Theater in der Schranne:Schaurig heiter

Theater in der Schranne: Tobias Zeitz glänzt als Moritatensänger im Hoftheater.

Tobias Zeitz glänzt als Moritatensänger im Hoftheater.

(Foto: Toni Heigl)

Die neue Hoftheater-Spelunke

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Es ist ein seltsames Völkchen, das sich in der "Spelunke zur alten Unke" eingefunden hat. Musikus Parrucio (Max I. Milian) verschwindet hinter dem Flügel und wird für lustige zwei Stunden vorwiegend gehört. Madame Thénardier, die Spelunkenkassentante (Gudrun Wilk)sitzt im schwarzen Spitzenfummel, Zigarettenspitze zwischen den Fingern und allerlei Blingbling im Haar hinter ihrer Geldkassette. Ihren Stammplatz verlässt sie nur, um den mental zu Kreuze kriechenden Herren den rechten Weg zu weisen. "Bist du gut zu Mama, ist Mama gut zu Dir", rät (oder droht?) sie dem tenoralen Räuber Rinaldo (in Hotzenplotz-Verkleidung: Tobias Zeitz) und Spelunkenwirt Thénardier (Ansgar Wilk im Möchtegern-Al Capone-Outfit, auf der Bühne und im Leben ihr Ehemann). Den scharfen Blicken dieser Madame entgeht nichts. Wohl ein Grund, warum es sich Gumpp, ein herumgekommener und etwas heruntergekommener Geschichtenerzähler (Herbert Müller) im Abseits gemütlich gemacht hat.

Müller ist an diesem "feucht-fröhlichen-musikalisch-literarischen Abend", wie es in der Ankündigung heißt, Moderator und begnadeter Erzähler, vor allem, wenn er aus Werken von Bertolt Brecht, Charles Dickens, Wilhelm Hauff, Victor Hugo oder Carl Zuckmayer liest. Das ist prinzipiell schwere Kost an einem so leichtfüßig daher tänzelnden Abend. Doch gemeinsam mit Max. I. Milian hat Müller eigens für die Kulturschrannen-Auftritte des Hoftheaters diesen "Kriminaltango" zusammengestellt, eine Art Leporello der Kriminalgeschichte. Als Leitfaden dient "Berühmte Verbrecher" von Christiane von Beller, die von der Antike bis zur Gegenwart die bekanntesten Bösewichter skizziert.

Um die fast als Volkshelden verehrten Übeltäter wie den Räuber Kneißl oder die Piraten der Karibik haben sie einen weiten Bogen gemacht. Vielmehr stehen im musikalischen Teil Schlager, Musical und sogar ein wenig Oper (Mackie Messer aus der Dreigroschenoper) im Mittelpunkt. Ein echter Knüller ist Tobias Zeitz' Auftritt als Moritatensänger. Gestützt auf ein riesiges Holzschwert liefert er in Mimik, Gestik und Stimmlage eine urkomische Persiflage auf die Wagner-Sänger früherer Zeiten. Aus voller Brust beweint er mit tenoralem Gepränge das Schicksal des vom Goethe-Schwager Christian August Vulpius erfundenen Räubers Rinaldo Rinaldini.

Für die Bayern ist er ein nahezu Unbekannter, im Rheinland dagegen kennt ihn auch heute noch jedes Kind: Johannes Bückler, genannt der Schinderhannes. Er trieb im Hunsrück (zwischen Mosel und Rhein gelegenes Mittelgebirge und früher mindestens so verrufen wie die Oberpfalz) sein Unwesen. Der große Carl Zuckmayer hat ihm in seinem Sozialdrama "Schinderhannes" ein literarisches Denkmal gesetzt. Und den Banditen ebenso entzaubert, wie es hierzulande Schriftsteller mit Matthias Kneißl getan haben.

In dieser temporären Spelunke spielen also Klamauk, Komödie und Hochliteratur die ihnen angemessene Rolle. Und wie im wirklichen Kneipenleben verwischen sich irgendwann mögliche Gegensätze. Alles wird zum schönen Ganzen. Oder um es mit Carl Zuckmayer zu sagen: "Ich wollte Menschen vom Gefühl her auf dem Theater ansprechen, gegen die sogenannte neue Sachlichkeit, gegen das lehrhaft-politische Theater".

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