Windkraft:Energiewende in weiter Ferne

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Seltener Anblick: Vollmond hinter der Windkraftanlage auf dem Hohen Berg bei Steinkirchen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der SPD-Abgeordnete Martin Güll sieht in der 10-H-Regelung das faktische Ende für die Windkraft im Landkreis. Doch die Dachauer Kommunen haben Spielräume - und sie wollen sie nutzen.

Von Viktoria Großmann, Dachau

Ob im Landkreis noch weitere Windkraftanlagen entstehen, liegt nun ganz in der Hand der Gemeinden und der Großen Kreisstadt. Am Montag hatte der bayerische Verfassungsgerichtshof entschieden, dass die 10-H-Abstandsregelung für Windkraftanlagen nicht gegen die bayerische Verfassung verstößt. Windräder sollen zehnmal so weit von Siedlungen entfernt sein wie sie hoch sind. Bei einer üblicherweise 200 Meter hohen Anlage sind das zwei Kilometer. Für den Landkreis Dachau gilt damit: Es können keine weiteren Windräder gebaut werden.

Eine entscheidende Hintertür hat das Urteil aber offen gelassen: Die Regelung gilt solange nicht eine Gemeinde anders entscheidet. Die Kommunen haben weiterhin das Recht, Anlagen über einen Bebauungsplan zu genehmigen. Der Mindestabstand zu Wohnbebauung beträgt dann 800 Meter. Für den SPD-Landtagsabgeordneten Martin Güll heißt das nichts anderes als: "Alles, was unangenehm ist, schiebt man auf die Gemeinden ab." Aus seiner Sicht ist die 10-H-Regelung schlicht das Ende der Windkraft. Die rechtliche Lage sei nun so schwierig, dass "sich das nicht mehr lohnt". Elf von 14 Kommunen im Landkreis hatten sich bereits in einem gemeinsamen Flächennutzungsplan auf Flächen für mögliche Windkraftstandorte verständigt. Dass dieser Plan seit zwei Jahren nicht weiterverfolgt wurde, heißt für Güll: Das Interesse daran ist nicht da.

Thema Windkraft bleibt auf der Tagesordnung

Damit könnte er sich irren. Das Landratsamt will in jedem Fall das Thema auf die Tagesordnung der nächsten Bürgermeisterdienstbesprechung setzen, allein schon, um über das Urteil zu informieren. Bürgermeister Marcel Fath (FW) ist bereits im Bilde und möchte das Thema in Petershausen im Gemeinderat diskutieren. Zu sagen, das Thema Windkraft habe sich mit dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes erledigt, sei "Selbstbetrug, sagt Fath. Es bedeute allenfalls eine "Atempause". "Dann kommt ein Innovationssprung, und das Thema ist wieder aktuell." Fath ist nicht nur zuversichtlich, dass die Kommunen die Verantwortung übernehmen werden, er hofft auch, dass die 10-H-Regelung allein dadurch nichtig wird, dass sich eines Tages auch deutlich kleinere Anlagen lohnen könnten. Je niedriger das Windrad desto niedriger der vorgeschriebene Abstand.

Noch sieht es danach nicht aus, gerade in nicht allzu windstarken Gebieten wie dem Landkreis Dachau werden 200 Meter Mindesthöhe empfohlen, sonst ist das Ganze nicht rentabel. Der CSU-Landtagsabgeordnete Anton Kreitmair sieht noch Möglichkeiten für fünf bis zehn Windräder. "Ich zähle auf die Bürger." Kreitmair hofft, dass sich ähnlich wie in Erdweg, wo das Projekt Bürgerwindrad allerdings letztlich am Landratsamt gescheitert ist, auch andernorts Gruppen zusammenfinden, die Windräder bauen wollen. Kreitmair glaubt allerdings, dass für Erdweg das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Die Gemeinden müssten sich dem Thema Windkraft wieder zuwenden. Der gemeinsame Flächennutzungsplan sei "sinnvoller als je zuvor". Die Gemeinden hatten sich auf einen Abstand von 900 Metern zu Wohnbebauung geeinigt. Man habe Zeit verloren, räumt Kreitmair ein, aber nun müsse es weiter gehen. Ohne Windkraft sei die Energiewende nicht zu machen.

Überall Blockierer

Das entspricht ganz und gar der Haltung des Grünen-Kreisrats und Bund-Naturschutz-Vorsitzenden im Landkreis, Roderich Zauscher. Er hadert schwer mit dem Urteil und sieht nicht nur in Bayern, sondern auch im Bund jede Menge Windkraft-Blockierer. Im Bund streiten die Ministerpräsidenten gerade darum, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu drosseln. Von einem neuen Fördermodell, das nun diskutiert wird, könnten vor allem große Unternehmen profitieren. Bürgermodelle wie auch Kreitmair sie gern sähe, hätten aber das Nachsehen.

Trotzdem wollen auch Dachauer Stadträte ihre Einflussmöglichkeit auf die Energiewende nutzen. Sowohl der Grünen-Stadtrat Thomas Kreß, der die 10-H-Regelung als "Verhinderungsgesetz" grundsätzlich ablehnt als auch CSU-Fraktionssprecher Florian Schiller, finden, der Flächennutzungsplan solle wieder auf den Tisch kommen. "Man könnte jetzt in den Prozess wieder einsteigen", sagt Schiller. "Da, wo es sinnvoll ist, sollte man Planungen vorantreiben."

© SZ vom 14.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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