Zahlen der Arbeitsagentur:Mühselige Nachwuchssuche

Für Auszubildende ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt paradiesisch. Doch die Betriebe klagen über Lehrlingsmangel

Von Petra Schnirch, Dachau/Freising

Sie werde immer wieder auf die "paradiesischen" Zustände in ihrem Bezirk angesprochen, sagte Karin Weber, Chefin der Arbeitsagentur Freising, bei einem Pressegespräch. Sie selbst würde das Wort so nicht in den Mund nehmen. "Es kommt immer auf den Blickwinkel an." Für die Auszubildenden ist die Situation tatsächlich ausgesprochen gut. Ganze 30 Bewerber hatten in den vier Landkreisen Dachau, Ebersberg, Erding und Freising bis Ende September keinen Ausbildungsplatz gefunden. Dem standen 517 unbesetzte Stellen gegenüber.

Im Landkreis Dachau waren lediglich vier junge Leute noch unversorgt, zwei mehr als vor einem Jahr. Insgesamt 665 Bewerber hatten sich innerhalb des Berufsberatungsjahres bei der Arbeitsagentur gemeldet. Die Zahl der Angebote lag bei 427, das waren neun weniger als ein Jahr zuvor. Unbesetzt blieben bis Ende September 88 Plätze. Viele Offerten gab es für Kaufleute im Büromanagement. Gerade im Landkreis sei zu beobachten, dass viele junge Leute sich nach München orientieren, sagte Weber. Dies liege vermutlich an der günstigen Anbindung. Chancen haben aber auch noch die jungen Leute, die bisher nichts gefunden haben oder die mit ihrer ersten Wahl unzufrieden sind: Bis Weihnachten könnten sie problemlos eine Ausbildung beginnen, sagte Weber.

Deutlich negativer fällt die Bilanz auf Seiten der Betriebe aus. Sowohl im Handwerk als auch im Handel gibt es einen deutlichen Fachkräfte- und Azubi-Mangel. Seit acht Jahren sei die Jugendarbeitslosigkeit in der Region besiegt, konstatierte der Erdinger Kreishandwerksmeister Rudolf Waxenberger. Auch durch Flüchtlinge lasse sich dieses Problem für die Betriebe vorerst nicht lösen, sagte sein Freisinger Kollege Martin Reiter. Das Bauwesen, das sich bei der Suche nach Lehrlingen seit Jahren schwer tut, sei in ihren Herkunftsländern meist nicht sehr angesehen. Hoch im Kurs steht bei jungen Männern dagegen der Kfz-Mechatroniker. Derzeit absolvieren 52 junge Erwachsene aus Fluchtherkunftsländern eine Ausbildung bei IHK-Betrieben im Landkreis Dachau, 27 von ihnen haben die Lehre zum Start des neuen Ausbildungsjahres im September begonnen. Das geht aus der aktuellen Statistik der IHK für München und Oberbayern hervor.

Kritisch ist auch die Lage im Handel. "Es ist mühselig", bilanzierte Florian Kaiser von der IHK München und Oberbayern. Der Trend zu weiterführenden Schulen und zum Studium sei ungebrochen. Im Landkreis Dachau gab es 214 Neu-Abschlüsse, das sind 4,9 Prozent weniger als vor einem Jahr. Mit Kampagnen versuche man, der dualen Ausbildung wieder einen größeren Stellenwert zu verschaffen. "Wir hoffen, das Rad drehen zu können." Eine Zielgruppe seien Studienabbrecher.

Die Berufsschule zog ebenfalls Bilanz: Die Zahl der Berufsschüler ist in Dachau leicht zurückgegangen, von 1691 auf 1608, wie Marcus Karg berichtete. Die Berufsanfangsklassen seien jedoch gestiegen. Unterrichtet werden auch etwa 100 Jugendliche ohne Ausbildungsplatz, dies entspricht in etwa dem Wert des Vorjahres. Gut besucht sind laut Karg die vier Vorbereitungsklassen für Flüchtlinge, insgesamt gibt es an der Berufsschule elf Flüchtlingsklassen. Ein besonderes Angebot ist ein Modellprojekt in Dachau, bei dem Asylbewerber intensiven Deutschunterricht erhalten und auf einen mittleren Abschluss vorbereitet werden. Insgesamt fällt Kargs Bilanz zu den Flüchtlingsklassen positiv aus: 84 Prozent fänden eine Perspektive, 60 Prozent der Absolventen könnten in eine Ausbildung vermittelt werden.

Das Berufsschulzentrum Freising besuchen derzeit 2539 Schüler. Dort werden in speziellen Klassen auch 120 Jugendliche ohne Lehrstelle unterrichtet. Sie kommen zum Teil aus schwierigen Verhältnissen und gelten als noch nicht geeignet für eine Ausbildung. "Viele brauchen einfach ihre Zeit", sagte Christine Höfler als Vertreterin des Berufsschulzentrums. Sie empfahl, einmal genau hinzuschauen, warum vor allem Jungs in diesen Klassen sitzen. Sie frage sich, was da in den Schulen passiere: "Wird man den Jungs nicht gerecht?"

Karin Weber betonte, dass die Arbeitsagentur sich bemühe, auch junge Leute in schwierigen Situationen zu unterstützen. "Unsere Devise ist: Kein Jugendlicher darf verloren gehen." Ein Beispiel ist das Modell der "assistierten Ausbildung". Die Azubis erhalten Nachhilfe und sozialpädagogische Betreuung. 60 junge Leute im Agenturbezirk nutzen das Angebot, 20 Plätze sind laut Harald Brandmaier, Leiter der Berufsberatung, noch frei. "Das ist ein gutes Instrument", die Jugendlichen würden aber auch gefordert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: