Vorsicht vor giftigen Exemplaren:Schwammerl-Boom

Das feuchtwarme Wetter lässt die Pilze in diesem Sommer aus dem Boden sprießen. Auch viele unkundige Sammler sind im Wald unterwegs - sie sollten sich von Experten beraten lassen

Von Christiane Bracht, Dachau

Pilzfreunde können sich freuen: Heuer sprießen Maronen und Steinpilze nur so aus dem Boden. Viele haben sich deshalb schnell Korb und Messerchen geschnappt und suchen im Augsburger oder Hohenzollerner Forst die Böden ab, andere bevorzugen den Buchwald oder den Altoforst zum Sammeln. Jeder hat da so seine Stellen, die er natürlich nicht preis geben will, sonst könnte es ja sein, dass nichts mehr steht, wenn er selbst vorbeikommt und ein paar Schwammerl abschneiden will. Obwohl die Bedenken zumindest in diesem Jahr unbegründet sein dürften, denn, glaubt man dem passionierten Pilzsammler Wolfgang Späth aus Karlsfeld, dann ist heuer ein "sehr gutes Pilzjahr". "Der Sommersteinpilz ist ungewöhnlich häufig", sagt er. Aber auch Täublingsarten sowie Fliegen- und Perlpilz habe er an vielen Stellen gefunden, und Parasole gab es sogar schon im Juli. "Das ist ungewöhnlich", bekennt er. Grund für die reiche Ernte ist wohl das wechselhafte Wetter, über das sich vor allem die Sonnenanbeter gerne beschweren. Aber Gewitter und regelmäßige Regenschauer lassen die Schwammerl gut gedeihen.

Gute Pilzsaison

Immer mehr Leute zieht es in den Wald, denn zurzeit kann man beim Schwammerlsuchen reiche Beute machen. Die Experten raten jedoch zur Vorsicht, da sich essbare und gibtige Pilze oft sehr ähneln.

(Foto: dpa)

Wer in die Pilze geht, sollte sich aber vorher gut informieren, raten die Experten, vielleicht sogar ein Bestimmungsbuch mitnehmen. Denn manch ein giftiges Exemplar sieht dem essbaren Pendant zum Verwechseln ähnlich. Lebensgefährlich kann es werden, wenn man etwa einen Knollenblätterpilz erwischt oder einen Schirmling verzehrt. Auch der Gifthäubling, der wie die Stockschwämmchen im Spätherbst auf Holz wächst und auch so ausschaut, schädigt die Organe, vor allem die Leber, wenn man den Patienten nicht rechtzeitig behandelt, erklärt die Pilzsachverständige Bettina Haberl vom Klinikum Rechts der Isar. "Wer sich nach dem Pilzverzehr schlecht fühlt, sollte keinesfalls daheim bleiben und abwarten, bis es besser geht, sondern gleich zum Arzt gehen", empfiehlt sie. Bei aminotoxinhaltigen Pilzen wie den drei genannten kann der Genuss sonst schon nach drei Tagen tödlich enden. Oft kommt eine so schwere Vergiftung nicht vor, aber dieses Jahr musste schon ein älterer Patient mit einer Knollenblätterpilzvergiftung behandelt werden, berichtet Haberl. Er sei aber wieder gesund geworden. Bei einem 16-Jährigen Syrer ist dies vor zwei Jahren nicht so glimpflich ausgegangen. Er starb kurz nachdem man ihn auf die Organspendeliste gesetzt hatte, berichtet Helmut Grünert, der Vorsitzende des Vereins für Pilzkunde München. Seitdem warnt das Bayerische Gesundheitsministerium in mehreren Sprachen vor toxischen Arten.

Vorsicht vor giftigen Exemplaren: Der giftige Fliegenpilz ist ein Augenschmaus.

Der giftige Fliegenpilz ist ein Augenschmaus.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Um die Schwammerl richtig einordnen zu können, reiche es nicht, lediglich ein Bild anzuschauen, man müsse auch den Text dazu gut lesen, sagt Haberl. Denn darin sind oft Hinweise enthalten, die die Abbildung nicht zeige. Und wer glaubt, eine Pilzbestimmungs-App auf dem Handy ist besser als ein schweres Buch, der irrt. Die Expertin warnt sogar eindringlich vor diesen Apps. Es gebe zwar schon ganz gute, sagt sie, aber um sie richtig anwenden zu können, müsse man auch ein solides Grundwissen haben. "Beantwortet man nur ein oder zwei Details falsch, kommt man auf eine andere Art", sagt sie. "Das ist ganz gefährlich."

Pilzsammler

Wolfgang Späth sammelt und betrachtet leidenschaftlich gern Pilze.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Wer Zweifel hat, kann die Pilzberatungsstelle im Pasinger Rathaus oder am Marienplatz aufsuchen, um sich von Experten aufklären zu lassen. Sie ist noch bis zum 9. Oktober jeden Montag geöffnet. Die Möglichkeit nutzen immer mehr Leute. "Es boomt", sagt Grünert. Am Montag seien 15 Interessierte in Pasing gewesen und etwa doppelt so viele am Marienplatz. Und das zeigt auch den Trend. Es gehen immer mehr Leute Pilze sammeln. Allerdings auch mit "erschreckend geringen Kenntnissen", klagt der Vereinsvorsitzende. "Es ist wohl der Jagdtrieb, der die meisten antreibt. Sie sind glücklich, wenn sie selbst etwas wild gefunden haben."

Tintenfischpilz, 2005

Ganz besonders schön findet Späth den Tintenfischpilz.

(Foto: Catherina Hess)

Das kann Wolfgang Späth irgendwie verstehen. Seit seinem 19. Lebensjahr begeistert er sich für Schwammerl, hat zahlreiche Bücher gelesen und sich mit Experten ausgetauscht. Inzwischen ist er selbst zum gefragten Pilzkundler geworden. Von April bis Oktober ist er auf der Pirsch, aber abseits der Massen, wie er sagt. "Ich mag das Wetteifern nicht. Die Gier macht viele Leute blind." Späth sucht Abgeschiedenheit und Ruhe, wenn er mit seinem Hund in die Schwammerl geht. Anders als den meisten geht es ihm auch nicht so sehr um die ansehnliche Beute, auch wenn er leidenschaftlich gern Pilze isst. Wenn er von Stein- und Perlpilzen erzählt, von den etwas festeren Frauentäublingen oder den Totentrompeten, kommt er sogar ins Schwärmen. Das Faszinierende an Pilzen ist für ihn die Schönheit der Natur, die er gern fotografiert. "Ein Tintenfischpilz zum Beispiel. Er ist rötlich, schwarz getupft, wächst meist am Rande eines Waldes. Aber man sieht ihn nur einen Tag, am nächsten ist er vermodert. Ihn auf einer Weide zu suchen, ist, als ob man auf dem Marienplatz ein Centstück suchen würde", begeistert er sich. Und die meisten Schwammerlsucher würden ihn nicht sehen, weil sie sich nicht die Zeit nehmen, genau hinzuschauen, ihn zu entdecken. "In der Ruhe liegt die Kraft", betont er.

Die Ruhe im Wald scheint indes eher dahin zu sein. Momentan sind sehr viele Leute im Wald unterwegs, hat der Dachauer Förster Franz Knierer festgestellt. Der Natur schade es nicht, wenn so viele Schwammerlsucher sich an ihr bedienen. "Geerntet werden ja nur die Fruchtköper, die Sporen reichen aus, um den Bestand zu sichern", winkt er ab. Es sei eher eine soziale Frage, anderen noch etwas übrig zu lassen.

Nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl 1986 hatten viele vom Schwammerlsuchen Abstand genommen. Doch bei dem neuen Boom scheint die Belastung der Pilze mit radioaktivem Cäsium völlig in Vergessenheit geraten zu sein. Auch wenn sie nach 31 Jahren noch immer da ist. Gelegentlich mal ein Pilzgericht aus der freien Natur zu genießen, ist jedoch ungefährlich, sagt Grünert vom Verein für Pilzkunde - auch wenn er es Kindern unter zehn Jahren und Schwangeren nicht empfiehlt.

Die Sachverständige Haberl weist eher darauf hin, dass man beim Kochen unbedingt darauf achten müsse, Maronenröhrlinge, Perlpilze und Hallimasch mindestens 15 Minuten lang bei 80 Grad Hitze durchzugaren, sonst wirken sie toxisch. Außerdem sollte man schimmlige Exemplare unbedingt aussortieren, das gleiche gilt für Wurmstichige, sonst drohe eine Lebensmittelvergiftung.

Die Pilzberatungsstelle hat jeden Montag geöffnet. Im Pasinger Rathaus Zimmer 40 von 8.30 bis 11.30 Uhr, telefonisch ist sie unter 089/233 46485 zu erreichen. Und am Marienplatz beraten die Experten von 10 bis 13 Uhr und von 16.30 bis 18 Uhr, sowie unter Telefon 089/233 28242

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