Wahlnachlese:Die Schlappe schmerzt

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Der Dachauer CSU-Ortsverband analysiert das schlechte Ergebnis bei der Bundestagswahl. Viele Mitglieder nehmen kein Blatt vor den Mund - und stellen die Glaubwürdigkeit der Partei in Frage

Von Christiane Bracht, Dachau

Der Schrecken sitzt tief bei den Christsozialen. Die Wut auch. Obwohl ihre Kandidatin Katrin Staffler vor gut zwei Wochen bei der Bundestagswahl ein beachtliches Ergebnis erreicht hat und jetzt in den Bundestag eingezogen ist, drückt die Wahlschlappe die Partei doch sehr. Zehn Prozent weniger Stimmen als vor vier Jahren. Das schmerzt. Da wird selbst die sonst so zurückhaltende CSU laut. Harsche Kritik war am Dienstag auf der zweiten Jahresversammlung des Dachauer Ortsverbands zu hören - am Parteivorsitzenden, an den Wahlkampfthemen, an der Art, wie man in den vergangenen Monaten versucht hatte, die Wähler zu umwerben. Lautstark wurden Forderungen geäußert und unbequeme Fragen gestellt. So aufgebracht sieht man die CSU selten. Fast zwei Stunden diskutierten die Dachauer intensiv über die Gründe für die Wahlschlappe, kaum jemand von den etwa 40 Anwesenden nahm ein Blatt vor den Mund, ganz anders als sonst, wo interne Dinge ja gerne unter der Hand geregelt werden.

"Wir dürfen das nicht schön reden. Wir sind der große Wahlverlierer mit Abstand", echauffierte sich Professor Hermann Mayer. "Wenn wir bei 38 Prozent nicht diskutieren, wer Schuld war, wann dann?" Und die Frage nach der Schuld ist für ihn klar zu beantworten: "Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Schuld", sagte er. Der Kompromiss mit der CDU über die Obergrenze, die die Zahl der Flüchtling eingrenzen soll, sei viel zu spät gekommen, monierte er. "Warum gab es das Positionspapier nicht schon vor einem halben Jahr?" Diese Ansicht teilten auch einige andere in der Runde. Zu ihnen zählt auch Bernhard Seidenath, der Kreisvorsitzende. Die "diffuse Angst vor Zuwanderung" sei spürbar gewesen und im Wahlkampf befeuert worden.

Mehr oder weniger offen machten einige CSUler auch Horst Seehofer für das historisch schlechteste Wahlergebnis verantwortlich - allerdings ohne seinen Namen zu nennen. "Das liegt am Vorsitzenden", regte sich Michael Putterer auf. Man habe ihm vieles nicht geglaubt. Mayer wird noch deutlicher: "Manche in der Partei wissen am Mittag nicht mehr, was sie am Vormittag gesagt haben." Auch der Ortsvorsitzende Tobias Stephan sieht einen Grund für die Schlappe in der "mangelnden Glaubwürdigkeit" und fordert: "Neue Gesichter ist das Gebot der Stunde", um "die AfD auf ein Normalmaß zurückzuführen".

Michael Putterer fehlte aber auch die "Emotion" im Wahlkampf. "Die sachlichen Argumente haben nicht gezogen", analysierte er. Großen Beifall von seinen Parteifreunden erhielt der Fraktionsvorsitzende des Stadtrats, Florian Schiller, als er sagte: "Mich stört, dass die Flüchtlinge in jeder Diskussion den Hauptteil einnehmen. Es gibt 81 Millionen andere Menschen in unserem Land, für die wir auch Politik machen müssen." Putterer wusste sogar, dass die CSU auf Facebook genau dafür "zerrissen" werde. Stephan forderte, man müsse sich in Zukunft thematisch "breiter aufstellen". "Die Menschen erwarten Antworten" hinsichtlich der Renten, den Risiken der Digitalisierung, immerhin seien einige Branchen im Umbruch. Außerdem müsse man Lösungen finden für mangelnden Wohnraum und den drohenden Verkehrsinfarkt im Großraum München.

Auch Pflegenotstand und Ärztemangel, etwa in Petershausen, wurden angesprochen. "Wir brauchen Politik für die breite Mehrheit", forderte Mayer und beklagte, dass die CSU kein Profil mehr habe. "Wo ist die konservative CSU?" Er plädierte für einen klaren Rechtsruck, während Schiller entschieden dagegen wetterte: "Wir haben auch fünf Prozent an Grüne und FDP verloren, die ebenfalls schwer zurückzubringen sind. Die kann man nur mit bürgerlicher Politik einfangen. Wenn die CSU einen Rechtsruck macht, ist es nicht mehr meine CSU." Seidenath, der nächstes Jahr in den Landtag einziehen will, schlug schon erste Wahlkampftöne an. Es waren die gleichen Worte, die Seehofer im Volksfestzelt gewählt hatte: "Uns geht es in Bayern hervorragend - so gut wie noch nie."

© SZ vom 12.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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