Volksfest Dachau:Ein Prosit der Gemütlichkeit

Bei der Eröffnung des Dachauer Volksfests treten Parteienzugehörigkeiten und sonstige Differenzen in den Hintergrund. Gemeinsam zu feiern ist jetzt wichtiger.

Von Benjamin Emonts, Dachau

Samstag, kurz nach zwölf Uhr. Oberbürgermeister Hartmann, SPD, packt sich den Schlegel und tut so, als würde er Landrat Stefan Löwl, CSU, eine überziehen. Doch dann besinnt sich der OB. Ein Gewaltverbrechen vor der hübschen Stadträtin aus der italienischen Stadt Fondi, Roberta Muccitelli, kann er sich natürlich nicht erlauben. Stattdessen visiert er mit seinem Holzhammer - so verlangt es die Tradition - das erste Fass Dachauer Festmärzen an. Ein, zwei, drei Schläge, dann fließt das bernsteinfarbene Bier. Und die Dachauer Ludwig-Thoma-Musikanten spielen ein "Prosit der Gemütlichkeit" auf das Volksfest, das im Sinne aller doch friedlich verlaufen soll.

Einen Monat vor der anstehenden Bundestagswahl könnte man Florian Hartmanns Verhalten als politischen Anschlagsversuch auf die Dachauer CSU interpretieren. OB Hartmann relativiert jedoch, dass der Landrat versucht habe, seinen Schlegel zu verstecken und den obligatorischen Bieranstich zu vereiteln. Löwl, so mutmaßt Hartmann, sei vielleicht ein wenig neidisch, weil der doch am liebsten selbst das Bier angezapft hätte. Am Ende aber sind alle wieder gut miteinander. Befreit von jeglichem Parteienstreit stoßen die Kommunalpolitiker miteinander an und nehmen einen kräftigen Schlug aus ihrer Maß, die mit 5,80 Euro wieder unschlagbar günstig erscheint. Dann dirigiert der OB traditionsgemäß den Bayerischen Defiliermarsch, um eines der beliebtesten Volksfeste Bayerns mit rund 300 000 Besuchern und 73 Schaustellern auch musikalisch zu eröffnen.

Volksfest Dachau: Die Malweiber setzten mit ihren bunten Hüten modische, aber auch kosmopolitische Akzente.

Die Malweiber setzten mit ihren bunten Hüten modische, aber auch kosmopolitische Akzente.

(Foto: Toni Heigl)

Volksfestreferent und Stadtrat Robert Gasteiger, Freie Wähler, freut sich über die zahlreichen Zuschauer, die den traditionellen Volksfesteinzug applaudierend beobachtet haben. Am Tag zuvor, so verrät Gasteiger, habe er extra eine Wetterkerze gestiftet, sodass sich der wolkenverhangene Himmel tatsächlich gnädig mit dem Dachauer Volksfestbeginn zeigte. Vor mehr als 4000 Zuschauern, so schätzt Gasteiger, setzt sich der Zug gegen 11.30 Uhr vor dem Rathaus in der historischen Altstadt in Bewegung - und es bleibt trocken.

Freistaatliches Selbstbewusstsein

Das vollblütige Pferd Festival wippt aufgeregt mit dem Kopf, bevor seine Reiterin Irmi Lachner mit einem Kopfnicken den Startschuss für den Umzug gibt. Die Dachauer Ludwig-Thoma-Musikanten stimmen sogleich einen Marsch an, in dessen Takt sich nun 500 Trachtler, Schützen und Musikanten den Altstadtberg hinab in Richtung Volksfestplatz begeben.

Auf die Erntekrone von Volksfestreferent Gasteiger folgen ungefähr 200 Männer und Frauen vom Dachauer Trachtenverein "D'Ampertaler". Ihr freistaatliches Selbstbewusstsein macht sich nicht nur optisch, sondern auch in der Lautstärke bemerkbar, als sie im Bierzelt ein Spalier bilden und mit ihren Wanderstöcken auf den Holzboden klopfen. Ein Ampertaler zu sein ist im Dachauer Land offensichtlich ziemlich angesagt. Charakteristisch für ihre historische Dachauer Tracht sind der schwarze, runde Hut, ein kurzer Janker, ein weißes Bauernhemd, eine lederne Stiefelhose, eine Samtweste und schwarze Faltenstiefel.

Volksfest Dachau: Sicherheitsmaßnahmen wie dass Verbot von Messern stört keinen. So einen Brotzeitteller kriegt man auch mit anderen Werkzeugen klein.

Sicherheitsmaßnahmen wie dass Verbot von Messern stört keinen. So einen Brotzeitteller kriegt man auch mit anderen Werkzeugen klein.

(Foto: Toni Heigl)

Ihnen folgen die Dachauer "Schlossbergler", der zweite Trachtenverein, und die prominent besetzten Politkutschen. Oberbürgermeister Hartmann und seine Lebensgefährtin Julia Märkl, die den OB wieder stilsicher eingekleidet hat, geben sich volksnah und werfen kleine Blumensträuße in die Menge. An ihrer Seite sitzt besagte Stadträtin aus der Dachauer Partnerstadt Fondi, Roberta Muccitelli, die eine Schärpe in den italienischen Landesfarben trägt. Der Platz neben ihr bleibt allerdings frei. Der zweite Bürgermeister aus Dachaus Partnerstadt Klagenfurt, Jürgen Pfeiler, stand mit seinem Auto leider im Stau, erzählt Hartmann. Der Österreicher kam erst verspätet im großen Bierzelt an.

Auch der Gast aus Polen ist begeistert

Der Dachauer Landrat Stefan Löwl teilt seine Kutsche in diesem Jahr mit der scheidenden CSU-Landtagsabgeordneten Gerda Hasselfeldt und Zbigniew Starzec, dem Landrat von Oświęcim. Der Landkreis Dachau pflegt seit zwei Jahren offiziell eine Partnerschaft mit seinem polnischen Pendant, in dessen Gebiet das deutsche Vernichtungs- und Konzentrationslager Auschwitz lag. Starzec, der der umstrittenen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) angehört, verweilt auf Einladung von Landrat Löwl drei Tage lang in Dachau. Er werde begleitet von einer Delegation aus 22 Feuerwehrmännern, Polizisten und Krankenschwestern. Das Dachauer Volksfest "ist wundervoll", sagt er, während Schweinshaxen und Gulasch an seinem Tisch serviert werden.

Im Bierzelt gönnen sich Politiker, Vereinsmitglieder und 17 modebewusste Malweiber eine zünftige Brotzeit. Als Dachau zwischen 1885 und 1914 noch eine Künstlerkolonie war, wurden Frauen, die der Kunst frönten, abschätzig so bezeichnet. Die Malweiber von heute würdigen jene von damals. Mit ihren kunstvoll drapierten Hüten und farbenfrohen Kleidern bereichern sie wie immer den Umzug, auf dem sie vor allem an Frauen und Kinder 420 Rosen verteilen. Ihre Anführerin, Nina Schiffner, trägt ein elegantes schwarzes Kleid und einen mit Federn geschmückten Hut. Sie weist stolz darauf hin, dass in diesem Jahr auch Frauen aus Schweden, Albanien und England unter ihnen weilen. Die Dachauer Malweiber verstehen sich seit jeher als Kosmopolitinnen.

Gerda Hasselfeldt will 2018 wieder kommen - aber dann privat

CSU und SPD haben sich derweil ihre eigenen Tische im großen Festzelt von Magdalena und Ewald Zechner gesucht. Bundestagsabgeordnete Gerda Hasselfeldt sitzt der gebürtigen Gündingerin Katrin Staffler gegenüber, die ihr als Direktkandidatin für die CSU in den Bundestag folgen will. "Ich gehe davon aus, dass ich als ausrangierte Abgeordnete nicht mehr in der Kutsche mitfahren darf", sagt Hasselfeldt, ohne dabei in Wehmut zu versinken. "Ich werde dann einfach privat auf das Volksfest kommen."

Volksfest Dachau: Mit Blasmusik und traditioneller Tracht startet das Dachauer Volksfest.

Mit Blasmusik und traditioneller Tracht startet das Dachauer Volksfest.

(Foto: Toni Heigl)

Die aus dem Landkreis stammende Katrin Staffler bezeichnet das Dachauer Volksfest als willkommenen "Pflichttermin", bei dem sie jedes Jahr alte Bekanntschaften treffe. Ihr Mitbewerber von der SPD, Michael Schrodi, sitzt mit seiner jungen Familie am Tisch des Parteifreunds, dem Genossen Hartmann. So mancher Volksfestbesucher, erzählt Schrodi, habe ihn immerhin von den Wahlplakaten wiedererkannt. "Der Bekanntheitsgrad wächst. Das ist das Wichtigste", sagt er - und verliert sich im Volksfestgetümmel.

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