Einsatz für die Gesellschaft:Überzeugte Demokraten

Dankbarkeit bekommen sie für ihr Ehrenamt selten zu spüren. Stattdessen brauchen sie ein dickes Fell: die Stadträte Luise Krispenz und August Haas.

Von Viktoria Großmann, Dachau

Das Ponyreitverbot, das war so ein Erfolg. Etwas, bei dem Luise Krispenz spüren konnte, dass sie etwas bewegen kann als ehrenamtliche Stadträtin im Dachauer Rathaus. Sie hatte sich informiert, mit Tierärzten und Reitstallbetreibern gesprochen, sie hatte gute Argumente. Argumente, mit denen sie auch Kollegen anderer Fraktionen überzeugte.

August Haas von der CSU hingegen ist stolz darauf, im Stadtrat einen Beschluss durchgesetzt zu haben, laut dem geprüft werden sollte, ob das Geländes der griechischen Schule in Mitterndorf als Standort für eine Flüchtlingsunterkunft geeignet ist. Ein Krach zwischen SPD und CSU war die Folge.

Interessenpolitik könnte man sagen. Typisch Grüne, setzen ihre Tierschutzmacke durch. Und die CSU? Ach, wollte eben der SPD eines auswischen. Soll man ihnen dafür noch dankbar sein?

Ja. Stadtrat zu sein ist ein Ehrenamt. Wer es annimmt, verpflichtet sich auf sechs Jahre. Einfach aufhören oder reduzieren, weil man keine Lust mehr hat oder keine Zeit, das geht nicht. Das Amt zurückgeben darf man nur, wenn ernsthafte gesundheitliche Gründe vorliegen oder wenn man umzieht. Man muss es abgeben, wenn man - wie kürzlich CSU-Stadtrat Christian Stangl - einen Job bei den Stadtwerken oder einem anderen städtischen Unternehmen annimmt.

Einsatz für die Gesellschaft: Stadt Dachau Rathaus Informationsveranstaltung zum Thema Asyl Mitterndorf npj/Foto: Jørgensen

Stadt Dachau Rathaus Informationsveranstaltung zum Thema Asyl Mitterndorf npj/Foto: Jørgensen

(Foto: joergensen.com)

Stadtrat zu sein ist kein gänzlich unbezahltes Ehrenamt. Es gibt Sitzungsgeld und monatliche Aufwandsentschädigungen. Insgesamt könnten vielleicht 7000 Euro im Jahr zusammenkommen. Nicht schlecht. Aber auch nicht genug, um davon zu leben. Und sicher nicht der Grund, nicht einmal der Anreiz, so ein Amt auf sich zu nehmen, sagt Luise Krispenz.

Sie ist 26 Jahre alt und bereits in der zweiten Periode im Stadtrat, mit 18 Jahren wurde sie das erste Mal gewählt. Warum hat sie das gemacht? "Ich weiß, ich kann etwas mitentscheiden. Es fehlt die Machtlosigkeit", sagt die Studentin. "Auch wenn es in der Realität sehr viel zäher ist, als man vorher dachte." Sie hat gelernt, es sind die Kleinigkeiten, an denen man die eigenen Erfolge misst. Eine zusätzliche Glastonne im Viertel, eine Baumfällung weniger, solche Dinge.

Das Ehrenamt aller Ehrenämter

Für August Haas ist der Stadtrat das Ehrenamt aller Ehrenämter. Denn es sei das einzige legitimierte Ehrenamt, das einzige, in das man gewählt werde. Haas ist 54 Jahre alt, mit 16 trat er in die Junge Union ein, Helmut Schmidt war Kanzler, 1980 wollte Franz Josef Strauß es werden, "es gab politisch etwas zum Reiben".

Jetzt sitzt Haas seit knapp 20 Jahren in der CSU-Fraktion, mit dem zweitbesten Stimmenergebnis. "An Einfluss bringt das nichts", sagt er, aber gefreut hat es ihn schon. Zur Zeit ist er Referent für Liegenschaften und Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses. Ein sehr leises und kaum bemerktes Amt, wie er sagt. Aber eines, das er als früherer Finanzbeamter gerne macht. Einmal im Jahr werden ihm die Haushaltsunterlagen der Stadt übersendet, und Haas prüft, ob alles seine Richtigkeit hat, ob nichts verschwendet wurde. "Da ist meistens eine Woche hin", sagt er.

Der Dachauer Stadtrat

Die 40 gewählten Dachauer Stadträte bilden gemeinsam mit dem Oberbürgermeister die Vertretung der Bürger im Rathaus. Ihr Amt treten sie für sechs Jahre an. Während diesen treffen sie sich außer in der Ferienzeit einmal, manchmal auch zweimal im Monat normalerweise dienstagabends im Rathaus zu einer öffentlichen Sitzung. Hinzu kommen regelmäßige Sitzungen in den Ausschüssen: im Haupt- und Finanzausschuss, dem Bauausschuss, dem Umwelt- und Verkehrsausschuss, dem Familien- und Sozialausschuss, dem Kulturausschuss und dem Werkausschuss. Auch diese Sitzungen sind öffentlich. Die Stadtratsmitglieder gehören meist ein oder zwei verschiedenen Ausschüssen an.

Für ihre Tätigkeit erhalten sie eine monatliche Aufwandsentschädigung von 210 Euro, Freiberufler erhalten zusätzlich eine Ausfallpauschale von 35 Euro für die Stunde. Hinzu kommen 95 Euro Sitzungsgeld (egal, wie lange es dauert) und schließlich einen Zuschlag für Referenten und Fraktionsvorsitzende von noch einmal 95 Euro.

Wer sich aufstellen lässt, muss spätestens am Wahltag 18 Jahre alt und damit volljährig sein. Stadt- und Gemeinderäte können sich unbegrenzt wiederwählen lassen. Besonders für junge Menschen kann das ein attraktives Ehrenamt sein, denn sie lernen schnell den politischen Betrieb kennen - und sie haben wenig Konkurrenz. Nachwuchs wird von fast allen Parteien dringend gesucht. Bei den meisten Parteien gilt ein Mindestbeitrittsalter von 14 Jahren, aber auch Parteilose können sich zur Wahl stellen. vgr

Zu den Ausschusssitzungen, von denen es etwa zwei bis vier im Monat gibt, kommen die Stadtratssitzungen, ein- bis zweimal im Monat und obendrein Fraktionssitzungen, 40 Mal im Jahr. Die Dachauer Fraktionen treffen sich üblicherweise montagabends. Dann werden die Positionen zu verschiedenen Themen besprochen. Nicht jeder kann sich in jedes Thema gleichermaßen einarbeiten. Größere Fraktionen tun sich leichter als kleine, in der sich die Arbeit auf weniger Köpfe verteilt. "Regieren hab' ich wollen", sagt Haas lachend, wenn er sich an seine Jugend erinnert. Heute weiß er, es geht ums Gestalten, nicht nur der Geschicke der Stadt, sondern auch der Position seiner Fraktion.

Die CSU-Fraktion hat 15 Mitglieder, die Grünen-Fraktion nur vier. Die Stadträte müssen sich durch zum Teil ziemlich dicke Vorlagen durcharbeiten und nicht selten in sehr langen Sitzungen ausharren. Angestellte müssen sich von ihren Arbeitgebern befreien lassen. Landwirt Haas als Freiberufler und Studentin Krispenz müssen sich ihre Zeit entsprechend einteilen. "Stadtrat und Universität, das hat sich gegenseitig positiv beeinflusst", sagt Luise Krispenz. Ein "empfehlenswertes Ehrenamt" sei es, gerade für junge Leute. Im Stadtrat habe sie schnell die Angst vor dem freien Sprechen überwinden müssen. "Bevor man den Mund aufmacht, sollte man wissen, was man will. Beziehungsweise, wissen, was man wissen will", sagt sie. "Man lernt, Entscheidungen zu treffen, zu denen man stehen muss." Und man muss sich eine dicke Haut zulegen.

Dankbarkeit dürfen Stadträte kaum erwarten

Das klassische Ehrenamt ist ein fürsorgliches, ein helfendes. Es lebt vom selbstlosen Einsatz für andere. Der Lohn? Fast alle der Caritas-, BRK-, Hausaufgaben- und Hospizhelfer sagen, die Dankbarkeit der Menschen, das sei ihr schönster Lohn. Doch Dankbarkeit kann man für das Ehrenamt Stadtrat kaum erwarten, das haben Haas und Krispenz beide erfahren. Im besten Fall wird man gar nicht wahrgenommen, im anderen macht man sich unbeliebt. "Es ist ein innerer Antrieb, mitzumischen", sagt Krispenz.

Den verspürt auch Haas und noch etwas verbindet sie - übrigens auch mit vielen anderen Ehrenamtlichen: Der Wille, sich in der Gesellschaft einzubringen, wird offenbar vererbt. Luise Krispenz wurde über ihre Eltern mit der Parteiarbeit für die Grünen vertraut. Schon als Schülerin hat sie in der Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in der Kufsteiner Straße Hausaufgabenhilfe angeboten, zehn Jahre sortierte sie in der Stadtbücherei Ausleihen und Rückgaben. Auch Haas wuchs in einem politischen Elternhaus auf. Der Vater, erinnert er sich, führte ein offenes Haus, an Sonntagvormittagen trafen sich Freunde, Bekannte, Verwandte, alle politischen Richtungen seien vertreten gewesen. "Das hat mir gefallen", sagt er.

Er ist nicht der erste in der Familie, der ein politisches Amt übernimmt. Bürgermeister, Gemeindekämmerer - das gehört in seiner Familie dazu. Verantwortung übernehmen, mitreden, das ist Haas ein grundsätzliches Anliegen. Er möchte nicht Mitglied "im Egoistenclub Deutschlands sein". Wenn man sich engagiert, dann soll man das "freiwillig, gerne und langfristig" tun und nicht erst dann, wenn einem etwas vor der eigenen Haustür nicht passt. Aber auch der Stadtratssitz dürfe kein Selbstzweck sein. Haas wurde gewählt, so glaubt er, weil die Leute ihn kennen. Als Händler, als Landwirt. Manche ließen sich für den Stadtrat aufstellen, weil sie sich berufliche Vorteile versprächen. Das hält Haas für den falschen Weg.

Luise Krispenz hat sich nicht daran gewöhnt, dass manche Sitzungen im Rathaus eher zu "Profilierungsgremien" geraten als zu sachlichen Debatten. Freiwillig und gerne geht auch sie ihr Ehrenamt Stadtrat an. Aber langfristig? Krispenz fände eine Beschränkung auf maximal zwei Wahlperioden nicht schlecht. "Sonst hält man sich irgendwann für unverzichtbar." Und unverzichtbar ist kein Einzelner, unverzichtbar ist nur die Meinungsvielfalt.

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