SZ-Adventskalender:Alt, arm und allein

Unter tragischen Umständen hat Roswitha L. ihren Sohn verloren - jetzt fehlt das Geld für die Beerdigung.

Petra Schafflik

Dachau Roswitha L. (alle Namen geändert) steht noch ganz unter dem Schock der jüngsten Ereignisse. Gerade einmal sechs Wochen ist es her, dass ihr Sohn Tobias im Alter von nur 31 Jahren plötzlich gestorben ist. Der Sohn war von Geburt an mehrfach schwer behindert. Doch nicht die Folgen dieses Handicaps haben seinem Leben ein Ende gesetzt, sondern eine einfache Lungenentzündung. Die Mutter kann es nicht fassen. Mit 61 Jahren steht sie nun plötzlich ganz alleine da - und völlig mittellos.

"Mein ganzes Leben hatte ich doch um ihn herum gebaut." Gerade schien bei der kleinen Familie ein wenig Ruhe einzukehren. Tobias lebte unter der Woche in einem Wohnheim, am Wochenende und in den Ferien holte ihn die Mutter nach Hause. Mit ihrer kleinen Erwerbsunfähigkeitsrente plus Grundsicherung konnte sie sich keine großen Sprünge erlauben. Manchmal wusste die psychisch wie physisch von der langjährigen Pflege angeschlagene Frau kaum, wie sie ihren Jungen an den Wochenenden satt bekommen sollte. Doch Roswitha L. kam irgendwie über die Runden. Denn das einzige, was für die Mutter zählte, war, dass sich ihr Junge wohlfühlt.

Alles hatte sich gut eingespielt, "unser Leben stand auf gesunden Füßen", da überstürzten sich die Ereignisse. An jedes Detail erinnert sich Roswitha L. genau: Als ihr Sohn wieder einmal ein Wochenende zu Hause verbracht hat, ging es ihm plötzlich sehr schlecht. Bleich sei er gewesen, "seine Lippen waren ganz blau". Doch in der Klinik, wohin sie ihn im Krankenwagen begleitete, wies man die beiden ab. Da stand sie mit dem behinderten Sohn im Rollstuhl und wusste nicht, wie sie es wieder nach Hause schaffen sollten mitten in der Nacht. Ein Leihauto musste sie organisieren, um mit dem jungen Mann im Rollstuhl zurück in ihre Wohnung zu kommen. "Doch dem Kind ging es immer schlechter." Wieder fuhr sie am folgenden Tag in die Notaufnahme einer anderen Münchner Klinik. "Dort kam er sofort auf die Intensivstation." Plötzlich habe es geheißen, dass der Sohn sterbenskrank sei. Wenige Tage später war Tobias tot.

Noch hat Roswitha L. die traumatischen Erlebnisse nicht verarbeitet, da muss sie sich mit finanziellen Forderungen auseinandersetzen. Der Leihwagen, den sie in ihrer Not gemietet hatte, ist noch nicht bezahlt, eine Rechnung der Evangelischen Kirche für die Beerdigung ist offen. Der Bezirk übernimmt zwar ihren Anteil der Bestattungskosten, doch die andere Hälfte soll sie vom Vater des Jungen eintreiben. Einem Mann, der sich nie um sein Kind gekümmert hat, zu dem sie 31 Jahre lang keinen Kontakt hatte. Dass sie nach einem Leben, das von der Pflege ihres behinderten Sohnes bestimmt war, jetzt direkt in der Altersarmut gelandet ist, kann Roswitha L. akzeptieren. "Aber ich will nicht in eine Schuldenfalle geraten." Panische Angst hat sie davor, jemandem etwas schuldig zu bleiben. Deshalb wäre ihr viel geholfen, wenn die offenen Rechnungen mit Unterstützung der SZ-Leser bezahlt würden. "Dann könnte ich bei Null starten." Einen Bekanntenkreis, der sie in dieser schweren Zeit auffängt, hat sie nicht. Alt, arm und ein behindertes Kind - längst hätten sich alle Freunde von ihr abgewendet, sagt die 61-Jährige: "Man fühlt sich als Ballast der Gesellschaft."

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