Wirtschaftsstandort Dachau:Gute Lage

Viele Firmen im Landkreis sind sehr zufrieden mit ihrem Standort - auch im Vergleich zur Landeshauptstadt. Sie leiden jedoch auch an den Nachteilen des Ballungsraumes: überlastete Straßen, zu wenige Mitarbeiter

Von Viktoria Großmann, Dachau

Der Landkreis Dachau ist ein beliebter Firmenstandort. Mehr als 80 Prozent der Unternehmen im Landkreis würden sich wieder in der Gegend ansiedeln. Insgesamt geben die Betriebe dem Landkreis eine Note 2,1. Diese Aussage hat die Industrie- und Handelskammer (IHK) von 120 befragten Firmen im Landkreis gewonnen. Erstmals hat die IHK für diese Studie im gesamten Großraum München erhoben, wie zufrieden Unternehmen mit ihrem Standort sind. Während die meisten die Verkehrsanbindung und die Nähe zum Flughafen schätzen, wird der Mangel an Fachkräften und bezahlbaren Wohnungen beklagt.

Auf Nachfrage bei Firmen im Landkreis zeigt sich recht eindeutig: die großen sind zufriedener als die kleinen. Und: Mitarbeiter mit Hochschulabschluss sind einfacher zu finden, als Auszubildende und Handwerker. Besonders kleine Betriebe geraten im Landkreis recht schnell an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit, weil sie kaum Mitarbeiter finden. Die Firma Schlosser in Dachau etwa ist mit ihren 15 Mitarbeitern auf Aufzugtechnologie spezialisiert. Über die Auftragslage könne sie nicht klagen, sagt Gabriele Schlosser, jedoch gingen der Firma langsam die Kapazitäten aus. "Wir überlegen, die Produktion ins Ausland zu verlegen." Das Unternehmen hat vor 25 Jahren als Familienbetrieb angefangen und hat heute einen zweiten Standort in Niederösterreich. Dort sei es kein Problem, Mitarbeiter zu finden. In Dachau mangele es jedoch an allem: an Zeichnern, Ingenieuren und Handwerkern. Die IHK-Studie zitiert ein Unternehmen, das Aufträge an anderen Standorten im Ausland ausführen ließ, weil es im Landkreis nicht ausreichend Mitarbeiter finden konnte.

Die Firma Schlosser gehört damit zu den 27 Prozent der Unternehmen, die laut IHK im Landkreis nicht so gut wachsen können, wie sie möchten. Neben den Fachkräften fehlt es vor allem an Flächen. Die Grundstückspreise werden mit 3,2 benotet. Auch das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs bekommt nur eine 3. Der IHK teilte eine Firma mit, das Angebot sei so unzuverlässig und schlecht aufeinander abgestimmt, dass Mitarbeiter häufig zu spät in die Arbeit kämen. Es hätten sogar schon Bewerber abgesagt, nachdem sie die Bahn- und Busverbindungen geprüft hätten.

Die Softwarefirma Micronova AG in Vierkirchen hat 140 Mitarbeiter und gibt dem Landkreis Dachau ein glattes "sehr gut". Fachkräfte zu finden, sei eine "permanente Herausforderung", sagt Geschäftsführer Josef Karl diplomatisch. Er regt an, im Landkreis eine Fach- und Berufsoberschule mit technischer Ausrichtung zu gründen. Wichtig für den Landkreis wäre außerdem ein Hochschulstandort. Auch die Einrichtung des Mint-Campus für die Förderung von naturwissenschaftlichen und technischen Fächern findet Karl einen guten Weg, um in der Zukunft Fachkräfte zu generieren.

Potenzielle Mitarbeiter möglichst früh erreichen, das ist auch das Konzept des Elektronik-Spezialisten Marco in Dachau. Das weltweit tätige Unternehmen fertigt individuelle Steuerungssysteme etwa für den Bergbau. Allein am Hauptstandort Dachau hat das Unternehmen 150 Mitarbeiter. Schwieriger zu finden seien Auszubildende und Facharbeiter wie etwa Industriemechaniker, sagt die kaufmännische Leiterin Amalie Krämer. Bei Elektro- und Softwareingenieuren gebe es jedoch kein Nachwuchsproblem. Krämer besucht für die Firma regelmäßig Hochschulkontaktmessen, über Praktika und Ferienjobs werden die angehenden Ingenieure früh ans Unternehmen gebunden. Probleme sieht Krämer bei der Infrastruktur. "Es könnte mehr Kita-Plätze geben", sagt Krämer. Der Wunsch sei bei jungen Mitarbeitern deutlich zu spüren, selbst bei Marco, wo überwiegend Männer arbeiten. Aber auch die, sagt Krämer, möchten ihre Kinder versorgt wissen und gehen immer öfter für die Familie in Teilzeit.

Ein weiterer Mangel am Standort ist noch deutlicher zu spüren: "Diese Mietgeschichte macht allen Betrieben zu schaffen", sagt Krämer. In der IHK-Studie steht hinter dem Punkt "Verfügbarkeit von Wohnraum" die Note 3,3. Die Verantwortung dafür sehen die Firmen jedoch bei Kommunen und Landkreis. Sich selbst auf dem Wohnungsmarkt einzubringen sei "nicht der Geschäftszweck" von Marco, sagt Amalie Krämer. Josef Karl von Micronova setzt auf die Zusammenarbeit der Landkreise und sieht vor allem die Stadt München in der Pflicht.

Im Vergleich zur Landeshauptstadt sehen alle Firmen im Landkreis klare Vorteile. Teils ist es Heimatverbundenheit, teils Pragmatismus, der die Firmen hier hält. Wie der Familienbetrieb Schlosser in Dachau, so sieht sich auch Josef Karl in Vierkirchen verwurzelt: "Man kennt, schätzt und hilft sich gegenseitig, es gibt statt der Anonymität der Großstadt ein gelebtes Miteinander." Bei der Kosmetikfirma Artdeco, die vor 28 Jahren nach Karlsfeld zog, räumt man freimütig ein, ausschlaggebend seien die geringen Gewerbesteuern gewesen. Zudem habe die Gemeinde geholfen, wenn weitere Flächen notwendig wurden. Für Amalie Krämer ist es beruhigend zu wissen, dass sie in Dachau für Besucher der Firma immer ein Hotelzimmer findet - anders als in München.

Eines wird aus allen Aussagen klar: So sehr die Firmen von den Vorteilen des Ballungsraums profitieren - sie leiden auch an ihm. Die Verkehrsanbindungen sind zwar gut, aber eigentlich auch zu überlastet. Das sehen alle befragten Firmen so. Die einen klagen über Stau auf dem Weg zum Flughafen, die anderen über zu enge Zufahrts- und Anlieferungswege. Der Großraum stößt an seine Grenzen und mit ihm das Wachstum der Unternehmen.

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