Wasserturm Dachau:Die Begegnerin

Karin-Renate Oschmann leitet seit 13 Jahren den Dachauer Wasserturm, der genau das geworden ist, was sie immer wollte: ein Treffpunkt für Gespräche über bildende Kunst, Musik und Literatur. jetzt wird sie 75.

Wolfgang Eitler

Man glaubt es kaum, aber Karin-Renate Oschmann kann wirklich wütend werden. Allerdings nicht wegen des jahrelangen Kampfs um einen Wasseranschluss für dieses Bauwerk aus der Jugendstilepoche, das einst ein Wasserturm war und jetzt ein Kulturzentrum in der Stadt Dachau direkt neben dem Schloss ist. Nicht mal über die kürzlich von den Stadtwerken als Hausherrin installierten grüngelben Lichtwegweiser kann sie sich aufregen, obwohl der Wasserturm nur über eine einzige Treppe und einen einzigen Ausgang verfügt. Sie lächelt: "Die Lichter brauchen wir, sonst finden wir nicht hinaus." Solche Einbauten für 14 000 Euro lassen die Fördervereinsvorsitzende des Wasserturms nur heiter erstaunen. Dabei bekommt sie für die kulturelle Arbeit von der Stadt so gut wie keine Zuschüsse. Nein, solchen Hindernissen begegnet Karin-Renate Oschmann mit einem Witz, der unverkennbar berlinerische Züge trägt. In dieser Stadt ist sie vor 75 Jahren geboren worden.

Wasserturm Dachau: Alles begann vor 14 Jahren, als Karin-Renate Oschmann gemeinsam mit Dachauer Bürgern den Förderverein Wasserturm gründete und mutig aus einem der maroden Fenster des Gebäudes nach vorne blickte. Dann folgte der Umbau durch die Stadt Dachau und schließlich die Feier zum zehnjährigen Bestehen. Jetzt wird Karin-Renate Oschmann 75.

Alles begann vor 14 Jahren, als Karin-Renate Oschmann gemeinsam mit Dachauer Bürgern den Förderverein Wasserturm gründete und mutig aus einem der maroden Fenster des Gebäudes nach vorne blickte. Dann folgte der Umbau durch die Stadt Dachau und schließlich die Feier zum zehnjährigen Bestehen. Jetzt wird Karin-Renate Oschmann 75.

(Foto: DAH)

Richtig wütend wird sie, wenn sie die aktuelle Politik für behinderte Menschen kommentiert. Wenn sie daran denkt, dass sich bundesweit eine Entwicklung weg von Sonderschulen und Förderzentren für geistig behinderte Menschen durchsetzt hin zur sogenannten Integration oder Inklusion an Regelschulen. Sie holt den Holzhammer hervor: "Diese Politik ist nur dumm." Denn der Unterricht, die Betreuung oftmals mehrfach behinderter Kinder und Jugendlicher fällt ihrer Ansicht nach an den Grund- und Hauptschulen hinter den Ansprüchen und Leistungen von Förderzentren zurück. Außer: Der Staat führte tatsächlich ein komplettes Zwei-Lehrer-System samt Betreuungspersonal ein. Das will sich keines der Bundesländer finanziell leisten.

Da kriege ich die Krise", sagt die Pädagogin. Sie wird richtig laut oben im Wasserturm beim Gespräch über ihren Geburtstag, den sie am Sonntag, 22. Juli, in eben diesem Gebäude zu feiern gedenkt. Und dann fügt sie lachend hinzu: "Ja, ja, genießen Sie es nur." Sie meint ihren kleinen Wutausbruch.

Nun kann man anderer Meinung sein, aber eines ist unbestreitbar. Karin-Renate Oschmann kennt sich in diesem Metier aus. Sie unterrichtete acht Jahre lang als Konrektorin an der Johannes-Neuhäusler-Schule in Schönbrunn, sie leitete zehn Jahre die Außenstelle des Heilpädagogischen Centrums des Augustinum in Oberschleißheim und war davor Volksschullehrerin. Abitur machte sie in Berlin, ging nach Paris, heiratete in München, bekam vier Kinder und studierte zusätzlich Sonderpädagogik. 30 Berufsjahre kommen zusammen. Ihre gesammelten pädagogischen Erfahrungen komprimiert sie auf den Satz: "Es gäbe doch so viele Möglichkeiten der Begegnung."

Damit ist jenes Wort gefallen, das als Titel über ihrer Biografie stehen könnte: "Die Kunst der Begegnung." In Oberschleißheim am Augustinum organisierte sie regelmäßig einen "Gänseblümchenball" in ironischer Anspielung auf den nur für höhere Töchter reservierten Margeriten-Ball" in München. Sie sagt: "Für mich als Lehrerin war immer die Öffentlichkeitsarbeit das entscheidende." Dass also behinderte und nichtbehinderte Menschen zusammenfinden. Sie wünschte sich mehr Selbstverständlichkeit in den zahlreichen Vereinen, auch im der Schulen untereinander. Dafür hätte sie noch ganz viele Ideen. Deshalb hätte sie sich nach der Pensionierung in ihrer Arbeit weiter engagieren können. Aber ihre Fähigkeit, Menschen zusammenzubringen und zusammenzuhalten, hat sie eben auch für die Leitung des Dachauer Wasserturms prädestiniert.

Und das kam so: Vor 14 Jahren zog Karin-Renate Oschmann nach Dachau, zufälligerweise unterhalb des Wasserturms, in eine sehr schöne Wohnung mit Terrasse. Gleichzeitig rief der damalige Dachauer Kulturreferent Bruno Schachtner die Bevölkerung auf, dieses Gebäude zu erhalten und zu einem kulturellen Zentrum aufzubauen. Sie ging zur Versammlung, und schon war sie die Vorsitzende. Sie hat dort oben tatsächlich ihre Begegnungen geschaffen: zwischen Künstlern, zwischen Publikum und Künstlern und auch zwischen den Künsten. Sie beginnt zu schwärmen: "Wenn ich die Treppen hinaufgehe, die Bilder anschaue und ein Schubertlied höre - das ist für mich das Allerschönste." Die Entdeckung der bildenden Kunst war ihre wirkliche Überraschung über sich selbst. Für eine Oper fährt sie nach New York oder Mailand. Für ein Konzert durch ganz Deutschland. Aber für eine Ausstellung? Jetzt schon, nach 13 Jahren Kulturarbeit im Wasserturm. Jetzt sagt sie: "Der Wasserturm ist zu einem Zentrum der Begegnung geworden." Sie fügt hinzu: "Durch die Kultur." Deshalb mag sie Herbert Rosendorfer so gerne, den Schriftsteller, Zeichner und Musikliebhaber in einem. Er kommt öfters hierher. Sie ist mit seiner ganzen Familie befreundet.

Der ehemalige Kulturreferent Schachtner gratuliert Karin-Renate Oschmann: "Du bist ein Glücksfall für Dachau." Er hofft, dass die Stadt noch einen Aufzug einbaut, damit auch ältere Menschen - "wie wir" - und eben behinderte in den Wasserturm gelangen. Der städtische Kulturamtsleiter Tobias Schneider sagt: "Sie hat mit liebenswerter Hartnäckigkeit und einem tollen Team ihre Vision des Wasserturms und der Langen Nacht der offenen Galerien und Ateliers umgesetzt und damit Dachau über Jahre kulturell geprägt." Die e Jubilarin schränkt ein: "Ich und meine Freunde." Denn was wäre der Wasserturm ohne Rosa Rühl, welche die Werbung verantwortet, vor allem ohne Sepp Baur, der die Logistik dieses schwierigen denkmalgeschützten Gebäudes beherrscht? Er wird am Sonntag 60 Jahre alt.

Deshalb feiern an diesem Sonntag zwei Wasserturmleute Geburtstag. Sepp Baur und Karin-Renate Oschmann, die in den Montag, 23. Juli, hineinfeiert. Wie es sich für beide gehört, vor dem Hintergrund der Gemeinschaftsausstellung von 29 Künstlern zum Thema "Alles Märchenhaft" und mit einem Konzert des Modern String Quartetts. Dass diese Musiker in Dachau konzertieren, geht als kulturelle Sensation durch. Die SZ schrieb über sie : "Streichen in einer anderen Dimension."

Festkonzert mit dem Modern String Quartett Sonntag, 22. Juli, 21 Uhr, Wasserturm in Dachau. Das Konzert ist Teil des Programms für die Ausstellung "Alles Märchenhaft". Sonntag, 29. Juli, Limpe Fuchs.

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