Theater am Stadwald:Ein teuflisches Spiel

Grandiose Bühnenbilder, prächtige Kostüme und aufwendige Technik: Mit "Lumpazivagabundus" verpackt das Theater am Stadtwald eine existenzielle Frage in eine märchenhafte Handlung.

Von Dorothea Friedrich

Theater am Stadwald: Der Tischler Leim (Korbinian Konwitschny, links) kommt mit einem Vermögen heim, was die Hochzeitsgesellschaft verblüfft.

Der Tischler Leim (Korbinian Konwitschny, links) kommt mit einem Vermögen heim, was die Hochzeitsgesellschaft verblüfft.

(Foto: joergensen.com)

Zuverlässigkeit, Pflichterfüllung, Treue. Klingt in Zeiten von Selbstverwirklichung und Hedonismus ziemlich altbacken. Doch sind die Ausbrecher, die Unangepassten, nicht besser dran? Johann Nepomuk Nestroy (1801 - 1862), den die Österreicher den "Alpen-Shakespeare" nennen, hat in seiner - trotz aller verbalen und szenischen Kracher - traurigen Komödie "Der böse Geist Lumpazivagabundus" diese existenzielle Frage in eine märchenhafte Handlung verpackt. Wie aktuell sie auch 180 Jahre nach der Uraufführung des Stücks ist, ließ sich am Samstagabend im Theater am Stadtwald beobachten.

Zum 60-jährigen Bestehen der Theatergruppe des ASV hatte Ernst Konwitschny grandiose Bühnenbilder, prächtige Kostüme, aufwendige Technik, mehr als 30 Darsteller sowie die Musikerinnen der Gruppe "Sialbecka Notendratza" aufgeboten. Sie alle spielten und sangen ihren Part in der Geschichte um Verführung und Verführbarkeit durch die Einflüsterungen des Lumpazivagabundus (Herbert Thurner). Der hintertreibt in der in blaues Licht getauchten Feenwelt die Erziehungsmethoden der Alten, animiert die Teenies, die Schule zu schmeißen und sich zu verschulden. Als Beherrscherin des Glücks tut Fortuna (Ingrid Zellner) alles, um die Jugend zu retten, doch die überschüttet sie mit Hohn. Die Youngsters leben nach der Devise des Lumpazivagabundus: "Was meine wahren Anhänger sind, die machen sich nicht so viel aus ihr (Fortuna). Kommt's Glück einmal, so werfen sie's beim Fenster hinaus, und kommt's noch mal, so treten sie's mit Füßen." Nur Hilaris (Alexander Langer) widersteht. Er liebt Brillantine (Michaela Sachs), die Tochter Fortunas. Aber für die Fee ist der Sohn eines Zauberers nicht standesgemäß. Um zu retten, was zu retten ist, mischt sich Frau von Amorosa, die Beschützerin der wahren Liebe (Gabi Betz), ein. Sie überredet Fortuna zu einer Wette: An drei Sterblichen, die dem Spiel, der Trunksucht und dem amourösen Abenteuer frönen, soll Fortuna zeigen, dass sie stärker ist als Lumpazivagabundus.

Das Schicksal trifft die eigentlichen Helden des Spiels: den dem Suff und der Astronomie verfallenen Schustergesellen Kniereim (genial besetzt mit Michael Blum), den Schneider Zwirn, einen ausgebufften Hochstapler im Kleinformat (Thomas Lehmeier) und den ob einer unglücklichen Liebe zu Depressionen neigenden, aber ansonsten ziemlich unbedarften Tischler Leim (Korbinian Konwitschny). In der Lotterie gewinnen die Handwerksgesellen mit traumhafter Unterstützung von Fortuna 100 000 Taler. Jeder zieht seines Wegs. Nach einem Jahr wollen sie sich wiedertreffen und berichten, wie es ihnen ergangen ist. Nicht gut, würde der Spießer über das Schicksal von Schneider und Schuster urteilen. Ersterer hat sein Geld verprasst und findet das toll. Der Zweite hat es in Unmengen von Alkohol umgesetzt - im sicheren Wissen, dass "der Komet kimmt" und sowieso alles zu Ende ist. Und der Tischlergeselle? Ist zum Gutmenschen mutiert, nebst Gattin, Schwiegervater, Bediensteten, edlem Porzellan und Kristall im Schrank der bürgerlichen Wohnstube. Das Ende der Parallelgeschichte: Fortuna hat es nicht geschafft, zwei ihrer "Opfer" nach ihren Maßstäben glücklich zu machen. Zähneknirschend muss sie ihre Niederlage eingestehen und der Verbindung ihrer Tochter mit Hilaris den Segen geben.

Was für ein Stoff, was für Turbulenzen! Das Ganze zudem in der Bearbeitung von Klaus Gmeiner in schönstem Bairisch. Da hätte es auf der Bühne drunter und drüber gehen müssen. Ging es auch - aber manchmal doch recht vordergründig in der partiell etwas behäbigen Inszenierung von Ernst Konwitschny. Hinter die Kulissen schaute Michael Blum als Schuster Kniereim. Er zeigte in seinen Couplets - ganz in der Tradition des Wiener Volkstheaters und im Sinne Nestroys - eine Welt am Abgrund. Und Herbert Thuners Lumpazivagabundus? Der weidete sich am Elend, das er verursacht. Die "himmlischen Mächte" blieben von alldem unberührt, betrachteten "die da unten" nur als Spielzeug. Ein Schelm, wer dabei an das aktuelle Zeitgeschehen denkt!

Weitere Vorstellungen: Freitag/Samstag, 8./9. November, Freitag/Samstag, 15./16. November, Freitag/Samstag, 22./23. November, jeweils 20 Uhr.

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