Zoff um laminierte Fahrkarte:Kleinlicher Kontrolleur

MVV

Laminieren verboten: Wer seine Fahrkarte einschweißt, muss mit einem Bußgeld rechnen.

(Foto: Symbolbild/dpa)

"Ich fühlte mich wie eine Verbrecherin": Weil eine behinderte Frau ihre MVV-Marke eingeschweißt hatte, wurde sie von einem Kontrolleur als Betrügerin gebrandmarkt. Das hält nicht nur der Behindertenbeauftragte der Stadt Dachau für "kleinlich".

Von Gregor Schiegl, Dachau

Es kann leicht passieren, dass Sandra Brandlhuber etwas aus der Hand rutscht, der Ausweis zum Beispiel oder die Fahrkarte. Die 44-Jährige leider unter einer seltenen Autoimmunkrankheit, in deren Folge sie schon sieben Schlaganfälle hatte, die rechte Hand kann sie kaum einsetzen. Mindestens vier bis fünfmal in der Woche ist Brandlhuber mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs, fährt von einer Therapie zur nächsten. Damit die 72 Euro teure Jahreswertmarke, die sie als Behinderte berechtigt, kostenlos alle öffentlichen Verkehrsmittel in Deutschland zu benutzen, nicht dreckig wird, wenn sie mal wieder auf den Boden fällt, hat ihr Vater die Wertmarke laminiert.

Das hat nie jemand beanstandet. Bis vor ein paar Wochen. Da wurde die heute bei Freising lebende Frau Opfer eines sehr gründlichen Fahrkartenkontrolleurs. Vor allen Leuten bezichtigte er die Behinderte des Betrugs. Bei der Wertmarke handelte es sich nach seiner Überzeugung nämlich um eine Kopie. Um das zu vertuschen, habe sie das Papier eingeschweißt.

"Ich war so verdattert, ich habe sofort den Ausweis gezückt, ich konnte gar nicht mehr klar denken", sagt Sandra Brandlhuber. "Ich fühlte mich wie eine Verbrecherin." Moniert wurde auch, dass ihr Behindertenausweis laminiert ist. Das mache ihn ungültig, belehrte sie der Kontrolleur, sie brauche einen neuen.

Protestbrief an Bahn-Chef Grube

Dann flatterte der schwerbehinderten Frau auch noch ein Bescheid des MVV ins Haus, sie habe die erhöhte Beförderungsgebühr von 40 Euro zu entrichten, weil sie ohne gültigen Fahrschein gefahren sei. Über diese Behandlung tief erzürnt schrieb ihr Mann einen Protestbrief an den Vorstandsvorsitzenden der Bahn Rüdiger Grube höchstpersönlich. Das zeigte Wirkung: Tatsächlich erließ die Bahn ihr die Geldstrafe, ohne aber von seiner Behauptung abzurücken, Sandra Brandlhuber sei mit einer gefälschten Wertmarke angetroffen worden. "Das geht doch nicht, dass eine behinderte Person, die nur ihre Wertmarke schützen möchte, dafür wie eine Kriminelle behandelt wird", ärgert sich Sandra Brandlhuber.

Im MVV-Gemeinschaftstarif heißt es: "Fahrkarten, die zerrissen, zerschnitten oder sonst stark beschädigt, stark verschmutzt, unleserlich oder unerlaubt eingeschweißt oder laminiert sind, so dass sie nicht mehr geprüft werden können, sind nicht gültig." Die Echtheit der Marken lässt sich im Zeitalter des Fotokopierers mit dem bloßen Auge oft kaum mehr feststellen, nur durch Betasten und Überprüfen über die Oberflächenbeschaffenheit des Papiers, daher die Regelung.

Reinhard Dippold, der bei den Stadtwerken Dachau für die Verkehrsbetriebe zuständig ist, hält es jedoch für lebensfremd, dass jeder Fahrgast die Geschäftsbedingungen des MVV liest. Und Wolfgang Rettinger, Behindertenbeauftragter des Landkreises Dachau, ist über den Vorfall richtig sauer: "Das ist kleinlich."

Damit es anderen nicht so ergeht, wie Brandlhuber, weist Rettinger ausdrücklich darauf hin, dass im Öffentlichen Nahverkehr (MVV) und in der Deutschen Bahn (DB) laminierte Schwerbehindertenausweise und Jahresfahrkarten nicht anerkannt werden. Rettinger rät deshalb, Ausweis und Fahrkarte in einer Schutzhülle aufzubewahren. "So wird einer Abnutzung oder Verunreinigung vorgebeugt und es fällt kein erhöhtes Fahrpreisentgelt an." Brandlhubers Vater, der in Dachau lebt, hofft deshalb sehr, dass seine ebenfalls schwerbehinderte Frau in diesem Jahr nicht mehr kontrolliert wird. Ihren Ausweis hat der wohlmeinende Laminator nämlich ebenfalls sicher, aber rechtswidrig eingeschweißt.

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