Volksfest Dachau:Palmen am Nachthimmel

Lesezeit: 3 min

Das große Feuerwerk begeistert jedes Jahr die Besucher des Volksfests. Hinter dem Spektakel stecken zündende Ideen und präzise Arbeit - eine Kunst, die der Pyrotechniker Friedrich Woesch beherrscht.

Von Benjamin Emonts

Leuchtende Kaskaden: Das Feuerwerk des Dachauer Volksfests ist kilometerweit über dem Karlsberg zu sehen. (Foto: joergensen.com)

Am Freitagnachmittag ist der Schlossgarten versperrt. An der Eisentür, durch die man den Garten betritt, hängt ein Schild: "Wegen Aufbau des Feuerwerks geschlossen." Es ist still. Logischerweise. Es darf ja keiner hinein in den sonst so gut besuchten Garten. Friedrich Woesch, dessen Frau und drei Mitarbeiter können also ganz in Ruhe arbeiten, das ist wichtig. Auf einem Kiesweg des Schlossgartens befüllen sie Hunderte extra angefertigte Fieberglasrohre mit kugelförmigen Feuerwerkskörpern. Sie sind konzentriert und arbeiten präzise. Später, um 21.30 Uhr, muss alles funktionieren. Es soll dann vorbei sein mit der andächtigen Stille. Es soll krachen und leuchten, dass die Volksfestgäste am Fuße des Altstadtbergs begeistert sind. Und so viel kann man vorwegnehmen: Es hat geklappt.

Doch immer der Reihe nach. Am späten Nachmittag steht Woesch immer noch im Schlossgarten. Auf seiner Stirn stehen ein paar Schweißperlen, sein Blick ist ernst, aber selbstsicher. "Man ist schon angespannt", sagt er, "das tolle Ambiente fordert einen heraus, etwas Gutes zu machen". Mit "gut" meint der Pyrotechniker eine wohl durchdachte Choreografie. Wann wird welcher Feuerwerkskörper abgeschossen, mit welchen anderen kombiniert man ihn und wie viele zündet man? Feuerwerk ist Kunst. Und wenn Frau Woesch Recht hat, dann ist ihr Mann ein guter Künstler. Sie sagt zu ihm: "Du bist ein Pyrotechniker, der noch richtige Bilder an den Himmel zaubern kann."

Die Stadt Dachau teilt diese Einschätzung. Sie beauftragt das Familienunternehmen Woesch, das bereits 143 Jahre existiert, seit mehr als 30 Jahren mit dem Feuerwerk. Woesch nimmt die "reizvolle" Aufgabe wie immer sehr ernst, schließlich handelt es sich um "eines der größten Feuerwerke Bayerns", wie er sagt. Im Gepäck hat er dementsprechend nur das Beste. Wie etwa den "Iron Tree", einen Spezialfeuerwerkskörper, über dessen Preis er nicht sprechen will. "Der geht mit einem Schweif in die Luft und macht dann auf wie Palmenblätter - silberne Palmenblätter mit grünen Spitzen." Woesch kann viel über sein Feuerwerkssortiment erzählen: Geisterbomben, Blinker, Silberregen. Was es nicht alles gibt.

Die Choreografie für heute Abend steht seit mehr als vier Tagen. Über das ganze Jahr hat Woesch Ideen gesammelt, jetzt steht das Programm auf zwei DinA4-Zetteln. Um 21.30 Uhr, wenn es dann so weit ist, muss er eigentlich nur noch Knöpfe drücken. Über elektrische Impulse werden dann die Schwarzpulverzündschnüre entfacht. Sie setzen wiederum die Treibladungen in Gang und ein Zündverzögerer sorgt dafür, dass die Zerlegerladung - das Zeug, das so schön leuchtet - erst im Himmel losgeht. Die Steighöhe ist wichtig. Deshalb lädt ein Mitarbeiter gerade nach. Mit einer Holzlatte drückt er die Feuerwerkskörper auf den Boden der Fieberglasrohre. Es muss genug Druck herrschen, sonst erreichen die Knaller nicht die gewünschte Steighöhe.

Stunden später ist alles vorbereitet. Kurz vor halb zehn ist der Himmel noch dunkel. Es knallt. Kein Leuchteffekt, einfach nur ein Knall. Er ist das Signal für die Schausteller, die Fahrgeschäfte anzuhalten, das Licht auszumachen, die Musik abzudrehen. Beim Fahrgeschäft Techno-Power geht die Techno-Musik aus. Hier, am Knotenpunkt des Volksfestplatzes, bleiben jetzt viele Menschen stehen. Sie schauen hinauf zum Nachthimmel, viele sind ruhig. Ein komischer Moment. Es ist 21.30 Uhr. Endlich. Leuchtkugeln in allen Farben ziehen ihre Bahnen, Goldregen kommt vom Himmel, es blinkt, ein Bild folgt dem anderen. Da ist sie, die Palme. Das muss der "Iron Tree" sein. "Mama, so etwas habe ich noch nie gesehen", sagt ein kleines Mädchen. Zwei junge Männer quetschen sich durch die Zuschauermasse: Schick di. Mia miaßen ins Ziagler. De machan boid zua." Andere geben indessen sekündlich "Aaaah"- und "Ooooh"-Laute von sich. Zehn Minuten geht das so. Dann kommt das Finale: Die Bilder wechseln sich noch schneller ab, sie werden noch bunter. Woesch, der da oben im Schlossgarten steht, muss gerade aus vollen Rohren schießen. Immer mehr, immer größer. Man meint, die Bilder bewegen sich auf einen zu. Bis 200 Kanonenschläge auf einmal am Himmel explodieren. Das ist das Ende. Beifall. Aber nur kurz: Keine fünf Sekunden später ist das Licht wieder an, die Musik dröhnt so laut wie vorher. Techno-Power. "Auf geht's, eine neue Runde, einsteigen!" Ist da irgendwas gewesen? Egal. Hauptsache wieder Volksfest.

© SZ vom 19.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: