Warnstreik der Erzieherinnen:Gutes Geld für gute Arbeit

Beschäftigte kommunaler Kindertagesstätten haben am Montag ihre Arbeit niedergelegt. Bei der Demonstration vor dem Dachauer Rathaus forderten sie eine Aufwertung der Erziehungsberufe. Auch der Oberbügermeister meldete sich zu Wort.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Die Erzieherinnen der kommunalen Kindertagesstätten in Dachau und Bergkirchen haben am Montag ihre Arbeit niedergelegt. Gemeinsam mit Kollegen aus der Landeshauptstadt München und unterstützt vom Jugendzentrum Dachau demonstrierten sie am Montagvormittag vor dem Dachauer Rathaus für eine Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe und eine Einstufung in höhere Gehaltsgruppen. An der Kundgebung nahmen etwa 450 Menschen teil. Mit ihrem Warnstreik wollten die Erzieherinnen vor der fünften Verhandlungsrunde mit den kommunalen Arbeitgebern in Offenbach den Druck erhöhen.

Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD), der selbst zu den Vertretern der Arbeitgeber gehört, sagte bei der Kundgebung, dass die vorübergehende Schließung der Kitas zwar bedauerlich sei. "Das heißt aber nicht, dass ich die Gründe für Ihren Warnstreik nicht nachvollziehen kann", betonte er. Kindererzieherinnen und -pflegerinnen trügen eine große Verantwortung. "Sie verdienen mehr, als Sie am Monatsende auf Ihr Konto herausbekommen", sagte er unter dem Jubel der Demonstranten. Im Gegensatz zu den Streiks der Lufthansa-Piloten habe der weit überwiegende Teil der Bevölkerung Verständnis für den Ausstand der Erzieherinnen. "Bei mir sind bislang keinerlei Beschwerden auf dem Tisch gelandet." Auch der Dachauer SPD-Landtagsabgeordnete Martin Güll erklärte seine Solidarität: "Sie haben uns auf Ihrer Seite!"

Zunächst bat Heinrich Birner, Verdi-Geschäftsführer für München und Region, die mit Trillerpfeifen und Trommeln angerückten Demonstranten bis zum offiziellen Beginn um Ruhe. Nebenan in der Stadtpfarrkirche fand zur gleichen Zeit eine Trauerfeier statt. Außerdem rief er zum stillen Gedenken für die Tausenden von Flüchtlingen auf, die beim Versuch, nach Europa zu gelangen, im Mittelmeer ertrunken sind. Dann erst ging es um die Forderungen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die mit den Rufen "Gute Arbeit - gutes Geld!" begleitet wurde. Auf Plakaten machten die Streikenden deutlich, dass sie nicht länger bereit seien, ihre eigenen Interessen zugunsten anderer zurückzustellen: "Wir machen den Weg frei für Ihre nächste Gehaltserhöhung. Nur wir bleiben dabei auf der Strecke."

Schätzungsweise ein Drittel der 450 Demonstranten kamen aus der Landeshauptstadt angereist, darunter zahlreiche Mitglieder der Fachakademie für Heilpädagogik. Einige reisten von Dachau gleich weiter zur zentralen Warnstreikkundgebung in Stuttgart. Brigitte Walz, Personalratsvorsitzende der städtischen Beschäftigten in Dachau, bedankte sich für die Unterstützung der Kollegen aus München. In Dachau war es der erste Warnstreik der Erzieherinnen. 2009 hatte Verdi schon einmal versucht, die Entlohnung der sozialen Berufe entscheidend zu verbessern. Wegen der schwierigen Finanzlage der Kommunen seien damals allerdings nur punktuelle Verbesserungen gelungen, sagte Heinrich Birner von Verdi. Nun sei das Ziel, jede Berufsgruppe im sozialen Bereich tariflich besserzustellen. Im wesentlichen gehe es bei dieser Tarifauseinandersetzung um die Frage: "Was ist unserer Gesellschaft die Arbeit am und für den Menschen wert?"

In der Landeshauptstadt München erhalten zumindest die Erzieherinnen seit kurzem Gehaltszulagen. Birner konzedierte Münchens OB Dieter Reiter (SPD) dabei beste Absichten, dennoch habe sich der Bonus zu einer "Willkürzulage" entwickelt: Nicht alle Berufsgruppen kämen in ihren Genuss. "Das ist Gift fürs Team", sagt er. Im teuren Großraum München herrscht ein harter Wettbewerb um Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen. Geführt wird dieser Wettbewerb zum Teil auch über Geldzulagen. Das führt zwischen den Kommunen zu wachsender Ungleichheit.

Allerdings sieht die Gewerkschaft in höheren Zulagen ohnehin keine nachhaltige Lösung. Zulagen seien nicht tariflich verankert, warnte Heinrich Birner, sie könnten nach Bedarf jederzeit per Stadtratsbeschluss wieder aufgehoben werden. Die Wertschätzung für die sozialen Berufe müsse durch eine bessere reguläre Bezahlung "in Euro und Cent" zum Ausdruck gebracht werden. Sollte die fünfte Verhandlungsrunde wieder kein greifbares Ergebnis erzielen, droht ein unbefristeter Streik. Allerdings hat Verdi sich selbst hohe Hürden gesetzt: 75 Prozent der Beschäftigten müssten zustimmen, um sicherzugehen, dass man diesen Streik durchhalte, sagte Birner. "Das wird kein Spaziergang, das wird hart." Die meisten Kitas werden trotzdem offen bleiben. Zwei Drittel gehören zu privaten oder kirchlichen Trägern.

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