Wohnungsnot:70 Flüchtlingsfamilien ohne Bleibe

Syrische Flüchtlinge in Deutschland

Der Familiennachzug bringt den Landkreis an die Grenzen.

(Foto: Patrick Pleul, dpa)

Landrat Löwl rechnet mit weiterem Nachzug, doch es fehlt schon jetzt an Wohnraum. Er bittet die Bürger, bei der Suche nach Unterkünften zu helfen. Sonst müssen die Gemeinden wieder Zelte aufbauen

Von Christiane Bracht, Dachau

Etwa ein Dutzend Familien anerkannter Asylbewerber sind bereits im Landkreis Dachau angekommen. 70 weitere erwartet Landrat Stefan Löwl in nächster Zeit. Aber das ist bei weitem noch nicht alles: "Wir haben 1300 Flüchtlinge, die Hälfte wird wohl anerkannt, davon die Hälfte ist verheiratet", rechnet Löwl am Runden Tisch zum Thema "Asyl, was dann?" vor. "Aus dem Bauch heraus geschätzt werden also noch 200 oder 300 Familien nach Dachau kommen." Einziges Problem: Die Kapazitäten sind bereits jetzt erschöpft. Auf dem privaten Wohnungsmarkt finden anerkannte Asylbewerber keine Bleibe und für Sozialwohnungen gibt es jetzt schon eine lange Liste an Bewerbern, deshalb haben Landrat und Bürgermeister vor einiger Zeit einen Deal geschlossen: Man lässt die Flüchtlinge einfach weiterhin in der Unterkunft leben, in der sie sind. "Solange wir Lücken haben, geht das", sagt Löwl am Mittwoch. Ausnahmsweise hat man auch ihre Familien dort aufgenommen, obwohl sie nicht berechtigt sind, dort zu wohnen, denn sie fallen nicht unter das Asylrecht.

"Die nächsten, die kommen, müssen wir in die Gemeinschaftsräume der Container einweisen. In Röhrmoos zum Beispiel sind das drei", erklärt der Landrat. Aber was, wenn auch diese Räume voll sind? "Es wird krachen", prophezeit Löwl ratlos. "Wir sind an unserer Ressourcengrenze." Wahrscheinlich müssten die Gemeinden in den nächsten Wochen und Monaten wieder Zelte aufbauen und Turnhallen besetzen. Im Landkreis würden jetzt zwar 133 Sozialwohnungen gebaut, aber es stünden bereits 400 Bewerber auf der Liste. "In den nächsten fünf Jahren können weitere 200 Sozialwohnungen gebaut werden, aber mehr kriegen wir nicht hin", stellt Löwl klar.

Gertrud Schmidt-Pokolsky, die Dritte Bürgermeisterin von Dachau, mahnte, dass der soziale Friede in Gefahr sei, wenn man zu viele Flüchtlingsfamilien berücksichtige. "Wir dürfen keine Gettos entstehen lassen. 45 Prozent Migranten sind derzeit Praxis, alles andere muss man sich sehr gut überlegen." Angelika Hornig, die im Landratsamt für Sozialwohnungen zuständig ist, warnte vor der Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt. Viele Einheimische, die schon lange eine günstige Bleibe suchen, "behaupten schon jetzt, dass für Flüchtlinge alles gemacht wird, auch gebaut, aber für sie nicht". "Das ist dramatisch - auch wenn es so nicht stimmt", sagt sie. "Ohne den privaten Wohnungsmarkt wird es nicht gehen", da ist sich der Landrat sicher. Derzeit gebe es 1800 leer stehende Wohnungen im Landkreis. Die Bürgermeister hätten sich auch schon daran gemacht, die Eigentümer anzusprechen, doch "sehr erfolglos". "Wenn man sagt, es geht um Asylbewerber, ist die Tür zu", berichtet einer in der Runde. München kämpfe bereits mit Zwangsabgaben und Zweckentfremdungssatzung, um die Familien unterzubekommen, aber in den Gemeinden gehe das nicht. "Da stellen sich die Gemeinderäte quer", sagt Georg Weigl vom Helferkreis in Markt Indersdorf. Vielleicht habe man mehr Erfolg, wenn man den meist älteren Leuten bei der Organisation helfe, denn viele Wohnungen müssten erst umgebaut oder renoviert werden. Dagmar Stephan vom Mehrgenerationenwohnen meinte, man müsse die Menschen davon überzeugen, dass sie einen Gewinn haben, wenn sie neue Wohnformen ausprobierten. "Es gibt viele positive Beispiele im Landkreis", sagt sie.

"Das Problem muss die Politik von oben lösen", fordert Danai Burkhardt von der Caritas. "Wir haben momentan mehr als 40 Klienten, die wir zum Ausländeramt schicken." Das Projekt Wohnungssuche sei so erfolglos gewesen, dass sie keinen Ehrenamtlichen mehr dazu auffordere, seine Energie da hineinzustecken. Helfer in Erdweg kennen das Problem: "Es hat ewig gedauert, bis wir drei Familien untergebracht hatten", berichtet eine Frau. Doch Löwl bat trotzdem: "Hören Sie nicht auf, ehrenamtlich bei der Suche zu helfen. Momentan kaufen wir uns nur Zeit."

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