SZ-Serie: An der Amper:Herzensangelegenheit

Grafrath: HOCHWASSER - Ampermoos

Nur noch im Ampermoos südlich von Grafrath kann sich die Amper richtig ausbreiten.

(Foto: Johannes Simon)

Veronika Pokorny ist Gebietsbetreuerin für das Ampertal. Die Biologin hat nicht nur wissenschaftliches Interesse, sondern fühlt sich auch mit der Natur verbunden.

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck/Dachau

Die Eisvogelwand am Amperstausee in Fürstenfeldbruck ist schon einige Jahre alt. Vom gegenüberliegenden Ufer aus ist das Gebilde gut sichtbar, aber schwer erreichbar und wird darum von Veronika Pokorny für Führungen genutzt. Solche Wände bestehen aus einem Fundament aus Beton, darauf sind Pfosten und ein Holzkasten befestigt, der mit Sand gefüllt ist. Eine Seite der Kiste ist mit einem Drahtgitter versehen und verputzt, Rohre stecken in zwei Löchern. Solche Eisvogelwände sollen nachahmen, was die Tiere normalerweise an Steilufern von Flüssen vorfinden. Dort graben sie bis zu einem Meter tiefe Löcher und legen in der hintersten Ecke ihre Eier. Solche Steilufer gibt es jedoch kaum an Flüssen, die begradigt und deren Ufer befestigt sind, sagt Pokorny, die Gebietsbetreuerin im Ampertal ist.

Die Biologin ist im Abschnitt zwischen dem Ampermoos bei Grafrath und der Grenze zwischen den Landkreisen Dachau und Freising im Norden im Einsatz. Sie ist eine von 36 Gebietsbetreuern in ganz Bayern, die an besonders schönen und gefährdeten Stellen für einen sensiblen Umgang mit der Natur werben sollen. Zu erkennen sind die Gebietsbetreuer an hellgrünen Jacken, versehen mit allerlei Logos, die auf die Geldgeber verweisen. Im Ampertal sind die Landschaftspflegeverbände von Bruck und Dachau die Träger der Maßnahme. Finanziert wird die Halbtagsstelle aus Mitteln des europäischen Sozialfonds, des bayerischen Naturschutzfonds sowie vom Bezirk Oberbayern. Das blaue Sternenbanner Europas, das auf der Dienstjacke prangt, wird Pokorny demnächst entfernen oder überkleben, weil die EU die Förderung im März eingestellt hat.

Bruck: Veronika Pokorny - Naturschutz / Gebietsbetreuerin Ampertal

Veronika Pokorny ist Gebietsbetreuerin für das Ampertal.

(Foto: Johannes Simon)

Ihre Aufgabe ist Öffentlichkeitsarbeit. Sie veranstaltet Führungen und Wanderungen für Erwachsene, Jugendliche und Kinder, zeigt ihnen Tiere und Pflanzen, schreibt Artikel und gestaltet Broschüren. "Die Menschen für den Naturschutz sensibilisieren, sie für das Naturkleinod vor ihrer Haustüre begeistern", so beschreibt sie ihre Arbeit. Ihr Büro ist im "Grünen Zentrum" im Brucker Ortsteil Puch, wo der Pflegeverband residiert. So oft sie kann, geht Pokorny raus. "Es ist nicht so oft, wie ich gerne möchte", sagt sie.

Auf die Frage nach dem Besonderen der Amper, erklärt Pokorny, dass Flüsse Verbundachsen sind. Unterschiedliche Arten können sich entlang der Flussläufe ausbreiten. Verschiedene Lebensräume sind miteinander verbunden, in denen viele Tiere und Pflanzen leben. Da spricht die Wissenschaftlerin, aber für die 31-Jährige ist das Ampertal eine Herzenssache. "Ich bin einfach ein Naturfreund. Ich schaue jede Pflanze und jedes Tier am Wegesrand an, es verzaubert mich einfach und es gibt so viel zu entdecken", sagt Pokorny. Ihre besondere Verbundenheit drückt sie in Gedichten aus, mit denen sie für das Ampertal wirbt. Vier hat Pokorny bereits verfasst und arbeitet an einem fünften, das den Fluss und seine Bewohner im Frühsommer thematisiert. Der Film- und Fotoclub Fürstenfeldbruck will dazu einen Film machen.

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Als Schülerin hat sie sich nicht sonderlich für die Umwelt interessiert, erst nach dem Abitur kam sie auf den "Naturtrip", wie sie es nennt. Pokorny studierte Biologie in München, wollte aber nicht in die Forschung gehen. Sie arbeitete bei der Regierung der Oberpfalz in der Höheren Naturschutzabteilung, bevor sie die Stelle als Gebietsbetreuerin bekam, die für sie ein Glücksfall ist. Obwohl es ihr in Regensburg gut gefallen hat, wollte sie zurück nach Gröbenzell, wo sie aufgewachsen ist.

Bei aller Begeisterung ist ihre Arbeit ein Spagat. Sie soll Interesse wecken, lockt aber auch rücksichtlose Zeitgenossen an. In Dachau wurde sie darauf aufmerksam, dass eine Frau auf einer Wacholderweide einfach Orchideen, die geschützt sind, ausgrub und mitnahm. Die Standorte der beiden anderen Eisvogelwände, die der Landschaftspflegeverband und der Landesbund für Vogelschutz an der Amper aufgestellt haben, sind darum geheim.

Das Ampertal ist FFH-Gebiet und steht im Landkreis Fürstenfeldbruck unter Naturschutz. Eingriffe werden dennoch genehmigt, wenn sie in überwiegendem öffentlichen Interesse stehen, wie die juristische Formel heißt, hinter der sich Straßen, Aussiedlerhöfe oder Gewerbegebiete verbergen können. Zur Gewissensberuhigung gibt es dann Ausgleichsflächen.

Kaum zu reparierende Eingriffe

Bereits im Mittelalter legten Müller an der Amper eigene Kanäle mit Wehren an, um den Fluss für sich zu nutzen. Allerdings waren das bescheidene Eingriffe im Vergleich zu dem, was noch kommen sollte. An der Amper beginnt das große Zeitalter der Regulierung mit der Elektrizität. 1891 entstand das erste Kraftwerk bei Schöngeising. Größere Maßnahmen fanden in der Zeit der Weimarer Republik und während des Nationalsozialismus statt. Hunderte Arbeiter waren vom Herbst 1933 an in Olching im Einsatz. Sie baggerten das Flussbett aus, befestigten Sohle und Ufer und schütteten einen zweieinhalb Meter hohen Damm auf. Zwischen Schöngeising und Fürstenfeldbruck wurde die Amper ebenfalls "korrigiert", in Fürstenfeldbruck besonders im Bereich der Eisenbahnbrücke. Es wurden Dämme gebaut, Gräben ausgehoben, sogar Betonwände eingezogen. Die NSDAP rühmte sich der Arbeitsbeschaffung im Bezirk. An der Wand eines neuen Grabens säten Arbeiter Gras in Form eines Schriftzuges: "Adolf Hitler gibt Brot." Der Streit um das Ampermoos, das zugunsten der Landwirtschaft komplett ausgetrocknet werden sollte, begann 1935. Landrat Karl Sepp, ein konservativer Naturschützer, bremste und erreichte einen Kompromiss. Der Grundwasserspiegel wurde um 25 Zentimeter abgesenkt, die Nutzung von Streuwiesen und Randlagen ermöglicht. Dennoch starben erste Tierarten, wie der Rotschenkel, eine Schnepfenart, aus. Seit 1985 kämpfte eine Bürgerinitiative um Robert Volkmann aus Inning (Landkreis Starnberg) für die Wiedervernässung und gegen manche Anwohner und CSU-Umweltminister. Nach einem Vierteljahrhundert erreichten sie, dass bei Grafrath eine Sohlschwelle gebaut wurde, die den Pegel der Amper wieder erhöht und das Austrocknen des 600 Quadratmeter großen Naturschutzgebietes verhindern soll. bip

Die einst ausgedehnten Flusssysteme mit ihren vielen Seitenarmen, Inseln, Tümpeln, Auwäldern und Feuchtwiesen verschwanden, als die Flüsse reguliert und in enge Betten gezwängt wurden. Mäander wurden abgeschnitten, um landwirtschaftliche Flächen zu gewinnen, damit wurde die Amper verkürzt und die Fließgeschwindigkeit beschleunigt. Der Eisvogel braucht aber zum Fischen Abschnitte, die flach und ruhig sind. Der Laubfrosch steht auf der roten Liste, weil er kaum noch Feuchtwiesen sowie isolierte und von der Sonne beschienen Mulden und Tümpel findet, in denen keine Fische leben, die seinen Laich fressen.

Viele Streuwiesen wurden in Äcker umgewandelt. Früher mähten die Bauern im Herbst diese Wiesen wegen des Einstreus für die Ställe. In der industriellen Landwirtschaft macht das keiner mehr. Die wenigen Streuwiesen, in denen Orchideen oder die silberne Schwertlilie zu finden sind, wo Kiebitz und Wiesenbrüter leben, werden heute von Naturschützern gepflegt, sonst würden sie verschwinden, weil Büsche und Sträucher wachsen würden. Von den großen Auwäldern sind spärliche Reste geblieben, die nicht mehr in der Lage sind, das Hochwasser aufzunehmen. Dabei wären solche natürlichen Rückhaltegebiete der beste Schutz gegen Überschwemmungen.

Ein bisschen was kann man trotzdem bewegen, findet Pokorny. Zusammen mit dem Landesbund für Vogelschutz initiiert sie Artenschutzprojekte. Sie verweist auf die Wiederansiedlung des Bibers an der Amper. Für sie ist das eine Erfolgsgeschichte, auch wenn ihr bewusst ist, dass manche Zeitgenossen im Biber eher ein Problemtier sehen. "Er spaltet die Menschheit, man mag ihn oder hasst ihn, je nach Interessenlage", stellt Pokorny fest. Immerhin bekommen Bauern eine Entschädigung, wenn der Biber ihr Feld geflutet hat. Zusammen mit dem Fischereiverband in Dachau bemüht sich Pokorny um Kiesbänke für Fischarten, die dort laichen. Auch allerlei Insektenlarven oder der Flussregenpfeifer finden sich dort. Solche Kiesbänke entstehen nicht mehr von selbst, weil die Amper nicht mehr mäandert und die Ufer auswäscht. Weniger Begeisterung löst bei den Fischern dagegen der Eisvogel aus, weil er sich wie Gänsesäger und Kormoran von Fischen ernährt. "Es geht darum, ein vernünftiges Miteinander zu finden."

SZ-Serie: An der Amper: Damit sich der Eisvogel wieder ansiedelt, bauen Vogelschützer Nistwände.

Damit sich der Eisvogel wieder ansiedelt, bauen Vogelschützer Nistwände.

(Foto: Veronika Pokorny)
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