Tiere:Politik zum Schämen

"Ein bisschen rot" wird Herbert Woerlein von der SPD-Landtagsfraktion schon, als er sich in Dachau über die Situation der Tierheime informiert. Der Sozialdemokrat fordert eine staatliche Unterstützung der Einrichtungen

Von Helmut Zeller, Dachau

Der Tierschutz fristet in Bayern seit vielen Jahren ein Schattendasein. Die SPD-Landtagsfraktion will das ändern und den größtenteils finanziell desolaten Tierheimen Hilfe bringen. Bei einem Besuch des Dachauer Tierheims forderte Herbert Woerlein, tierschutzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, dass die Staatsregierung künftig eine Million Euro in die 81 Tierheime im Land investiert. Nach Dachau kam Woerlein, weil die Tierschützer in der Stadt sehr gute Arbeit leisten, wie er erklärte. Dennoch hat die Einrichtung erhebliche Geldsorgen: Die Unterdeckung bei den Fundtieren in den Jahren von 2001 bis 2013 bezifferte Silvia Gruber, Vorsitzende des Tierschutzvereins Dachau, auf 1, 8 Millionen Euro. "Das ist ein dicker Hund", sagte der SPD-Politiker.

Herbert Woerlein appellierte an die Kommunen im Landkreis, ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Der Besuch der SPD-Delegation fällt in die aktuelle Debatte über eine Erhöhung der Fundtierpauschale. Die Gemeinden im Landkreis zahlen bis auf zwei Ausnahmen einen Euro pro Einwohner. Hebertshausen, Petershausen und Schwabhausen lehnten jetzt eine Erhöhung um bis zu 50 Cent ab und kritisierten die Vergabepraxis des Tierheims. Demnach würden die Tierschützer Hunde und Katzen im Tierheim an der Roßwachtstraße "horten". Das wird gerne behauptet. Doch kann Silvia Gruber diesen Vorwurf leicht entkräften: Von 1176 Tieren im Jahr 2013 sind am Jahresende bis auf 84 alle vermittelt worden. "Ich habe sie nicht gegessen." Woerlein wünschte sich, wie er sagte, dass Kommunalpolitiker mit der Tierheimleiterin vernünftig reden und zuhören würden. Aber der SPD-Abgeordnete will nicht, dass alle Last allein auf die Gemeinden abgewälzt wird und sieht auch den Freistaat Bayern in der Pflicht. "Kein Steuercent fließt in Bayern in die Tierheime", sagte Woerlein. "Da werde ich schon ein bisschen rot." Tatsächlich zahlt der Staat in anderen Bundesländern Zuschüsse, etwa in Rheinland -Pfalz und Nordrhein-Westfalen unterstützen die Landesregierungen die ehrenamtlich tätigen Tierschützer und Kommunen. "Wir wälzen alles, was schiefläuft, auf die Tierheime ab." Bislang hätten die Tierschützer alles abgefangen, doch jetzt geht das nach Ansicht der SPD nicht mehr.

Tiere: Vielleicht bringt der Politikerbesuch im Dachauer Tierheim eine bessere Tierschutzpolitik. Beagle Gianno freut sich über ein neues Zuhause.

Vielleicht bringt der Politikerbesuch im Dachauer Tierheim eine bessere Tierschutzpolitik. Beagle Gianno freut sich über ein neues Zuhause.

(Foto: Niels Jørgensen)

Warum das so ist, legte Silvia Gruber vor dem Politiker und einem Filmteam von Sat 1 Bayern, das mit der SPD kam, detailliert dar. Die Zahl der Tiere steigt ungebremst, da immer mehr ärmere Leute - vor den Sommerferien und nach Weihnachten auch durchaus wohlhabendere Bürger - ihre Tiere auf der Straße aussetzen. Andere lassen ihr Haustier einfach beim Tierarzt, wenn ihnen die Behandlungskosten zu hoch sind oder stellen kranke Tiere im Koffer oder Karton gleich vor dem Tierheim ab. Dazu kommt eine große frei lebende Katzenpopulation, die sich ungehindert vermehrt. Gleichzeitig steigen die tierärztlichen Kosten der Heime, in Dachau liegen sie bei jährlich 100 000 Euro. Mit der gegenwärtigen Fundtierpauschale können diese Ausgaben nicht gedeckt werden. Gruber räumte mit einem weit verbreiteten Vorurteil auf: Tierärzte dürfen per Gesetz kein Tier einschläfern, wenn das nicht medizinisch angezeigt ist.

Das Dachauer Tierheim muss außerdem allein für die jährlichen Betriebskosten ungefähr 50 000 Euro aufbringen. Das ehrenamtliche Team, zehn Mitarbeiter, leistet jährlich 60 000 Überstunden und unterhält 24 Stunden lang einen Notdienst - ein Service, der in der ganzen Münchner Region kaum zu finden ist. Woerlein wunderte sich darüber, warum in der Öffentlichkeit der Irrtum vorherrsche, die Tierheime würden staatlich unterstützt. Auch die Fundtierpauschale, die von den Kommunen gerne als Zuschuss deklariert wird, ist eine Verpflichtung, da andernfalls die Gemeinden selbst für die Fundtiere zuständig sind. Der Tierschutzverein erhält noch Spenden, die aber laut Gruber rückläufig sind. Außerdem muss er die Fundtierpauschale komplett versteuern.

Tiere: Herbert Woerlein, tierschutzpolitischer Sprecher der SPD, Silvia Gruber, Vorsitzende des Tierschutzvereins, und Tierärztin Leonie Paasche.

Herbert Woerlein, tierschutzpolitischer Sprecher der SPD, Silvia Gruber, Vorsitzende des Tierschutzvereins, und Tierärztin Leonie Paasche.

(Foto: Niels Jörgensen)

Herbert Woerlein erklärte: "Wir sind da auf einem ganz unguten Weg." Der SPD-Politiker sieht diese Entwicklung auch unter einem ethischen Aspekt. Die Politik trage Verantwortung für die Schöpfung und die Kreatur. Wenn man illegalen Welpenhandel zulasse oder den Verkauf von Tieren in Baumärkten, dann müsse man auch die Tierheime stärken. "Denn es sind am Ende die Tierschützer, die alles ausbaden müssen", meinte Woerlein.

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