Vor der Landtags- und Bezirkstagswahl:Politikerinnen dringend gesucht

Die Parteien stehen vor entscheidenden Wendepunkten: Sie wollen weiblicher werden und alle suchen jungen Nachwuchs. Während die einen Frauengruppen gründen, versuchen es die anderen mit Schulungen. Ohne dass die Männer mitziehen, wird es nicht gehen

Von Viktoria Großmann, Dachau

Markt Indersdorf hat etwa 10 200 Einwohner. Es ist anzunehmen, dass davon die Hälfte weiblich ist. Im Gemeinderat von Markt Indersdorf sitzen 20 Gewählte. 18 Männer und zwei Frauen. Repräsentativ ist das gemessen an den Bevölkerungsanteilen nicht. Bevor 2014 die SPD zwei Genossinnen in den Gemeinderat brachte, gab es höchstens mal eine Frau. Auch in anderen Gremien im Landkreis lässt sich ein solches Ungleichgewicht beobachten. Einmal gab es eine Bürgermeisterin in Petershausen. Sie blieb bis heute die einzige im Landkreis Dachau. Elisabeth Kraus von den Freien Wählern hielt sich nur eine Amtszeit lang. Ihrem männlichen Nachfolger erging es allerdings nicht anders.

Elisabeth Kraus hat, egal wie die Gemeinde heute ihre Verdienste bewerten mag, Geschichte geschrieben. Vielleicht ist es also gar kein Wunder, dass es nun die Freien Wähler sind, die durch eine eigene Frauengruppe innerhalb der Partei die weiblichen Mitglieder unterstützen wollen - auch in Dachau. Denn in den Parteien geht es längst nicht paritätisch zu. Nachwuchs ist grundsätzlich rar und Frauen noch mehr. Obwohl gleichzeitig in allen Parteien auch Männer erkennen, dass Politik ohne Frauen doch nicht mehr ganz zeitgemäß ist. Während die einen, wie die CSU, längst einen Masterplan haben, finden andere bei allem guten Willen kaum jemanden, den sie fördern könnten.

Bei den Freien Wählern im Landkreis kämpft Martina Purkhardt fast allein. Die 36-jährige Kreisrätin und Gemeinderätin aus Schwabhausen kandidiert für den Landtag. Außer ihr hat der Kreisverband der Freien Wähler nur ein weiteres weibliches Gesicht, das von Michaela Steiner, die 2014 für das Amt des Landrats kandidierte. In den Reihen der abgespaltenen Freien Wähler Dachau gibt es gar keine Frauen. Zumindest keine sichtbaren.

"Wir sind stolz, dass wir so viele aktive Frauen haben", sagt Purkhardt. "Aber sie verstecken sich." Frauen, so sagt sie, übernähmen häufig Ämter, die zwar viel Arbeit, aber wenig Prestige brächten. Schriftführerin, Kassiererin. "Wir wollen, dass die Frauen selbstbewusster an Ämter herangehen." Purkhardt selbst ist seit 2006 in der Politik. Angesprochen worden sei sie zwar von einem Mann, doch den habe eine Frau auf sie aufmerksam gemacht, sagt sie. Es ist ihr wichtig, dass sich Frauen gegenseitig unterstützen. "Von unten schieben und von oben ziehen", sagt sie.

Die Grüne Beate Walter-Rosenheimer, die heute im Bundestag Sprecherin ihrer Fraktion ist, hätte sich Frauen gewünscht, die sie auf dem Weg nach oben unterstützen. Heute will sie wenigstens selbst dem Nachwuchs helfen. Ihre Teams in Berlin und Dachau hat sie größtenteils weiblich besetzt. Nicht wenige Frauen wachsen über solche Ämter in die Politik hinein. Wie Anita Engelbrecht, die einige Zeit für den SPD-Landtagsabgeordneten Martin Güll arbeitete. "Irgendwann dachte ich, warum solltest Du nicht selbst mitagieren?", sagt sie. Heute ist sie eine der beiden Gemeinderätinnen in Markt Indersdorf und Kreisrätin. Erst 2014 ist die heute 59-Jährige in die Politik eingestiegen. "Als die Kinder noch klein waren, hätte ich es nicht geschafft", sagt sie.

"Frauen haben viel mehr am Hut", sagt Purkhardt. Und auch Walter-Rosenheimer, Mutter von fünf Kindern, sieht es als Voraussetzung für mehr Frauen in der Politik an, dass Frauen und Männer sich die häusliche Arbeit besser aufteilen. Gleichzeitig scheinen Frauen für ihr Engagement weniger Verständnis zu finden. Musst du dir das auch noch antun? - Das sei eine häufige Reaktion gewesen, als sie begann sich bei der SPD in Markt Indersdorf zu engagieren, sagt Martina Tschirge. Sie ist allein erziehend und arbeitet derzeit im Landratsamt. Jetzt kandidiert sie für den Bezirkstag gegen den Präsidenten des Bezirkstages Josef Mederer von der CSU. Sie weiß, dass es wahrscheinlich aussichtslos ist. "Es geht nicht ums Gewinnen", sagt die 50-Jährige. "Wir müssen einen Gegenpol setzen zu dieser testosterongesteuerten Politik, die wir gerade auf allen Ebenen erleben."

Diese Art von Idealismus hat sich auch Kreisbäuerin und CSU-Kreisrätin Emmi Westermeier in 30 Jahren politischen Engagements bewahrt. "Wir sind doch keine Minderheit. Es kann doch nicht sein, dass nur die Männer über uns entscheiden." Westermeier arbeitet auf dem eigenen Hof, hat vier heute schon erwachsene Kinder und mittlerweile drei Enkelkinder. Heute scheint sie zu erstaunen, dass sie eher als Zugezogene akzeptiert worden ist denn als Frau. Dabei musste sie sich auch in der Familie durchsetzen. "Also ermutigt haben sie mich zu Hause eher nicht", sagt sie heute vorsichtig und setzt nach: "Es war mein Entschluss."

Es ist genau dieses Selbstvertrauen, das viele Politiker bei Frauen vermissen. "Frauen können oft viel mehr, als sie sich zutrauen", sagt Beate Walter-Rosenheimer. Ein Satz, der nicht ans Parteibuch gebunden ist. So ähnlich sagen ihn viele Landkreispolitikerinnen. Auch mancher Mann.

"Wir leben in einer Zeit, wo wir Frauen noch besonders fördern müssen", sagt Bernhard Seidenath. Der CSU-Landtagsabgeordnete und Kreisvorsitzende spricht von Ermutigung, ein kleiner Schubs vielleicht. Während viele Männer sich Ämter von vornherein zutrauen würden. Aber auch mit mehr Vertrauen rechnen könnten, beobachtet Martin Güll von der SPD. "Ein Mann gilt ja an sich schon als qualifiziert." Der Landtagsabgeordnete bedauert, dass die Jusos, seitdem seine Tochter Anja aus dem Landkreis weggezogen ist, "doch sehr jungslastig" geworden seien.

Die CSU wäre nicht die CSU, wenn sie nicht eine programmatische Lösung für ihr Nachwuchsproblem hätte. Sie hat über die Frauenunion ein Mentoring-Programm speziell für weiblichen Politik-Nachwuchs etabliert. Das kann zum Beispiel die Europa-Abgeordnete Angelika Niebler sein. Oder auch Bernhard Seidenath. Daneben gibt es noch die CSU-Akademie für alle unter 30. Ähnliches gibt es zwar auch bei der SPD. Aber, seufzt Martin Güll: "Ich brauche auch jemanden, den ich hinschicken kann."

Sogar ihre Quote zu erfüllen, fällt den Sozialdemokraten manchmal schwer. Die Grünen stellten als erste paritätische Listen auf - mit dem Selbstbewusstsein, dass grüne Themen Frauen offenbar ansprechen. In der CSU stellen sich auch Frauen gegen eine Quotenregelung. Trotzdem gibt es welche und zwar für Bezirks- und Landesvorstände. Julia Grote sagt, sie sei über die Quote in den Bezirksvorstand der Jungen Union gewählt worden. Dort führt sie seit einem Jahr das Social Media Team an. Nun kandidiert sie für den Bezirkstag. Die 29-Jährige ist wohl einer der seltenen Glücksfälle für jede Partei. Seit sie 15 ist, ist sie dabei. Wird Ortsvorsitzende in Dachau, ist heute Kreisvorsitzende der JU. Teilweise sei die JU schon ein "Boys Club". Andererseits brauche jeder Seilschaften und vielleicht sei es für die wenigen Frauen sogar einfacher, diese zu finden als für die vielen Männer. "Den jungen Frauen stehen die Türen offen", sagt Grote. "Aber sie müssen auch durchgehen."

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