Wechsel an der Spitze:Ein streitbarer Demokrat

Internationale Jugendbegegnung

Der neue Leiter Robert Philippsberg will auch Kunstprojekte in die Jugendbegegnung einbinden.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Der promovierte Politikwissenschaftler und Historiker Robert Philippsberg leitet jetzt die Internationale Jugendbegegnung

Von Jacqueline Lang, Dachau

Die Evangelische Jugend München hat die Trägerschaft für die Internationale Jugendbegegnung Ende des vergangenen Jahres aufgekündigt. Der Kreisjugendring (KJR), der bislang vor allem für alles Finanzielle verantwortlich war, hat nun zum 1. Januar diesen Jahres zusätzlich die pädagogische Leitung übernommen - mit Robert Philippsberg an der Spitze.

Ein Unbekannter ist der großgewachsene 35-Jährige in Dachau jedoch längst nicht mehr. Bereits 2017 hat er die Jugendbegegnung als Honorarkraft mit unterstützt, seit 2016 ist er zuständig für das Projekt "Partnerschaft für Demokratie". Der promovierte Politikwissenschaftler ist auch sonst prädestiniert für den Job: Zusätzlich zu seinem Studium in Politikwissenschaft hat er Psychologie als Nebenfach belegt und nebenher auch noch Neue und Neuere Geschichte mit dem Schwerpunkt Nationalsozialismus an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München studiert. Seine Promotion trägt den Titel "Demokratieschutz im Praxistest: Deutschlands Umgang mit extremen Vereinigungen". Philippsberg absolvierte ein Praktikum bei der Fachinformationsstelle für Rechtsextremismus, wo er im Anschluss weiter als freier Mitarbeiter tätig war. Während seiner Promotion an der LMU hielt er Vorträge zu Themen wie streitbare Demokratien an der Universität. "Ich habe sowohl den historischen als auch den politikwissenschaftlichen Bildungshintergrund", sagt Philippsberg. Genauso hätte es wohl auch in der Stellenausschreibung stehen können.

Als neue Fachaufsicht über die Projektleitung will Philippsberg vor allem die Vernetzung mit anderen lokalen Vereinen und Gruppierungen wie dem "Runden Tisch gegen Rassismus" und "Partnerschaft für Demokratie" stärker vorantreiben. Zu seinen Ideen gehört auch eine stärkere Einbindung von Kunstprojekten. "Die Jugendlichen sollen die Möglichkeit bekommen künstlerisch etwas zu gestalten", sagt er. So lange wie möglich will er die Arbeit mit den noch lebenden Zeitzeugen beibehalten, parallel dazu aber auch Zeitzeugen der zweiten Generation mit einbeziehen. Philippsberg könnte sich auch vorstellen, in den kommenden Jahren mit dem Verein Creative Change zusammenzuarbeiten. Die präventiv angelegten Projekte der gelernten Theaterpädagogen, glaubt er, könnten eine Bereicherung für die Veranstaltungen und vor allem für die Jugendlichen sein.

Neben Workshops und Exkursionen für die jährlich 100 angemeldeten Teilnehmer - Tendenz steigend - soll auch das Angebot für die Öffentlichkeit ausgeweitet werden. Zusätzlich zu dem bereits bestehenden Zeitzeugen-Café will Philippsberg deshalb auch vermehrt Filmvorführungen organisieren. Sein Traum für die bevorstehende Jugendbegegnung: "Wenn Fatih Akin nach Dachau kommen würde, um seinen Film 'Aus dem Nichts' vorzustellen, wäre das großartig." Damit kommt er gleich zu einem weiteren Punkt: Die Veranstaltung, an der Menschen aus aller Welt teilnehmen können, soll auch international mehr Aufmerksamkeit bekommen. Ein über die Grenzen Deutschlands bekannter Regisseur wie Akin würde da sicherlich helfen. Im vergangenen Jahr habe man auch mit dem Auswärtigen Amt zusammengearbeitet und dort Flyer verteilt sowie das zweiwöchige Großereignis über dessen Homepage beworben.

Was aber muss man als Bewerber für die Jugendbegegnung mitbringen? "Die Bewerber müssen ein grundsätzliches Interesse für das Thema mitbringen", sagt Philippsberg. Im Gegensatz zu den sogenannten Teamern, die die Workshops leiten, müssen sie aber nicht über ein detailliertes Wissen über den Nationalsozialismus verfügen. Viele der Bewerber und Teamer würden sich aber schon vor der Jugendbegegnung sozial engagieren und zum Beispiel in einer Gedenkstätte arbeiten. Das mache es leicht, geeignete Teilnehmer auszuwählen, sagt Philippsberg.

Das Besondere an der Jugendbegegnung ist für den pädagogischen Leiter vor allem der Perspektivenwechsel, den die Arbeit mit so vielen Jugendlichen aus allen Teilen der Welt mit sich bringt. Einzigartig in dieser Form ist auch der Austausch mit den Überlebenden. "Die Begegnung mit Zeitzeugen ist für die Jugendlichen sehr beeindruckend", sagt Philippsberg. Auch für den gelernten Historiker selbst ist sie eine sehr bereichernde Erfahrung.

Vor allem in Zeiten, in denen rechte Parteien wieder erstarken und in einigen Ländern sogar bereits an der Macht sind, sei die Begegnung enorm wichtig, ist sich Philippsberg sicher. "Die aktuelle Entwicklung macht die Jugendbegegnung noch relevanter, als sie ohnehin schon war". Denn neben der Vergangenheit geht es in den verschiedenen Workshops viel um die Gegenwart, das Hier und Jetzt. Denn nur wer heute lernt, wie man mit Rassismus umgeht, kann verhindern, dass er wieder gesellschaftsfähig wird.

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