Verkehr:Die Pedelec-Zukunft

Um Pendlerströme in und durch den Landkreis besser steuern zu können, sind alltagstaugliche Radwege nötig. Denn vor allem die E-Bikes sind eine Option für Autofahrer, wenn die Vernetzung mit dem Nahverkehr stimmt

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Das Verkehrsgutachten des Münchner Verkehrsverbunds (MVV) über den Landkreis Dachau liegt jetzt in der endgültigen Fassung vor. Es ist mit dem Entwurf vom April diesen Jahres identisch und enthält ein äußerst interessantes Detail: Demnach entwickelt sich der Landkreis zu einer Region, in der die Zahl der Pendler in den Ballungsraum München aus den Nachbarregionen von Pfaffenhofen a. d. Ilm bis Aichach und Augsburg zunimmt. Außerdem können die bestehenden Taktzeiten der Busse und S-Bahnen mit den flexiblen Arbeitszeiten bei Unternehmen nicht mehr mithalten. Schließlich hat sich der Autoverkehr vom Norden des Landkreises über Markt Indersdorf, Dachau und Karlsfeld erwartungsgemäß als zentrales Problem herausgestellt. Allerdings zeigt sich die MVV-Consulting überraschenderweise mit dem bestehenden Radwegenetz zufrieden. In dem Gutachten heißt es, dass der Landkreis über ein "umfassendes" verfüge, "mit wenigen offensichtlichen Lücken".

Beginnen wir mit dem Versuch, von Dachau aus nach Petershausen zu radeln, also entlang der Hauptachse des Öffentlichen Nahverkehrs der S 2. Wer nicht von Dachau-Ost kommt und sich hilflos auf der Höhe der Kraus-Mühle in den Autoverkehr eingliedern muss, gelangt ziemlich gut bis nach Hebertshausen. Dort bleibt ihm nichts anderes übrig, als auf dem Fußweg zu bleiben, der für Radler gestattet ist. Er muss aber damit rechnen, dass der eine oder andere Autofahrer aus den Einfahrten herausschießt. Danach bleibt man entspannt auf einem Radweg bis Schönbrunn.

Und dann? Soll man die Verbindungsstraße durch den Wald nach Vierkirchen wählen? Lebensgefährlich. Dabei wäre ein Radlweg der ideale Zubringer nach Schönbrunn zum Franziskuswerk. Viele, die dort arbeiten, leben auch in Vierkirchen. Ist die DAH 9 am Röhrmooser Rathaus vorbei eine Alternative? Ebenfalls riskant. Bleibt die Straße in den Vierkirchner Ortsteil Pasenbach direkt zum S-Bahnhof? Wer auf der schmalen Trasse Spaß daran hat, dass entgegenkommende Autos versuchen, am Fahrradfahrer vorbeizuschlängeln, sollte es probieren. Von Vierkirchen nach Petershausen geht über ordentliche Radwege gar nichts. Besser sieht es von Dachau nach Altomünster aus. Aber wer will in Bergkirchen, Wiedenzhausen im westlichen Landkreis, in Sulzemoos oder Odelzhausen tatsächlich irgendwohin radeln, wenn es sich nicht um ein entspanntes Freizeitvergnügen handelt? Einigermaßen gut führen Radwege teilweise über Taxa nach Unterweikertshofen nach Erdweg.

Verkehr: Alltagstaugliche Radwege, die Pendler zielführend zur S-Bahn bringen, sind in Dachau nur wenige vorhanden.

Alltagstaugliche Radwege, die Pendler zielführend zur S-Bahn bringen, sind in Dachau nur wenige vorhanden.

(Foto: Toni Heigl)

Der Allgemeine Deutsche Fahrradklub (ADFC), der sich erst kürzlich wegen seiner Nähe zur Kommunalpolitik als Berater selbst lobte, ist zurzeit anscheinend führungslos. Die angegebene Telefonnummer existiert nicht mehr. Es heißt, dass der Vorsitzende nach München gezogen sei. Einige engagierte Mitglieder sagen auf Nachfrage, dass im ganzen Landkreis Dachau kein wirklich gutes Radwegenetz existiert, das sich für den mobilen Alltag von Pendlern eignet. Es sei allenfalls "mittelmäßig".

Kreisbaumeister Georg Meier kennt jede einzelne Passage des Gesamtverkehrsgutachtens, das die MVV Consulting im Auftrag des Landkreises erstellt hat. Der Vorteil der Daten und Fakten liegt für ihn darin, dass sein "Bauchgefühl" und das seiner Mitarbeiter in der Stabsstelle für die Entwicklung des gesamten Landkreises bestätigt wurde. Die Verkehrsströme von Aichach, Augsburg und Pfaffenhofen sind ein zentrales Problem. Außerdem braucht es Querverbindungen im Öffentlichen Nahverkehr, so dass die Landkreises Dachau, Fürstenfeldbruck und auch Pfaffenhofen miteinander vernetzt werden. Damit könnten sich Pendler die Wege nach München hinein ersparen, um die großen Arbeitgebern im Münchner Norden zu erreichen. Deshalb wird es aus seiner Sicht wichtig, die sogenannte Intermobilität zu verbessern. Damit ist gemeint, dass Pendler künftig unterschiedlich Verkehrsmittel benutzen sollen, die optimal aufeinander abgestimmt werden können.

Deswegen ist für Meier das Radwegenetz des Landkreises eine wichtige Schaltstelle: "Wenn Pendler drei bis vier Kilometer mit einem Pedelec zurücklegen können, werden sie das tun." Dann, da von ist Meier überzeugtr, werden sie auf das Auto und den quälenden Stop-and-Go-Verkehr nach München verzichten. Demnach reicht es nicht, irgendwie ein paar Straßen und Feldwege als Teil eines Radwegenetzes auszuweisen. Wichtig sind Trassen, auf denen Pendler schnell, direkt und sicher ans Ziel gelangen. Wer aber beispielsweise von der Altstadt in Dachau zum Bahnhof mit dem Rad will, hat die Alternative über die Mittermayerstraße mit der nachweislich höchsten Verkehrsdichte der gesamten Stadt oder über die Münchner Straße, wo gerade ein Radwegeexperiment läuft.

Georg Meier

Kreisbaumeister Georg Maier sieht sich durch die MVV-Analysen in seinem Bauchgefühl über die Verkehrssituation des Landkreises und seine Brennpunkte bestätigt.

(Foto: privat)

An diesem Freitag berät der Kreistag erstmals über das Gutachten, das aus einer "Grundlagenermittlung" des gesamten Verkehrs im Landkreis Dachau besteht. Daraus müssen die Kreisräte langfristig gemeinsam mit Experten "Handlungsfelder entwickeln", wie Kreisbaumeister Georg Meier sagt. Danach sollen Szenarien entstehen, um zu entscheiden, was für den Landkreis wünschenswert und was machbar ist. Will er mehr Straßen? Röhrmoos pocht beispielsweise auf eine Umgehung des Ortsteils Großinzemoos. Setzt der Kreistag vor allem auf den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs? Vor allem aber wird er sich fragen, welche Ziele er allein oder zumindest in eigener Verantwortung erreichen kann. Da sagt Georg Meier der SZ: "Bei den Radwegen entscheiden nur wir."

Ein Tipp: Freizeitradler können von Dachau aus beispielsweise über Steinkirchen hoch zum Windrad fahren, dann über eine Schleife nach Goppertshofen kommen. Dort überqueren sie die Straße nach Pellheim und erreichen Arzbach. Jetzt eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten über Oberweilbach nach Sigmertshausen, schließlich durch den Wald nach Röhrmoos oder weiter Richtung Niederroth und Markt Indersdorf. Da quert man nur größere Straßen. Sehr angenehm. Aber nichts für den Alltag.

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