Verein Dachau Agil:Der Neid-Faktor

Die Gemeinde Röhrmoss ist aus dem landkreisweiten Verein Dachau Agil ausgestiegen - und löst damit eine heftige Deabtte unter den Bürgermeistern aus.

Wolfgang Eitler

Der Ausstieg von Röhrmoos aus Dachau Agil stößt unter den Bürgermeistern des Landkreises auf Unverständnis. Heinz Eichinger (SPD) aus Vierkirchen, der auch Agil-Vorsitzender ist, zeigt sich überrascht vom Votum des Gemeinderats und attackiert den Röhrmooser Kollegen Hans Lingl (Freie Wähler): "Noch im Sommer hat er mir versichert, dass er ein Befürworter von Dachau-Agil ist. Jetzt hat er sich als der große Gegner entpuppt."

Verein Dachau Agil: Heinz Eichinger (SPD, im Bild links) aus Vierkirchen attackiert den Röhrmooser Kollegen Hans Lingl (Freie Wähler).

Heinz Eichinger (SPD, im Bild links) aus Vierkirchen attackiert den Röhrmooser Kollegen Hans Lingl (Freie Wähler).

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Als Grund vermutet Eichinger Lingls Aversion ihm gegenüber. Die Bürgermeister Josef Kreitmeir (Freie Wähler) aus Markt Indersdorf und Josef Mederer (CSU) aus Schwabhausen bewerten die Röhrmooser Entscheidung vom Dienstag "als schädlich für den ganzen Landkreis".

Vor allem von Mederers Seite ist diese eindeutige Stellungnahme gegen Röhrmoos überraschend. Denn der Präsident des oberbayerischen Bezirkstags zählte lange Zeit - ganz im Gegensatz zu Hans Lingl - zu den massiven Kritikern dieser Organisation, die sich als Verein für die Regionalentwicklung versteht. Noch vor wenigen Monaten warf er ihm gemeinsam mit seinem Gemeinderat mangelnde Effizienz und eine völlig unzureichende Kommunikation vor. Jetzt sagt Mederer: "Die Kritik hat sich ausgezahlt. Es ist vieles besser geworden. Der Verein ist näher an die Bürger und die Gemeinden herangerückt."

Vor vier Jahren gründeten 13 Gemeinden und vielen Organisationen des Landkreises Dachau Agil, mit dem Ziel, Zuschüsse der Europäischen Union (EU) zu gewinnen, um regionale Projekte zu verwirklichen. Seit Jahren legt die EU Programme auf, die vor allem dazu dienen sollen, den ländlichen Räum zu stärken. Sie firmieren unter Abkürzungen wie "Leader" und erfordern einen enormen bürokratischen Aufwand. Die Stadt Dachau entzog sich dem Drängen, sich daran zu beteiligen.

Die Aussichten in Hebertshausen beurteilt Agil-Vorsitzender Eichinger "eher als schlecht". Pfaffenhofen ist jetzt beigetreten. Haimhausen liebäugelt damit. Im Kern sehen die Kritiker in dem Verein eine Art Luxusveranstaltung für Projekte, die nicht zu den Kernaufgaben einer Gemeinde oder eines Landkreises zählten.

In diese Phalanx hat sich am Dienstag der Gemeinderat Röhrmoos mit zwölf gegen vier Stimmen eingereiht. Dabei gehören Bürgermeister Lingl und das Gremium zu den ersten, die den Verein befürworteten. Lingl sieht ein Missverhältnis zwischen den Ergebnissen und den Ausgaben. Anscheinend hat die Intervention der stellvertretenden CSU-Landrätin Eva Rehm bei ihrer Röhrmooser Fraktion wenig genutzt. Denn deren Sprecher Georg Kiermeir sieht sich in seiner grundlegenden Ablehnung durch die Bilanz des Vereins bestätigt: "Ich habe vor einem Jahr schon Skepsis geäußert, weil ich für unsere Gemeinde keinen Mehrwert erkennen kann."

Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung verdeutlicht Lingl seine Bedenken gegenüber Dachau Agil. "Im Gemeinderat ist seit Jahren eine gewisse Unzufriedenheit erkennbar gewesen", sagt er. Deshalb habe er es für nötig erachtet, diese Kritik in eine öffentliche Debatte münden zu lassen. Er wolle keine Zahlen ausbreiten, aber bei dem Verein besteht seiner Ansicht nach "ein krasses Missverhältnis zwischen den Verwaltungskosten und den Projekten".

Auf die Frage, wie es bei ihm, als früheren Befürworter, zu diesem Sinneswandel kommen konnte, sagte Lingl: "Ich war dem Projekt sehr positiv gegenübergestanden. Aber über die Jahre bin ich zu einer anderen Überzeugung gekommen." Auch bei den nächsten Vorhaben, die sich mit der Jugendarbeit und der Betreuung von Senioren befassen sollen, befürchtet er, "dass nicht viel mehr rüberkommt als ein Haufen Papier".

Da ist Indersdorfs Bürgermeister Josef Kreitmeir gegenteiliger Ansicht. Er erhofft sich von den Plänen für zentrale Freizeiteinrichtungen mehrerer Gemeinden (beispielsweise Skaterbahnen) einen Schub in der Jugendpolitik. Außerdem werde Indersdorf von den EU-Zuschüssen für den Ausbau des historischen Mesnerhauses zum Museum profitieren.

Sein Schwabhausener Kollege Mederer erwähnt als ein erfolgreiches Vorhaben den Ausbau der Radwege in seiner Gemeinde. Beide weisen auch auf den Umstand hin, dass Röhrmoos als bisher einziges Agil-Mitglied keine Ideen entwickelt habe. Mederer: "Wenn man kein eigenes Projekt hat, können nicht die anderen schuld sein."

Agil-Vorsitzender Eichinger fühlt sich von seinem Kollegen in Röhrmoos arglistig getäuscht. Noch vor der Sommerpause habe Lingl ihm versichert, wie vorteilhaft der Verein für den Landkreis sei. Die Gemeinderatssitzung mit einer kurzen Debatte über den Ausstieg beurteilt Eichinger so: "Der Bürgermeister hat eindeutig den Austritt forciert." Erste Reaktionen auf diese Entscheidung, die ihm aus Röhrmoos über E-Mail gesandt wurden, lassen seiner Ansicht nach nur den Schluss zu, dass bei Lingl "eine Aversion rauskommt, die nur mit mir zu tun hat".

Die beruhe wohl auf einer Konkurrenzsituation zwischen den beiden Nachbargemeinden und den nachweislichen Vierkirchener Erfolgen vor allem in der Wirtschaftspolitik. Bekanntlich sind in Röhrmoos seit Jahrzehnten sämtliche Versuche misslungen, erfolgreich Gewerbe anzusiedeln. Eichinger: "Lingl hat die Chance genutzt, dass der Bürgermeister, der fast alles richtig macht, eine mitbekommt."

Nächste Woche wird der gesamte Agil-Vorstand über den Röhrmooser Ausstieg beraten. "Der ist bitter für uns", sagt Eichinger. Der Vorsitzende rechnet fest damit, dass Röhrmoos aufgefordert wird, sich aus sämtlichen laufenden Projekten zurückzuziehen. "Außerdem hält er es für ausgeschlossen, dass die Geschäftsstelle in einer Gemeinde bleibt, die dem Verein nicht mehr angehört." Zurzeit befindet sie sich in Mariabrunn, das zu Röhrmoos gehört.

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