KVD-Austellung:Trautes Heim - verbrannt

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Die Ausstellung der KVD beschäftigt sich mit der vergeblichen Suche nach einem Zuhause.

Von Viktoria Großmann, Dachau

Kurzschluss oder Brandstiftung? Was ist mit dem Haus passiert? Verkohlt die Wände, Brandlöcher im Sofa, schiefe Regale. Es scheint noch bewohnt gewesen zu sein vor dem Feuer. Schwarze Müllsäcke stehen herum. Oder wurde es erst danach so mutwillig zerstört? Graffiti auf die Kinderzimmertapete gesprüht, die Möbel umgeworfen. Die Urheberin Mette Therbild steht daneben und sagt: "Ich hatte als Kind nie ein Puppenhaus." Nun hat die Künstlerin sich für die Schlossausstellung der Künstlervereinigung Dachau eines gekauft - und es ordentlich zerlegt. Die beabsichtigte Schockwirkung dürfte bei keinem Betrachter ausbleiben. Hier wurde nicht nur ein liebevoll eingerichtetes Heim zerstört, sondern auch ein Stück Kindheit, innere Heimat sozusagen.

"Trautes Heim" heißt die Ausstellung der KVD, die am Sonntag, 28. August, im Dachauer Schloss eröffnet. Der Begriff "traut" trifft allenfalls auf die verschnörkelte Stickerei zu, die eigens für das Ausstellungsplakat nach einem Entwurf von Florian Marschall angefertigt wurde. Heimelig oder behaglich geht es in kaum einem der Werke zu. Die schwierige, manchmal lebenslange Suche nach einem Zuhause ist das Leitthema. Viele verbinden mit dem Wort Heim Sehnsucht, Rückkehr, Kindheit. Nicht nur Mette Therbild, auch Johannes Karl und Alfred Ullrich arbeiten mit Spielzeug. Der KVD-Vorsitzende Karl lässt eine Modelleisenbahn durch das klassische Inventar eines Haushalts fahren - inklusive Wellensittich. Alfred Ullrich hat sich von Künstlerkollegin Annekathrin Norrmann einen Stoffelefanten vom Flohmarkt mitbringen lassen.

Die Einsamkeit im Puppenhaus, ein Werk von Mette Therbild. (Foto: Viktoria Großmann)

Gemeinsam mit Aliou Diallo, der in der Flüchtlingsunterkunft in Gröbenried wohnt, hat Ullrich eine Art europäisch-afrikanisches Wohnzimmer eingerichtet, das den europäischen Blick auf Afrika aufs Korn nimmt: Sofadecke mit Zebramuster, auf dem Couchtisch ein Afrika-Bildband, im Fernseher läuft Bernhard Grzimeks "Serengeti darf nicht sterben" in Endlosschleife. Ullrich steuert Druckarbeiten von Flüchtlingen bei, mit denen er gearbeitet hat. Einer bedankt sich mit seinem Bild bei Rose Kraus, die jahrzehntelang den Asylkreis Dachau geleitet hat. Aliou Diallo aus Senegal hat aus Zeitungsartikeln, die sich mit dem Thema Flucht befassen, kunstvolle Körbe und Vasen geflochten. "Gefäße", sagt Ullrich, "für die Geschichten der Menschen auf der Suche nach einem Zuhause".

Innere Heimatlosigkeit

Ihre innere Heimatlosigkeit thematisiert Mayumi Yamakawa. Die Japanerin, die seit fast 30 Jahren in Deutschland lebt, spricht das Thema der diesjährigen Schlossausstellung vielleicht am persönlichsten an. Ihre zarten Tuschemalereien und abstrakten Monotypien beschäftigen sich auf leise und zurückhaltende Art mit der Zerrissenheit, mit dem Gefühl, niemals so ganz anzukommen, auch nie mehr ganz zurückkehren zu können.

Die Ausstellung der KVD im Dachaucher Schloss hat die schwierige, manchmal lebenslange Suche nach einem Zuhause als Leitthema. (Foto: Toni Heigl)

Eine neue, alte Heimat hat die KVD gemeinsam mit ihren diesjährigen Gästen wieder im Schloss gefunden. Im vergangenen Jahr hatte sie einmalig in der früheren MD-Papierfabrik ausgestellt. Das ist nun die Rückkehr und trotzdem ist dieses Jahr alles anders. Die Künstler dürfen die Stellwände der Baselitz-Ausstellung nutzen. Die KVD-Werke werden zudem buchstäblich in anderem Licht erscheinen, denn auch von der guten Beleuchtung, die man für Baselitz installiert hatte, profitieren sie. Die Kronleuchter lagern gemeinsam mit den Öl-Porträts der Wittelsbacher noch im Schloss Schleißheim. Somit lenkt nichts vom "Trauten Heim" ab. Wie immer sind die Werke von einer Jury ausgewählt worden. Gemeinsam mit den 14 Dachauern stellen zwölf geladene Gäste aus. Darunter auch Gideon Gomo aus Simbabwe, der zurzeit als Stipendiat der Stadt in der Ruckteschell-Villa lebt und arbeitet. Gomo versteht unter Heimat die Rituale, Lieder und Geschichten, die Menschen weitergeben, erklärt er. Seine Plastiken und Objekte seien nicht zu verwechseln mit afrikanischen Masken. Eher habe er die Mimik von singenden und erzählenden Menschen im Sinn gehabt.

Wörtlich nimmt Maria Detloff das Heim, die sich für ihren Beitrag, vier Gemälde, von ihren reinen Landschaftsbildern löst. Wie weggeworfen liegt ein Haus im Feld, steht das gleiche Haus einsam im übermächtigen, verschneiten Wald oder in einer verlassenen Berglandschaft, geschmückt mit einer Lampiongirlande, die wie ein ebenso tapferes wie vergebliches Aufbäumen gegen die Einsamkeit wirkt. Das Haus ihrer Kindheit, sagt Detloff. Damals im Bayerischen Wald. Es ist schon lange verkauft. Aber die Erinnerung bleibt.

Alfred Ullrich von Aliou Diallo aus dem Senegal jat für die Ausstellung eine Art europäische-afrikanisches Wohnzimmer eingerichtet. (Foto: Toni Heigl)

Der Verlust des Heims zieht sich als Thema durch die Ausstellung. Von Mette Therbilds Puppenhaus über Detloffs Elternhaus hin zu den Fotoarbeiten von Katrin Schürmann, die Flüchtlinge in ihrer Containerunterkunft in Haimhausen fotografiert hat, und den Arbeiten von Wolfgang Feik und Annekathrin Norrmann. Feik zeigt Bilder aus dem verlassenen Ort Cape Charles in Virginia/USA. Nach der Schließung des Hafens, gingen die Einwohner. Zurück blieben Häuser mit geschlossenen Rollladen. Besonders eindrucksvoll eine Aufnahme von Norrmann: die Koschade-Ruine neben einer Häuserruine der libanesischen Hauptstadt Beirut. "Es sieht nicht überall so aus in Beirut", sagt sie. In Dachau zum Glück auch nicht.

Trautes Heim, 28. August bis 16. September, Dienstag bis Samstag 16 bis 19 Uhr, sonntags 12 bis 18 Uhr. Zur Eröffnung an diesem Sonntag, 11 Uhr, spricht Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler.

© SZ vom 27.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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