Tierheim Dachau:Verständnis gesucht

Das Tierheim in Dachau ist überfüllt wie noch nie. Maren Rottleb und Wolfgang Petrick hoffen jetzt auf Menschen mit einem großen Herz für ausgesetzte Tiere. Außerdem werben sie für die Kastration von Katzen

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Arco wär' was. Er bellt zwar heftig, aber nicht furchterregend. Die Äuglein blitzen eher freundlich. Tierpfleger Wolfgang Petrick sagt allerdings: "Man braucht Zeit für ihn." Wenn er hektisch wird, kann er auch zubeißen. Der Mischling mit Schäferhunde-Anteil ist von der Familie, in der er sich befand, ziemlich malträtiert worden und in einem engen Raum gehalten worden. Da muss ein Halter her, der Geduld aufbringt und pädagogisches Geschick. Eine Familie ist für Arco nicht, oder besser: noch nicht geeignet. Petrick würde ihm, langfristig gesehen, ein solches Umfeld wünschen.

Das Tierheim in Dachau ist voll. Mit Hunden wie Arco, dem schwarzhaarigen und lieb dreinschauenden Benno, eben erst ausgesetzt, oder dem sanft aussehenden Labrador. Ihnen wünscht man noch vor dem Weihnachtsfest einen Abschied aus dem Zwinger. Außerdem ist das Tierheim zusätzlich heftig mit Katzen und Kaninchen belegt, dass nichts mehr geht.

Deshalb schlägt Büroleiterin Maren Rottleb Alarm, die seit 16 Jahren im Tierschutz als Organisatorin tätig ist: "Noch nie war das Tierheim im Dezember so voll wie dieses Jahr. Täglich kommen ein bis zwei Katzen als Fund oder Abgabe." Rottlebs Statistik dazu: Momentan befinden sich 75 Katzen (mehr als die Hälfte im noch nicht vermittelbaren Zustand), 51 Kleintiere (34 Kaninchen) und 14 Hunde im Tierheim, täglich müssen somit 140 Tiere versorgt werden. Die Kosten dafür liegen bei 450 000 Euro jährlich.

Tierheim Dachau: Das Dachauer Tierheim setzt sich hohe Standards. Das stößt nicht überall auf Verständnis.

Das Dachauer Tierheim setzt sich hohe Standards. Das stößt nicht überall auf Verständnis.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Erst vergangenes Jahr ist das neue Katzenhaus fertig geworden. Jetzt meldet Maren Rottleb: "Mittlerweile musste leider wieder ein Bürocontainer für die Unterbringung von Katzen verwendet werden, da alle Zimmer und Quarantäneboxen belegt sind." Und sie sagt: "So kann es nicht weitergehen."

Dazu ein Rätsel: Was hat der Klimawandel mit dem Dachauer Tierheim zu tun? Die Antwort lautet: Weil Deutschland das wärmste Jahr seit der Wetteraufzeichnung erlebt, werfen Katzen nicht mehr nur zweimal in Frühjahr und Sommer, sondern auch mitten in den Wintermonaten. Deshalb laufen viele süße kleine Kätzchen in der Dachauer Quarantänestation herum. Deshalb tummeln sie sich in dem Neubau pärchenweise oder in Wohngemeinschaftsgröße. Deshalb, das betont Tierpfleger Petrick ausdrücklich, müssten eigentlich die Vermittlungschancen steigen. Denn die Mehrheit sind reine Zimmerkatzen, die das Haus oder die Wohnung nicht oder nur selten verlassen. Sie werden vom Tierheim nur im Doppelpack angeboten. Sonst wären sie allein, wenn die übrigen Bewohner zur Arbeit oder zur Schule gehen.

Aber gerade im Winter sind die Chancen erfahrungsgemäß schwierig, für die Tiere neue Unterkünfte zu finden. Dabei bräuchte das Tierheim, die acht ständigen Mitarbeiter und zahlreichen ehrenamtlich Tätigen gerade jetzt eine besonders große Unterstützung. Denn ihre Arbeit erinnert an die mythologische Figur des Sisyphos. Er musste ständig den selben Fels den Berg hinaufrollen: Seit Jahren appelliert der Tierschutzverein unter der Führung von Silvia Gruber an Katzenhalter, ihre Haustiere kastrieren oder sterilisieren zu lassen. Zurzeit läuft wieder eine große Werbeaktion im ganzen Landkreis. Ein Landwirt beispielsweise hatte jetzt ein Einsehen und bringt seine Katzen zur Kastration ins Tierheim, wo sie kurzfristig versorgt werden können. Außerdem braucht das Tierheim dringend Erfolgserlebnisse, die belegen, dass sich ihre Arbeit auch auszahlt und ihre Schützlinge Anklang finden.

Tierheim Dachau: Tierpfleger Wolfgang Petrick arbeitet seit 14 Jahren im Tierheim.

Tierpfleger Wolfgang Petrick arbeitet seit 14 Jahren im Tierheim.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Vielleicht können sie bald drei Junghunde abgeben, allesamt Mischlinge, die irgendjemand einfach im Wald an einen Baum gebunden hatte. Am vergangenen Sonntag waren sie in der Nähe der B471 ausgesetzt worden. Der jüngste ist fünf Monate. Das Tierheim hat ihn auf den Namen Filou getauft. Ida ist die größte von den Dreien und braunhaarig wie der Kleine. Gimli hingegen ist so alt wie Ida und hat ein schwarzes Fell mit weißer Zeichnung. Maren Rottleb vermutet, "dass es Hunde aus dem Ausland sind, wohl illegal eingeführt, da sie nicht gechipt sind". Alle wiesen kleinere Verletzungen auf, die den Verdacht nahelegen, dass sie auf engerem Raum gehalten wurden. Nach einem eingehenden Blutbild sowie eventueller weiterer Behandlungen können sie abgegeben werden. Aber auch für diese drei Tiere gilt: "Sie brauchen Zeit und Geduld", sagt Maren Rottleb.

Übrigens berät das Tierheim-Team Interessenten fachkundig. Als Familienhund eignet sich zurzeit allein der sympathische Labrador. Er ist nicht zu groß und nicht zu klein. Er braucht also nicht den umfangreichen Auslauf wie andere Rassen. Und er ist geduldig. Er verzeiht auch den einen oder anderen Erziehungsfehler im Gegensatz zu den beiden Huskys. Wer diese Exemplare einmal auf sein Sofa lässt, kann sich künftig auf den Boden setzen. Auf der anderen Seite gelten Huskys als familienfreundlich und eignen sich für längere Spaziergänge. Maren Rottleb empfiehlt für den Anfang immer auch eine Hundeschule.

Tierheim Dachau: Maren Rottleb organisiert das Tierheim seit 16 Jahren mit.

Maren Rottleb organisiert das Tierheim seit 16 Jahren mit.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Katzen muten in den kleinen Zimmern mit den Körben und Kletterutensilien anheimelnd an. Bei den Hunden in den Zwingern indes ist zu spüren, wie verlassen sie sich vorkommen müssen. Denn sie sind, wie Tierpfleger Petrick sagt, "soziale Wesen". Ganz allein läuft ein großer ungarischer Hirtenhund durch seinen Zwinger. Koscha erinnert mit seinen müden Augen und dem langsamen Gang an Rilkes Gedicht über den Panther hinter Gittern. Koscha wird nie mehr rauskommen, denn nach schlimmen Erfahrungen ist er nicht mehr vermittelbar. Außerdem ist er bereits zu alt und zu krank.

Solche Schwierigkeiten dürfte es auch bei einem afrikanischen Weißbandigel geben. Während des Gesprächs mit Maren Rottleb meldete sich ein ratloser Mann aus München am Telefon, dem dieses exotische Tier gerade eben vor die Haustür gestellt worden war. In der Nachbarschaft gilt er als sehr tierfreundlich. Rottleb wirkt erleichtert, als sie dem Anrufer mitteilen konnte, dass er sich an das Tierheim in der Landeshauptstadt wenden solle: "Das ist für sie zuständig."

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