Sulzemoos:Irische Barden kaufen in Sulzemoos

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"Ich habe zur richtigen Zeit das Richtige gemacht": Schreinermeister Christian Hedwitschak mit einer seiner selbst gefertigten Bodhráns in seiner Werkstatt in Sulzemoos. (Foto: Toni Heigl)
  • Der Schreinermeister Christian Hedwitschak aus Sulzemoos suchte für seine deutsch-irische Folkband ein besseres Instrument - vergeblich. Kurzerhand baute er sich selbst eine Trommel.
  • Als der Betrieb konkurs geht, in dem Hedwitschak arbeitet, macht er die traditionellen irischen Bodhráns zu seinem Beruf.
  • Inzwischen spielen Künstler auf der ganzen Welt mit seinen Instrumenten.

Von Petra Neumaier, Sulzemoos

Die Werkstatt ist ein kleines Nebengebäude, nur 18 Quadratmeter groß, und ziemlich vollgestopft mit allem, was Christian Hedwitschak so braucht: große Werkbank in der Mitte, Klemmen, Zangen, Feilen, Schraubenzieher, Bohrer. Ordentlich nach Größen sortiert hängen sie an allen vier Wänden und sogar von der Decke. Eine feine Holzpuderschicht liegt über allem und sogar auf den Fensterscheiben.

"Das sind die vielleicht kreativsten Quadratmeter in Sulzemoos", sagt Christian Hedwitschak und lacht. Seit 15 Jahren baut der 40-jährige Schreinermeister die irische Rahmentrommel namens Bodhrán. Und hat es damit nicht nur zur Weltspitze des handgefertigten Instrumentenbaus geschafft. Er hat vor allem in seinem Beruf seine Berufung gefunden.

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Weich und satt bumpern die Schläge, und je nachdem, wie Christian Hedwitschak die Trommel mit der Linken hält und mit lockerem Handgelenk der Rechten die gespannte Ziegenhaut mit dem Tipper (Stock) berührt, entstehen Rhythmen, die sich zu Melodien zusammenfügen. Dann schließt der Schreiner die Augen und versinkt regelrecht in den taktvollen Schwingungen, die Füße zum Tanzen und Stimmen zum Singen bringen.

1999 verfiel der Dachauer erstmals dem irischen Folk: Während des Zivildienstes in der Behindertenwerkstatt in Dachau empfahl ihm die Gruppenleiterin die Erlanger Folk-Rock-Band Fiddler's Green. Begeistert von der fröhlichen Musik folgte er ihr noch im gleichen Jahr zu ihren Ursprüngen, reiste über die ganze Insel und kaufte hier auch seine erste Bodhrán.

Die eignete sich allerdings eher für Dekorationszwecke, wie er bereits nach dem ersten Video-Lehrgang feststellen musste. Als Gründungsmitglied der deutsch-irischen Folkband Jumpin' the Fence sucht er deshalb ein besseres Instrument. Vergeblich. "Also habe ich versucht, selbst eine Bodhrán zu bauen", sagt Christian Hedwitschak schmunzelnd. Die Ziege, die für seine erste Trommel ihr Fell lassen musste, tut ihm heute noch leid.

Eigentlich plante der Schreiner während der Meisterschule, Bodhráns "nur nebenbei" zu bauen. Doch dann passiert zweierlei: Der Betrieb, in dem er als Meister hätte arbeiten sollen, ging konkurs. Außerdem kristallisierte sich schon in der Schule heraus, dass die eher theoretischen Arbeiten eines Meisters nichts für ihn sind. "Ich will den Kopf nicht vorm PC, sondern in Hobelspänen haben."

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Ehrgeizig und wissensdurstig wie er ist, probierte Christian Hedwitschak alles nur erdenkliche aus: verschiedene Formen, unterschiedliche Furniere und Lackierungen, Größen aller Art. Stimmsysteme wurden entwickelt und wieder verworfen, andere optimiert und verändert. Drei Monate Zeit gab sich der junge Schreinermeister als Probelauf für den Vertrieb seiner Bodhráns - mit sensationellem Erfolg. Ohne lange zu überlegen, lehnte Christian Hedwitschak ein Arbeitsangebot als Betriebsleiter ab und machte sich mit seinem eigenen Unternehmen, "Bodhránmaker" selbständig. "Ich habe zur richtigen Zeit das Richtige gemacht und bin auch dabei geblieben", sagt er rückblickend.

Von 2002 an geht sein Name um die ganze Welt. Mehr als 6000 Instrumente sind inzwischen über die ganze Erdkugel verteilt. Verkauft wird via Internet und über Lehrer, immer mehr Profimusiker haben seine Bodhrán in der Hand. Wie die der Gruppe Beoga, die auf dem im März herauskommenden, neuen Album von "Ed Sheeran" spielen oder der Kelly-Family. Sogar ein Riverdance-Ensemble spielt die Bodhrán made in Bavaria. Und stolz sucht Christian Hedwitschak schließlich noch ein Foto heraus, das seine Trommel bei einem Konzert im Weißen Haus zeigt, im Hintergrund Präsident Barack Obama.

Das Geheimnis seines Erfolges ist nicht nur die Leidenschaft und Liebe, die Christian Hedwitschak für seine handgemachten, und sogar von der Universität München geprüften Trommeln hegt. Es ist auch seine unermüdliche Suche nach Verbesserungen. Kein Holz, das er nicht schon ausprobiert und verarbeitet hat, kein Fell, das nicht in den Rahmen gespannt wurde. Und oft, gibt er ein wenig schüchtern zu, renne er vom Abendbrottisch der Familie noch mal in die Werkstatt, weil er eine Idee habe, die er sofort umsetzen will. "Es ist ein Glück, dass ich eine Frau habe, die zu 100 Prozent hinter mir steht."

Neben seinem Erfindungsreichtum, der ihm 2014 den Bayerischen Staatspreis "für hervorragend technische Leistungen im Handwerk" bescherte, ist sein Qualitätsmerkmal die Verwendung regionaler Materialien. Die Hölzer kommen aus Deutschland, die rohe Ziegenhaut aus Österreich. Dabei achtet der Vegetarier darauf, möglichst wenig Verschnitt zu haben und trotzdem beste Klang- und Spielqualität zu bieten. Derzeit experimentiert er auch mit synthetischen Materialien, die er für sehr vielversprechend hält.

Täglich steht Hedwitschak um vier Uhr auf, erledigt Büroarbeiten, bis er um acht Uhr seine fünfjährige Tochter in den Kindergarten bringt. Dann geht es für sechs bis acht Stunden in die Werkstatt. Inzwischen schafft der Instrumentenbauer eine 40- bis 45-Stunden-Woche. Früher, als er noch samstags arbeitete, waren es selten weniger als 60 Stunden. "Mit Familie setzt man Prioritäten", sagt er. Die Kleine trommelt natürlich auch schon begeistert. Mit ihr zusammen hat er vor Weihnachten eine Kinder-Bodhrán entwickelt: zwickt nicht, hat keine Ecken und Kanten, ist einfach zu halten, robust und lustig mit ihren "Kirschlolly-Griffen".

Neben den Basismodellen und Sonderanfertigungen bietet der Hedwitschak noch eine ganze Reihe von Sondereditionen an. Für Benefizaktionen vor Weihnachten und natürlich auch jetzt zum 15. Jubiläum. Den Prototyp hält Christian Hedwitschak stolz in der Hand, um ihn dann gut verpackt zum Fotografen zu schicken. "Ein zweites Sondermodell ist geplant", verrät er noch. Schließlich werden seine Trommeln sogar gesammelt.

Demnächst gibt es sogar eine belgische Pralinen-Kollektion namens "choclHED", sechs verschiedene Pralinen, die sechs verschiedenen Trommelfellen- und ihren Klängen entsprechen: cremig, scharf, weich, standardmäßig. "Fast zwei Jahre lang haben wir daran getestet", sagt der Schreinermeister lachend. Christian Hedwitschak plant nicht nur, er probiert auch alles aus. Und weil Arbeitszeit immer auch Lebenszeit ist, ist sie ihm unendlich wertvoll. "Deswegen möchte ich diese Zeit sinnvoll nutzen und möglichst Wertvolles und Schönes schaffen, an denen andere Menschen ebenso viel Freude haben, wie ich beim Machen."

Der Showroom der Bodhráns von Christian Hedwitschak ist in Puchheim bei Stevie Moises (www.tippermaker.eu), wo nach Absprache die Trommel angeschaut, ausprobiert und angetestet werden können. Hedwitschaks eigene Webseite hat die Adresse www.bodhranmaker.eu.

© SZ vom 21.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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