Theater:Porträt eines Paares

Theater: Bettina Redlich spielt Liesl Karlstadt und Katharina Brenner gibt bemützt Karl Valentin.

Bettina Redlich spielt Liesl Karlstadt und Katharina Brenner gibt bemützt Karl Valentin.

(Foto: Toni Heigl)

Liesl Karstadt und Karl Valentin - eine ungeheuerliche Beziehung

Von Dorothea Friedrich, Erdweg

Sein Buchbinder Wanninger, die Diskussion um Semmelknödel oder Semmelnknödeln ("Solang die Semmelnknödeln aus mehreren Semmeln gemacht werden, sagt man unerbitterlich: Semmeln-knödeln") und seine herrlich absurden Sprüche ("Die Zukunft war früher auch besser") sind längst in der bayerischen Alltagssprache angekommen. Ihr Erfinder war viele Jahre fast vergessen, seine Partnerin fand fast ebenso lange nur als Stichwortgeberin Erwähnung. Die Rede ist, Kenner wissen es längst, von Liesl Karlstadt, eigentlich Elisabeth Wellano, und Valentin Ludwig Fey, besser bekannt als Karl Valentin. Die beiden waren beruflich und privat mehr als 25 Jahre ein Paar, obwohl Valentin verheiratet war. Wie hält Frau die Beziehung mit einem hypochondrischen Misanthropen, der immer die erste Geige spielen will, aus? Welche Bedeutung hatte sie in Valentins Achterbahnleben? Diesen Fragen gingen Bettina Redlich als Liesl Karlstadt und Katharina Brenner als Karl Valentin am Samstag im Wirtshaus am Erdweg unter dem beziehungsreichen Titel "Halt aus, halt aus im Sturmgebraus" nach.

Organisiert hatte diesen hochkarätigen Abend der Kulturverein Erdweg. Mit Texten, Sketchen, Zitaten und anrührenden Briefen zeichneten die beiden renommierten Schauspielerinnen das Porträt eines Paares, das wie man heute sagen würde, nicht kompatibel war, bei dem aber möglicherweise zumindest auf Valentin (1882 - 1948) dessen eigener Ausspruch zutrifft: "Mögen hätt' ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut." Dabei traute er sich einiges: Er war ein Sprachsezierer erster Güte, ein melancholisch-abgründiger Weltbeobachter, einer, der die Menschen zum Lachen und Nachdenken brachte, ein Hasardeur in geschäftlichen Dingen - und wollte doch immer nur "Volkssänger" genannt werden. Aber er war auch ein Visionär. Sein bekannter Spruch "Fremd ist der Fremde nur in der Fremde" ist ja nur Teil einer Szene, die am Samstag unter die Haut ging. Sie hätte im Entstehungsjahr 1940 als Aufruf zur Toleranz interpretiert werden können und ist es 2017 tatsächlich: "Wenn ein Fremder einen Bekannten hat, so kann ihm dieser Bekannte zuerst fremd gewesen sein, aber durch das gegenseitige Bekanntwerden sind sich die beiden nicht mehr fremd. Wenn aber die zwei mitsammen in eine fremde Stadt reisen, so sind diese beiden Bekannten jetzt in der fremden Stadt wieder Fremde geworden. Die beiden sind also - das ist zwar paradox - fremde Bekannte zueinander geworden."

Liesl Karlstadt (1892 - 1960) war keineswegs "die Frau an seiner Seite", sondern eine begabte Sängerin und Komikerin. 1911 lernte sie Valentin kennen. Die Briefe aus jener Zeit sind voll romantischer, leidenschaftlicher Verliebtheit. Sie wurde seine Bühnen- und Lebenspartnerin, seine Ideengeberin, wohl auch seine Helferin in Krisensituationen. In der Weimarer Republik feierten beide ihre größten Triumphe. Als Valentin jedoch 1934/35 beider Vermögen mit seinem "Panoptikum" verspekulierte und sich auch noch eine viel jüngere Bühnenpartnerin nahm, war das zu viel für Liesl Karlstadt. Sie versuchte, sich das Leben zu nehmen, zog sich jahrelang aus der Öffentlichkeit und von Valentin zurück. Seine Briefe an sie aus jener Zeit sind dennoch voller Zuneigung und Besorgnis. Auch das "Halt aus, halt aus im Sturmgebraus" stammt aus einem dieser Briefe. Wobei leise Zweifel erlaubt sind, ob er damit nicht auch sich selbst gemeint haben könnte. 1948 traten Valentin und Karlstadt noch einmal zusammen auf. Ohne großen Erfolg. Liesl Karlstadt wurde in den Fünfzigerjahren eine beliebte Film- TV- und Theaterschauspielerin, die sich aus dem Schatten Valentins lösen konnte. Bettina Redlich zeigt Liesl Karlstadt als mutige, vernünftige, witzige Frau - aber auch als Frau, die an der exzentrischen Lebensweise ihres Partners zerbricht. Katharina Brenner ist ein glaubwürdiger Valentin. Sie spielt ihren Part so überzeugend in Mimik, Gestik und Habitus, dass man phasenweise glaubte, die unverkennbare Gestalt vor sich zu sehen. Die kluge Auswahl der Sketche und Couplets geriet so nicht zur Huldigung von zwei Großen der Komikerszene, sondern zeigte, wie sehr sich deren Leben in ihren Bühnenauftritten widerspiegelte. So bleiben vor allem die leisen Szenen in Erinnerung - etwa, wenn Karlstadt und Valentin philosophieren, wie man den anderen im Dunkeln sehen könnte oder fragen: "Horch', was riecht denn so?"

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