Erchana-Orchester:Antriebsfeder Musik

Erchana-Orchester: "Es ist doch spannend, sich weiterzuentwickeln", sagt Gudrun Huber.

"Es ist doch spannend, sich weiterzuentwickeln", sagt Gudrun Huber.

(Foto: Toni Heigl)

Mit viel Geduld und Liebe leitet die Geigenlehrerin Gudrun Huber das Erchana-Orchester. Um die 35 ambitionierten Laien zur Perfektion zu bringen, hat sie zuvor Dirigentenkurse belegt

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Die Ideen gehen Gudrun Huber nicht aus. Der lange Atem, den sie manchmal braucht, um ihre Pläne in die Tat umzusetzen, auch nicht. Ihr jüngstes Projekt: ein Jugendsinfonieorchester im und für den Landkreis. Am Sonntag, 25. September, ist Premiere im Ludwig-Thoma-Haus in Dachau. Eigentlich bürgerschaftliches Engagement genug, neben dem "Broterwerb" als selbständige Geigenlehrerin, der Familie mit Mann und drei Kindern und nicht zuletzt der Sorge für eine syrische Flüchtlingsfamilie, die schon länger in ihrem Haus zu Gast ist.

Doch Gudrun Huber kann nicht genug bekommen - von allem, was mit Musik zu tun hat. Sie ist zweite Vorsitzende des Vereins "Musik erleben in Dachau", leitet seit etlichen Jahren das Erchana-Orchester, sie hat vor gut einem Jahr das Erdweger Salonorchester gegründet und hat schon wieder neue Ideen. "Musik ist meine Antriebsfeder", sagt die 51-jährige. Nicht weil sie sollte, sondern weil sie wollte, nahm sie schon mit drei Jahren an der musikalischen Frühförderung teil. Und lernte zunächst Klavier, später Geige spielen. Auch ihr Studium drehte sich um Musik: Musikpädagogin für Klavier und Violine, Magister in Musikwissenschaft, Mediävistik und neuerer deutscher Literatur.

Junge Menschen im Blick

Dass ihre Eltern sie ganz selbstverständlich gefördert und unterstützt haben, empfindet sie immer noch als echtes Glück - und vielleicht als Motivation, sich besonders für Kinder und Jugendliche einzusetzen - weit über den Beruf hinaus. "Ich hatte schon immer das Bedürfnis, etwas mit Gruppen zu machen", ist ihre Erklärung für ihren vielfältigen persönlichen Einsatz in Sachen Musik. Dabei fing es Mitte der 1990er Jahre ganz bescheiden an: "Musik erleben" hieß seinerzeit noch "Verein zur Förderung der musikalischen Ausbildung" "und man hätte auch gut 'Musikerleben in Dachau' daraus machen können", sagt Gudrun Huber lachend, denn es seien hauptsächlich freischaffende Musiklehrer Vereinsmitglieder gewesen. Inzwischen stehen Ensemblespiel, Konzerte, die Förderung von Musikunterricht und begabter junger Menschen im Mittelpunkt.

Ein Aushängeschild ist das Erchana-Orchester. Heike Sohnemann und Barbara Uhlig sind von ihm so begeistert, dass sie es für den Tassilo-Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung vorschlagen. Mit dem Erchana-Orchester hat es eine eigene Bewandtnis. "Das war ein kleiner Kreis erwachsener Schüler, hauptsächlich Senioren. Der wollte Kammermusik machen", erinnert sich Gudrun Huber. Heute spielen 35 ambitionierte Laien in dem Dachauer Orchester mit - und die Streicher haben längst Verstärkung durch Schlagwerker bekommen. Für Dirigentin Huber eine echte Herausforderung.

"Es ist doch spannend, sich weiterzuentwickeln"

"Mein Hören musste sich verändern, ich wollte und musste Dirigentenkurse machen." Vielleicht doch eine Art Drang nach Perfektion? Das sieht Gudrun Huber anders: "Ich fand es immer toll, etwas Neues zu machen. Es ist doch spannend, sich weiterzuentwickeln." Diese Perspektiven will sie jungen Musikern ebenfalls eröffnen, zumal sie weiß, wie viel Geduld und Disziplin notwendig sind, um Geige spielen zu können - und wie wichtig die Anerkennung für die Stärkung des Selbstbewusstseins ist. Sie alleine zu lassen mit der manchmal frustrierenden Überei kommt für sie deshalb nicht infrage, "denn wenn man intensiv etwas zusammen macht, gibt das wahnsinnig viel". Da ist es nur logisch, dass sie nach allen Möglichkeiten sucht, um Schülerkonzerte veranstalten zu können.

"Der Aufwand ist manchmal sehr hoch. Da ist oft so viel Bürokratismus zu überwinden, dass man gar nicht mehr zum Musik machen kommt", sagt sie. "Es fehlen Räume für den Unterricht und auch für die Eltern. Und außer in Dachau muss man für alle Räume zahlen." Eine Musikschule habe diese Probleme nicht und biete zudem einen weiteren Motivationsschub für den Nachwuchs: "Es gibt jetzt Theorieprüfungen und speziellen Unterricht. Das beflügelt die Schüler, wenn sie dabei Erfolg haben. Als Privatlehrerin darf ich das ja nicht machen."

Erchana-Orchester: Die Musiker des Erchana-Orchesters.

Die Musiker des Erchana-Orchesters.

(Foto: Toni Heigl)

Proben und Konzerte in den Ferien

Salopp gesagt, kann sie aber ein eigenes Jugendsinfonieorchester gründen, von dem schon die Rede war. Es soll - wie das Erchana-Orchester - zu "Musik erleben in Dachau" gehören. "So etwas gibt es bisher im Landkreis nicht. Wenn die Jugendlichen Orchestererfahrungen sammeln wollen, müssen sie bis nach München fahren. Da sind sie oft erst sehr spät abends von den Proben zurück." Und das geht gar nicht, findet Gudrun Huber. Deshalb will sie Probenphasen und Konzerte möglichst in die Ferien legen. "Dann gibt es auch keine Konkurrenz oder Überschneidungen mit den Schulorchestern."

Was aber ist mit den Kindern im Landkreis, die keine Chance haben, ein Instrument zu lernen? Weil es in der Mittelschule keine Leihinstrumente gibt, weil die Eltern kein Geld und oder keinen Sinn für Musik haben? Da hat Gudrun Huber keine Patentlösung, aber eine Idee: "Da gibt es doch das Projekt 'Superar' in Österreich. Das ist so ähnlich aufgebaut wie El Sistema in Venezuela." Das inzwischen weltbekannte Projekt fördert vor allem benachteiligte Kinder und Jugendliche. Auch Dirigenten-Star Gustavo Dudamel war einst Sistema-Schüler. "Kinder bekommen von Superar die Instrumente gestellt und kommen dreimal die Woche zu einer zwei- bis dreistündigen kostenlosen Orchester- oder Stimmprobe. Das ist der gesamte Unterricht, und sie erzielen hervorragende Ergebnisse. So etwas würde ich mir für den Landkreis wünschen."

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