SZ-Benefizkonzert:Swingender Humor

Das Julia-von-Miller-Quartett und SZ-Chefredakteur Kurt Kister gestalten eine weihnachtliche Besinnung in Dachau. Sie wird Ironie und Off-Beat der legendären Jazz-Ära miteinander verbinden.

Von Wolfgang Eitler

SZ-Benefizkonzert: Julia von Miller sagt über sich: "Den Swing kann meine Stimme gut."

Julia von Miller sagt über sich: "Den Swing kann meine Stimme gut."

Zarah Leander singt lächelnd: "Kann denn Liebe Sünde sein?" Julia von Miller interpretiert das Lied ohne den Anflug von Frivolität in der Komödie "Der Blaufuchs" aus dem Jahr 1938. Denn im Gegensatz zum dunklen Alt der Leander ist ihre Stimme hell und klar; sie gleicht einem Mezzosopran. "Mädchenhaft", sagt sie über sich selbst. Außerdem kennt sie die Geschichte des Autors, des bekennenden Homosexuellen Bruno Balz. Er entging dem Gestapo-Gefängnis, weil er für Zarah Leander innerhalb von gerade mal 24 Stunden zwei Hits schrieb: "Davon geht die Welt nicht unter" und "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n".

Noch weiß Julia von Miller nicht, ob sie Leanders Liebeslied tatsächlich in das Programm des Benefizkonzerts der Süddeutschen Zeitung zugunsten des SZ-Adventskalenders aufnehmen soll. Sie sollte es, weil ihr aktuelles Programm "Capriolen", das sie mit ihrem Quartett einstudiert hat, die populäre Musik Ende der zwanziger Jahre bis in die Nazizeit hinein aus dem Blickwinkel der Komponisten und Autoren darlegt. Dadurch bekommen die Lieder unvermittelt einen oftmals bedrückenden Sinn. Manche Textzeile liest sich dann wie eine leise Parodie auf den Nationalsozialismus.

Kennt man die Lebensgeschichte von Bruno Balz, lassen sich folgende Worte nicht mehr als heiter erotisches Spiel verstehen: "Jeder kleine Spießer macht/das Leben mir zur Qual,/denn er spricht nur immer von Moral./Und was er auch denkt und tut,/man merkt ihm leider an,/ daß er niemand glücklich sehen kann." Es sind Verse versteckter Verzweiflung. Julia von Miller sagt: "Ich mache das Lied zu meinem Eigenen." Ganz ohne die Starallüren einer Leander, sondern als einen Swing, der in einer heiteren Melodie das Schicksal von Bruno Balz tänzerisch überspielt.

Auf jeden Fall wird das SZ-Benefizkonzert zu einer unvergesslichen musikalischen Lesung mit dem SZ-Chefredakteur und Streiflicht-Autor Kurt Kister. Ein Schwerpunkt werden seine Geschichten unter der Rubrik "Deutscher Alltag" werden, die in der SZ-Wochenendbeilage erschienen sind. Swing und Ironie sowie Humor im Off-Beat, der als natürlicher Rhythmus der menschlichen Bewegung gilt, lassen einen heiter-besinnlichen Abend erwarten, der durchaus als weihnachtlich gelten darf. Halt anders als bei den sonst gängigen Geschichten über den Advent und die Heilige Nacht und damit ganz in der Tradition der SZ-Benefizkonzerte im Ludwig-Thoma-Haus in Dachau, die jedes Jahr von der Volksbank-Raiffeisenbank großzügig unterstützt werden.

Die deutsche Variante des Swing erlebt übrigens in Deutschland eine Renaissance. Schauspieler Ulrich Tukur hat sich der Lieder von Peter Igelhoff angenommen. Der wurde wegen seiner jazzlastigen Songs 1942 in die Wehrmacht eingezogen. Roger Cicero geht mit "Was immer auch kommt" und seiner Bigband im nächsten Jahr auf Tournee. Max Raabe eilt von Erfolg zu Erfolg. Schon viele Jahre zuvor hat Julia von Miller diese Musik für sich entdeckt. Angefangen hat die 45-jährige Sängerin mit Rock. Aber sehr schnell hat sie gemerkt: "Den Swing kann meine Stimme gut." Mittlerweile beherrscht sie das gesamte Repertoire des amerikanischen und europäischen Swing. Über den Rhythmus sagt sie: "Es ist für mich eine selbstverständliche Bewegung."

Ihr Quartett besteht aus den Jazzmusikern Ludwig Leininger am Bass, Dieter Holesch (Gitarre) und Robert Probst am Klavier. Alle drei treten mit ganz unterschiedlichen Bands auf. Ludwig Leininger und Dieter Holesch sind in Dachau keine Unbekannten. Denn beide sind langjährige Weggefährten des hiesigen Klarinettisten Hans Blume und dessen unterschiedlichen Formationen wie Blumes Kleines Orchester. Julia von Miller stammt aus der Münchner Dynastie des Erzgießers Ferdinand von Miller, der Inspektor der Königlichen Erzgießerei in München die Bavaria-Statue errichtete. Die Familie kommt ursprünglich aus Fürstenfeldbruck.

Übrigens dürfte fast allen Dachauern Julia von Millers Stimme bekannt sein. Denn es ist anzunehmen, dass sehr viele die Komödie "Der Schuh des Manitu" gesehen haben. Einen Teil der Musik hat Holesch mitkomponiert. Schauspielerin Marie Bäumer gibt im Play-Back-Verfahren die frivole Barbesitzern und Old-Shatterhand-Geliebte. Tatsächlich singt Julia von Miller den Swing: "Schubidubidu - Hey, what you see, is what you get." So gedanklich schlicht frivol wie in dieser Zarah-Leander-Comedy-Version wird es am Mittwoch, 18. Dezember, sicher nicht zugehen.

Benefizkonzert zugunsten des SZ-Adventskalenders, Mittwoch, 18. Dezember, Ludwig-Thoma-Haus, Dachau. 18.30 Uhr Sektempfang, Beginn 19.30 Uhr. Vorverkauf: Volksbank Raiffeisenbank Dachau, 08131/77 0 und Lotto Kern-Ebner, Bahnhofstraße 9, 08131/80 746. Geldspenden: Montag bis Donnerstag 9.30 bis 18 Uhr sowie Freitag und Samstag 9.30 bis 16 Uhr im SZ-Servicezentrum, Fürstenfelder Straße 7, oder www.sz-adventskalender.de. "Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung e.V.": Sparkasse Dachau, Konto-Nr.: 90 73 03,BLZ: 700 515 40; Volksbank Raiffeisenbank Dachau, Konto-Nr.: 450 55, BLZ: 700 915 00.

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