab bebaut werden können. Es kommt dann alles zusammen. Die Stadt ist abgesichert durch Bankbürgschaften, die wir beibringen. Die Stadt hat kein Risiko und übernimmt keinen Cent der Altlastenkosten.

Die Stadträte wollen mindestens 40 Prozent Gewerbe auf MD. Wo soll das Platz haben?

Die Frage ist eher: Was für eine Art von Gewerbe wollen wir? Das muss man diskutieren. Einen dreckigen Betrieb mit großen Emissionen will sicher niemand in unmittelbarer Nähe der Altstadt haben. Auch Einzelhandel schafft Arbeitsplätze, auch ein kleiner Blumenladen kann eine Familie ernähren. Die Nachbarn wollen sicher keine Schwerindustrie mehr an dieser Stelle. Jeder Dachauer weiß, wie die Lkw-Schlangen in der Ostenstraße standen, wie die Ludwig-Thoma-Straße belastet war. Das will keiner mehr. Wir sehen dort sauberes Gewerbe: IT, Architekten, Versicherungen.

Wie grün wird das Gelände wirklich?

Die Qualität der Grün- und Freiflächen und deren Einbindung in das Stadtbild ist sicher eine der großen Stärken des Konzepts von Trojan, Trojan & Partner und den Landschaftsarchitekten von Lohrer Hochrein. Im Vergleich zum Siegerentwurf wurden die Grünflächen nochmals deutlich vergrößert. Auch die privaten Grünflächen wurden gegenüber dem Wettbewerbsentwurf nochmals erweitert, weil die ursprüngliche Stangenbebauung aufgelöst wurde. Jetzt sind mehr Solitäre drin, die zum Innenhof orientiert sind. Damit können zwischen den Häusern Bereiche mit hoher Aufenthaltsqualität entstehen, in denen auch Kinder spielen können.

Wie ist es mit dem Mühlenforum und dem Mühlbach?

Das ist ein sehr gelungener Übergang zur Altstadt. Einige Bürger haben erklärt, sie wollten keine so große Betonfläche haben. Das ist aber ein Missverständnis: Wir würden das sehr gerne begrünen. Wenn es nach uns geht kann da im Sommer ein Stadtstrand hin, es kann auch Wiesen und Liegeflächen am Mühlbach geben. Der Mühlbach muss nicht nur in einem Betonbett verlaufen. Der kann natürlich renaturiert werden, mit Steinen, Büschen und Bäumen.

Wie groß können die werden, wenn sie auf Tiefgaragen gepflanzt werden, auf denen nur 80 bis 100 Zentimeter Erde aufgeschüttet werden kann?

Frau Trojan hat während der Bürgerinformation ja sehr anschaulich dargestellt, dass genügend Platz vorhanden ist, um auch große Bäume anpflanzen zu können. Auf den Tiefgaragen können zusätzlich kleinere Bäume und Büsche platziert werden. Auch der Magerrasen entlang dem Bahnrand ist ökologisch wertvoll. Da sind Tier- und Pflanzenarten heimisch, die genau diese Lebensbedingungen brauchen.

Ein Standard-Vorwurf: Ullmann will so hoch und dicht wie möglich bauen, damit er soviel wie möglich rausholt.

Hier plant kein Ullmann, sondern ein international anerkanntes Planungsbüro auf der Basis des Siegerentwurfs aus dem städtebaulichen Wettbewerb. Das Ganze findet im Auftrag der Stadt Dachau statt. Als der Wettbewerb veranstaltet wurde, war vom Ullmann noch gar keine Rede. Mit meinem Unternehmen realisiere ich Immobilienprojekte nicht nur in Dachau, sondern auch in München und anderen Städten Deutschlands. Da haben wir volle Akzeptanz. Aber als Einheimischer wird man ganz offensichtlich besonders kritisch hinterfragt. Dabei ist es sicher ein Vorteil, dass hier jemand mit Ortskenntnis und lokaler Verbundenheit tätig ist. Viele Interessenten wollten das Gelände beispielsweise versiegeln und die Altlasten im Boden lassen. Das kommt für mich nicht in Frage. Unser Konzept ist, das Gelände mit den Alteigentümern zu entwickeln. Ich muss also zu den Altlasten stehen.

Über deren Verbleib auch immer wieder diskutiert wird.

Es kommt immer wieder der Vorschlag, nur einen Teil zu sanieren. Das kann doch kein Lösungsansatz sein. Man überlässt den Dreck den späteren Generationen, das kann es nicht sein. Abgesehen davon wird eine spätere Sanierung ja immer teurer.

Ein Vorschlag lautet: versiegeln und neues Gewerbe drauf.

Das kommt für mich nicht in Frage. Wir sind am Rande der Altstadt von Dachau, wo ich ein Grundstück für gesundes Leben, Wohnen und Arbeiten entwickeln kann.

Was ist mit dem Vorwurf, der Entwurf sei gesichtslos und habe mit Dachauer Identität nichts zu tun?

Der erste Preis ging an Trojan, Trojan & Partner, weil er die Dachauer Gegebenheiten hervorhebt. Es gibt die Öffnung des Mühlbachs, das Grün entlang der Amper, die hervorragende Anbindung an die Altstadt und vieles mehr. Manche Leute verstehen offensichtlich nicht, dass es zum jetzigen Zeitpunkt nicht um Architektur geht, sondern um Städteplanung. Die sehen in den Skizzen eingezeichnete Häuserblöcke und vermuten, dabei handelt es sich schon um die Ausgestaltung der Gebäude. Das ist nicht der Fall. Das neue Stadtquartier wird ein passender Kontrapunkt zur Altstadt sein. Wenn man sich den Plan in Ruhe anschaut und auf sich wirken lässt, dann wird klar, was für eine Chance das für Dachau ist.

Und für Sie. Es ist ein kompletter Stadtteil, man könnte sich damit ein Denkmal setzen.

Naja, jetzt lassen wir mal die Kirche im Dorf. Wir bemühen uns, alles richtig zu machen. Die Stadt bemüht sich, alles richtig zu machen. Und die Planer bemühen sich, alles richtig zu machen. Wenn dann die Dachauer zum Schluss sagen, es ist schön und es passt nach Dachau und es ist positiv für die Altstadt, dann haben wir es tatsächlich richtig gemacht. Aber da müssen alle zusammenhelfen.

© SZ vom 30.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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