Sagen und Mythen:Die weiße Frau von Odelzhausen

Schloß Odelzhausen

Imposant schaut es aus, das Schloss Odelzhausen, auch wenn Teile halb verfallen sind.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Die Alten kennen die Geschichte noch aus dem Heimatkundeunterricht, viele fürchteten sich vor dem Spuk im Schloss, manch einer nutzte die Sage offenbar auch zu seinem Vorteil, doch heute können sich nur noch wenige an sie erinnern

Von Renate Zauscher, Odelzhausen

Im Schloss Odelzhausen - oder dem, was davon noch übrig ist - spukt es! Es ist noch gar nicht so lange her, da wusste jedes Kind im Ort von der weißen Frau. Lehrer vom alten Schlag, die noch ganz in der Gemeinde verwurzelt waren, erzählten im Heimatkundeunterricht nicht nur von Fakten und Daten, sondern auch von örtlichen Sagen und Legenden und machten mit ihren Schützlingen Ausflüge zu den Schauplätzen dieser Geschichten.

Wer sich heute auf die Suche nach der weißen Frau macht oder nach Menschen, die noch von ihr wissen, hat Schwierigkeiten, der Spukgestalt und der Erinnerung an sie auf die Spur zu kommen. Irma Eser, die 1996 verstorbene Tante des heutigen Schlossgutbesitzers Hans Eser, wusste noch von der weißen Frau und hat dem früheren Kreisheimatpfleger und Sagensammler Alois Angerpointner vor rund einem halben Jahrhundert von ihr erzählt.

Das Schlossgespenst soll demnach in zweierlei Gestalt unterwegs sein. Als weiße Frau überbringt sie die gute Nachricht von einer bevorstehenden Geburt im Schloss, als schwarze Frau dagegen kündigt sie einen zu erwartenden Todesfall an. Die erste Begegnung mit ihr soll ein einstiger Schlossgärtner gehabt haben. Als er nachts aus dem Wirtshaus heimkehrte, sah er der Sage nach die schwarze Frau an einem Fenster des Schlosses stehen. Er rief zu ihr hinauf und fragte nach ihrem Begehr, sie aber wandte sich wortlos ab und verschwand. Am nächsten Tag starb die Schlossherrin, so erzählt man es sich jedenfalls.

Bezeugt hat die Geschichte laut Irma Eser eine Odelzhauserin namens Anna Seitz, die vor mehr als einem Jahrhundert gelebt hat, zu einer Zeit also, als das einst prächtige, 1936 abgerissene Barockschloss noch existierte und als der Schlossbesitzer sich noch Bedienstete wie den Schlossgärtner leisten konnte.

Wer heute vor den Resten des Schlosses steht, einem imposanten Turm und daneben die Ruinen ehemaliger Nebengebäude, der kann sich gut vorstellen, dass es hier spukt. Zwar ist der Turm heute schön restaurierter Bestandteil des Schlosshotels von Ursula Kohn, und der weitgehend verfallene Gebäudetrakt daneben hat vor ein paar Jahren ein neues Dach bekommen, um ihn so vor dem endgültigen Verfall zu retten. Gespenster aber könnten, was die Anmutung des Ortes angeht, hier durchaus immer noch umgehen.

Die heutigen Bewohner der Gebäude auf dem Areal des Schlossguts lassen sich von solchen Geschichten nicht schrecken. Gertraud Eser, die Mutter von Ursula Kohn und Hans Eser erzählt, dass sie bei ihrer Heirat mit Karl Eser "von Geistern nichts gewusst" und die Sache mit der weißen Frau später, so wie die übrige Familie auch, eher als Jux, als Gaudi betrachtet hat. 1963 hatten die Freunde des Nationaltheaters aus München Odelzhausen und sein gutes Bier entdeckt und in der Schlossbrauerei den Operator als offiziellen Trunk für die Wiedereröffnung des Nationaltheaters brauen lassen. In dieser Zeit sei im Schlossbräustüberl häufig gefeiert worden, erinnert sich Gertraud Eser, und da sei dann regelmäßig eine langjährige Bedienung, in weiße Laken gehüllt, zur Belustigung der Gäste als weiße Frau erschienen.

Aber auch schon früher, zu Zeiten als zwischen 1835 und 1851 das Schloss noch Elisabeth Freifrau von Mettingh gehörte, derselben, die einer anderen Legende zufolge die Ansiedlung von Holzarbeitern im heutigen Sixtnitgern "nicht gern gesehen" und somit den Namen des Ortes geprägt hat, musste die weiße Frau für fragwürdige Zwecke herhalten. Frau von Mettingh nämlich, berichtet Alois Angerpointner, habe sich mit dem Gedanken getragen, das Schloss samt Feldern und Wäldern zu verkaufen. Ein benachbarter Hofbesitzer, der damalige Brembauer, nach anderer Schreibweise "Brenn"- oder auch "Prödenbauer", Anton Bader, soll am günstigen Erwerb von Ackerflächen interessiert gewesen sein und einem schnellen Verkauf auf seine Weise nachgeholfen haben. Mit den Geistergeschichten von der weißen Frau, mit nächtlichem Rumoren im Hof, schlagenden Fensterläden und schließlich sogar einem Schuss ins Schloss hinein, soll er versucht haben, der Freifrau ihren Besitz zu verleiden. Er scheint sein Ziel erreicht zu haben: 1851 veräußerte sie das Gut, zu dem auch die heutigen "Augsburger Wälder" gehörten, an die Paritätische Spitalstiftung der Stadt Augsburg, die Teile davon sehr bald weiterverkauft hat.

Mit Anton Bader aber nahm es nach Überlieferung von Angerpointner und der Dorfchronik von Franz Keiner Jahre später ein böses Ende. Bei der Beerdigung seiner Tochter, die auf der Hochzeitsreise nach Rom an Typhus verstorben war, traf den Bader am offenen Grab der Schlag, wenige Tage später starb er. Schon während seiner Aufbahrung in der Schlosskapelle ging es offenbar nicht mit rechten Dingen zu: Die Menschen nahmen merkwürdige Geräusche und das seltsame Wehen eines unerklärlichen Windes wahr. Manche von ihnen wollten tatsächlich die schwarze Frau gesehen haben.

"Das Merkwürdigste aber", berichtet Angerpointner, "passierte bei seiner Leich": Just als der Sarg von Anton Bader ins Grab gesenkt werden sollte, sei ein Teil der alten Friedhofsmauer unter dem Andrang der Neugierigen eingestürzt. Die Odelzhausener wussten, was sie davon zu halten hatten: "Den hoat itzt da Deifi no in d'Höll neidruckt" lautete nach Überlieferung von Angerpointner der Kommentar der Menschen zum düsteren Geschehen.

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