Volksfest-Nachlese:Grölende Besucher im 20-Minuten-Takt

Anlieger leiden stark unter dem Lärm und Schmutz, den die Gäste des Dachauer Volksfests auf dem Heimweg verursachen. Jetzt werden sogar Forderungen nach einem höheren Bierpreis laut, um die Kampftrinker abzuschrecken.

Gregor Schiegl

Manfred Sers freut sich, dass die jungen Leute wieder bayerische Tracht tragen. Im Zwanzig-Minuten-Takt sind die Gruppen von Burschen in Lederhosen und Mädchen in Dirndl auf dem Heimweg vom Volksfest an seinem Haus vorbeigezogen. Dass sie ihn auf dem Weg zum Bahnhof "um Mitternacht mit ihren Gesängen beglückten", begeisterte den 68-Jährigen weniger. Aber als Dachauer, der selbst jedes Jahr aufs Volksfest geht - zehn Jahre lang war er sogar jeden Tag da - findet er, dass man das auch mal zehn Tage im Jahr aushalten muss. Das Dachauer Volksfest ist vor einer Woche zu Ende gegangen mit geschätzt 300 000 Besuchern - fast eine Rekordwiesn. Aber aus den Leserbriefen, die die Redaktion erreichen, ist auch herauszulesen, dass viele Anwohner das Gefühl haben, so schlimm wie 2012 sei es noch nie gewesen: Betrunkene, die ihre Notdurft in Hauseingängen verrichten, Berge von Müll, grölende Gruppen, die bis in die Morgenstunden lautstark weiterfeiern.

Volksfest-Nachlese: Für die Besucher ist das Volksfest in Dachau eine Riesengaudi, aber die Anlieger klagen alljährlich über Lärm und Schmutz.

Für die Besucher ist das Volksfest in Dachau eine Riesengaudi, aber die Anlieger klagen alljährlich über Lärm und Schmutz.

(Foto: © joergensen.com)

Eine Anwohnerin der Schießstatt fordert, "das Rad wieder zurückzudrehen" und die überregionale Werbung einzustellen. Das Maß sei überschritten, inzwischen seien das einfach zu viele Leute. Deshalb, fordert sie, "sollte der subventionierte, weil viel zu niedrige Bierpreis endlich auf ein marktübliches Niveau angehoben werden, um die Kampftrinker, die nur deswegen aus dem Umland und aus weit entfernten Städten einfallen, fernzuhalten." Manfred Sers, der kürzlich sein Amt als Stadtrat niedergelegt hat, hatte selbst einmal im Rathaus an der Organisation des Volksfests mitgewirkt. Über solche Klagen kann sich richtig aufregen: "Damit holen wir uns doch den Totengräber ins Haus." Alles werde in Deutschland reglementiert "bis hin zum Klopapier". Hauptamtsleiter Günter Domcke erklärt, der Bierpreis sei keineswegs von der Stadt subventioniert, "das ginge kommunalrechtlich auch gar nicht". Vielmehr gebe die Stadt immer dem Wirt mit dem günstigsten Angebot den Zuschlag für das große Festzelt, während andernorts eine Brauerei einfach einen Preis festsetze. Natürlich sei der "vernünftige Bierpreis" auch überregionale Werbung. Die brauche Dachau aber auch, um immer wieder neue attraktive Fahrgeschäfte zum Bierfest zu locken. Die Schausteller stehen unter wachsendem wirtschaftlichen Druck. Feste, bei denen zu wenig los, lassen sie links liegen. Infolgedessen sind schon viele kleinere Volksfeste in Bayern verschwunden. Dabei ist es keineswegs so, dass die Dachauer Wiesn immer größer wird: In den 1970er und 80er Jahren hätten die Besucherzahlen auch schon einmal bei bis zu 400 000 gelegen, sagt Domcke. Auch der Bierumsatz 2012 sei nicht rekordverdächtig. Vor Jahrzehnten seien auch schon mal knapp 1800 Hektoliter Bier auf dem Volksfest ausgeschenkt worden. "Jetzt sind wir schon glücklich, wenn wir 1200 schaffen."

Nicht einmal Ursula Walder, Geschäftsführerin des Trägervereins Brücke der Jugendgerichtshilfe, sieht einen Sinn in einer Bierpreiserhöhung, damit wenigstens die Heranwachsenden etwas maßvoller trinken. "Das Problem ist, dass die Jugendlichen schon vorglühen" - sich also schon vor dem Volksfestbesuch warmtrinken. Außerdem würden sich die Besucher auf der Münchner Wiesn auch zuschütten. Alt und Jung - trotz horrender Bierpreise. Dennoch: "Wenn sich die Beschwerden häufen, gibt es ein Problem", sagt Domcke. "Wir müssen das nächste Mal die Toiletten länger offenlassen. Es kann nicht sein, dass eine halbe Stunde, nachdem das Festzelt schließt, kein Besucher auf dem Platz mehr ordentlich seine Bedürfnis verrichten kann." Allerdings, das gesteht er auch ein, sei bei den Feiernden in den vergangenen Jahren generell die Hemmschwelle gesunken. "Man feiert heute ungehemmter." Das gilt auch für die sogenannten After-Volksfest-Partys in den umliegenden Lokalen. Wegen des Rauchverbots stünden nun oftmals auch spätabends Grüppchen feiernd im Freien - und rauben den Anwohnern den Schlaf.

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