SZ-Talentiade:Mit dem Einrad um die Welt

Svenja Stronzik

Meisterin der Balance: Svenja Stronzik.

(Foto: Horst Kramer)

Die Dachauer Sportlerin Svenja Stronzik hat es in kurzer Zeit zu mehreren Meistertiteln gebracht

Von Horst Kramer, Dachau

Wie schafft sie das nur? Svenja Stronzik sitzt wie angegossen auf diesem seltsamen Gestell - unten ein Reifen, darüber ein Sattel, kein Lenker, keine Handbremse, kein Licht oder eine Klingel. Sie muss nicht balancieren oder wirkt irgendwie wackelig. Im Gegenteil: Die 15-Jährige und ihr Freestyle-Einrad bilden sozusagen eine techno-organische Einheit: Elegant kurvt Svenja durch die Halle an der Dachauer Steinstraße, malt mit den Armen Girlanden in die Luft. Im Hintergrund läuft "Rappin' through the Jungle" von Scott Fitzgerald, die Musik zu ihrer aktuellen Kür. Jetzt balanciert sie auf einem Bein - und fällt trotzdem nicht um. Nun trippelt das Mädchen sogar mit beiden Füßen direkt auf dem 20-Zoll-Reifen und zieht dabei einen Kreis durch die Halle. Ein artistisches Wunder.

Da, plötzlich ein Knall! Der Sattel ist samt Sattelstange auf den Boden gefallen. Ein Sturz? Nein - Svenja steht auf den Pedalen, grinst sich eins und schiebt den Sattel am Boden vor sich her. Fahrend beugt sie sich vor, hebt den Sitz wieder auf, setzt sich drauf und verschränkt beide Beine. Voilà!

Svenja Stronzik ist nicht einfach irgendeine Einrad-Fahrerin, so viel ist schon nach fünf Minuten Beobachtung klar, sondern eine außergewöhnlich talentierte. Vor Jahresfrist wurde die Gymnasiastin gleich zweimal Siebte der Weltmeisterschaften im baskischen San Sebastián: Einmal im Freestyle Einzel - eine Kür mit Musik -, einmal im X-Style Einzel - ein Wettbewerb, bei dem es nur auf Technik ankommt. Und mit dem Deutschen Kleingruppen-Nationalteam (mit fünf Einradlerinnen) holte sie sogar WM-Bronze. Übrigens: Einrad mag zwar im Sportfernsehen keine große Rolle spielen, ist aber durchaus populär; in San Sebastián traten mehr als 4000 Sportlerinnen und Sportler aus allen Kontinenten an.

In ihrer jeweiligen Altersklasse wurde die junge Dachauerin schon mehrfach Deutsche, Bayerische und Oberbayerische Meisterin und Vizemeisterin im Einzel. Weitere Titel und Medaillen holte sie in der Paarkür (mit ihren Partnerinnen Emma Stremplat und Lena Kasteneder), mit der Kleingruppe und mit der Großgruppe. Svenjas Erfolge sind zu zahlreich, als dass sie hier im Detail verzeichnet werden könnten. Obwohl sie erst seit vier Jahren an Wettkämpfen teilnimmt.

Dass die Gymnasiastin eine erfolgreiche Einrad-Sportlerin wurde, ist reiner Zufall: Vor sechs Jahren schlenderte ihre Mutter Annette Buchhaupt über einen Flohmarkt und stieß auf ein gebrauchtes Einrad. Buchhaupt erinnerte sich wohl an ihren eigenen Kindheitstraum - als Einrad-Artistin einmal im Zirkusrampenlicht stehen - und nahm das Gerät kurzerhand mit. Nicht für sich, sondern für ihre Tochter: "Das könnte Svenja gefallen."

Was der Neunjährigen durch den Kopf schoss, als sie an ihrem Geburtstag ein Einrad erblickte, ein Fahrgerät, von dessen Existenz sie bis dahin nicht einmal wusste, lässt sich nicht so genau rekonstruieren. Annette Buchhaupt spekuliert: "Vermutlich dachte sie, dass ich spinne." Svenja antwortet mit einem Augenzwinkern: "Nein, überhaupt nicht! Ich fand es richtig cool." Dennoch musste das Rad zwölf Monate im Keller auf seinen ersten Einsatz warten, es war einfach zu groß für den angehenden Teenager. Die ersten Fahrversuche im Jahr darauf waren mühselig, wie sich Svenja erinnert: "Mit der einen Hand stützte ich mich an der Garagentür ab, mit der anderen an einem Elternteil."

Doch dann ging alles sehr schnell: Schon nach einem Jahr Training in der frisch gegründeten Einrad-Gruppe des ASV Dachau nahm sie an den ersten Bewerben teil und wurde unter anderem Fünfte im Einzel bei den Bayerischen Meisterschaften und Deutsche Meisterin in der Großgruppe. Einer der Gründe für ihren schnellen Erfolg: Svenja ist eine gelernte Turnerin (wie ihre Mutter), sie tanzte als Kind und reitet zudem seit einigen Jahren.

Im Jahr 2015 schaffte die damals 13-Jährige den Durchbruch: Bei allen Meisterschaften stand sie auf dem Treppchen und gewann schließlich sogar den Einzelwettbewerb bei der WM-Qualifikation in Norderstedt bei Hamburg. Dass sie eines Tages mit dem Einrad zu Weltmeisterschaften oder wie im kommenden August zu Europameisterschaften fahren würde, das hätten weder Svenja noch ihre Eltern je erwartet. Und diesmal klingt es sehr überzeugend, wenn die junge Spitzensportlerin sagt: "So etwas ist wirklich cool."

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